Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik

Unterhaus des tschechischen Zweikammersystems
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Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik (tschechisch Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky, abgekürzt PS PČR) ist das Unterhaus des tschechischen Parlaments.

Poslanecká sněmovna
Abgeordnetenhaus
Logo
Basisdaten
Sitz: Palais Thun,
Prag
Legislaturperiode: 4 Jahre
Abgeordnete: 200
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 8./9. Oktober 2021
Vorsitz: Markéta Pekarová Adamová (TOP 09)
Sitzverteilung
       


Sitzverteilung: Regierung (104)
  • ODS 34
  • STAN 33
  • KDU-ČSL 23
  • TOP 09 14
  • Opposition (96)
  • ANO 72
  • SPD 20
  • Piráti 4
  • (seit 2024, zuvor Regierung)
    Website
    www.psp.cz
    Sitzungsgebäude
    Sitzungsgebäude

    Das Abgeordnetenhaus wurde zum 1. Januar 1993 mit der Verfassung aus dem Jahre 1992 als untere Kammer des Parlaments mit 200 Abgeordneten geschaffen. Es entstand durch Umbenennung aus dem Tschechischen Nationalrat und steht in der Tradition des Abgeordnetenhauses der Tschechoslowakei bis 1939.

    Bis 1996 war das Abgeordnetenhaus de facto ein Einkammernparlament, da die Einrichtung des von der Verfassung vorgesehenen Senates erst vom Abgeordnetenhaus vollzogen werden musste. Debatten über die Sinnhaftigkeit sowie die Tatsache, dass das Abgeordnetenhaus bis zur Einrichtung des Senates unauflösbar war, verzögerten dies, so dass erst 1996 die ersten Wahlen zum Senat stattfanden.[1]

    Insbesondere in außenpolitischen Fragen spielt das Abgeordnetenhaus in den ersten Jahren nur eine geringe Rolle, da es durch die Aufwertung vom Regional- zum Nationalparlament nicht mit entsprechenden Fachleuten besetzt war. Die mit der verkürzten Wahlperiode und der Teilung des Staates verbundene Unsicherheit sowie mangelnde Ausstattung schwächten die Arbeit der Parlamentarier zusätzlich.[2]

    Aufgaben

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    Sitzungssaal

    Aufgabe des Parlaments ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Die Abgeordneten besitzen selbst ein gesetzgeberisches Initiativrecht (kein ausschließliches). Gesetze werden zuerst vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Danach wird der Gesetzesentwurf dem Senat vorgelegt. Bezieht der Senat negativ Stellung, kann er vom Abgeordnetenhaus mit der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten überstimmt werden. Nur in besonders wichtigen Situationen wird die Zustimmung beider Kammern benötigt. In diesen Bereich gehören insbesondere die Verabschiedung von Verfassungsgesetzen, des Wahlgesetzes, die Wahl des Präsidenten, Ausrufung des Kriegszustands oder die Entsendung von Truppen ins Ausland. Auch bei manchen internationalen Verträgen ist eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. Des Weiteren verkündet das Parlament den Kriegszustand im Falle eines gegnerischen Angriffs oder wenn internationale militärische Bündnisverpflichtungen erfüllt werden müssen.

    Das Abgeordnetenhaus siedelt in drei Blöcken von Häusern und Palästen auf der Prager Kleinseite. Das Hauptgebäude, in dem die Sitzungen stattfinden, ist das Palais Thun, wo bereits der Böhmische Landtag tagte.

    Das Abgeordnetenhaus wird in einem Verhältniswahlverfahren gewählt. Die politischen Parteien stellen in den Wahlkreisen (die mit den Gebieten der 14 Regionen übereinstimmen) Kandidatenlisten auf. Es gibt eine Sperrklausel von 5 %. Die Stimmen werden nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Der Wähler kann zwei Kandidaten eine Präferenzstimme erteilen. Das Mindestalter der Kandidaten ist 21 Jahre. Die Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.

    Die letzten Parlamentswahlen fanden am 8. und 9. Oktober 2021 statt.

    Zusammensetzung

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    Das aus 200 Mandatsträgern bestehende Abgeordnetenhaus setzt sich aktuell wie folgt zusammen:

    Logo Partei Ausrichtung Vorsitzender Sitze
        ANO 2011 (ANO)
    Aktion unzufriedener Bürger
    populistisch / liberal Andrej Babiš 72
        Občanská demokratická strana (ODS)
    Demokratische Bürgerpartei
    liberalkonservativ Petr Fiala 34
        Starostové a nezávislí (STAN)
    Bürgermeister und Unabhängige
    liberalkonservativ Vít Rakušan 33
        Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová (KDU-ČSL)
    Christliche und Demokratische Union – Tschechoslowakische Volkspartei
    christdemokratisch Marian Jurečka 23
        Svoboda a přímá demokracie – Tomio Okamura (SPD)
    Freiheit und direkte Demokratie
    rechtspopulistisch / rechtsextrem Tomio Okamura 20
        TOP 09
    Tradition, Verantwortung, Wohlstand
    liberalkonservativ Markéta Pekarová Adamová 14
        Česká pirátská strana (Piráti)
    Piratenpartei
    Piratenpartei Ivan Bartoš 4
    Gesamt 200

    Geschichte

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    Palais Thun, Sitz des Abgeordnetenhauses

    In Tschechien hat sich ein Mehrparteiensystem etabliert. Bis 2010 hatten die liberal-konservative Občanská demokratická strana (ODS) und die sozialdemokratische Česká strana sociálně demokratická (ČSSD) eine dominante Stellung. Eine Besonderheit des tschechischen Parteienspektrums ist im Vergleich mit anderen ostmitteleuropäischen Staaten die Existenz einer starken kommunistischen Partei, der KSČM. Anders als in anderen ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion wurde diese nicht zu einer sozialdemokratischen Partei transformiert oder durch eine solche ersetzt, sondern besteht neben der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei als parlamentarisch repräsentierte Partei weiter. Grund sind die „Säuberungen“ nach dem Prager Frühling, durch welche progressive und reformorientierte Kräfte aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei entfernt wurden. Da die KSČM als koalitionsunfähig gilt, gleichzeitig aber beständig zwischen 22 und 41 Sitze im Abgeordnetenhaus innehatte, führte dies zu einer gespaltenen Opposition von Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht in der Lage war, eine klare Alternative zum konservativ-liberalen Lager zu bilden. Diese Situation führte auch zu beständigen Flügelkämpfen innerhalb der ČSSD und zu einem teils aggressiven Politikstil dieser Partei.[3] Verschärft wird diese Situation durch die häufig sehr knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen dem linken und dem rechten Parteienspektrum, was einer der Gründe für die häufige Instabilität der tschechischen Regierungen ist. Eine Folge dieser Situation war der sogenannte Oppositionsvertrag zwischen ODS und ČSSD von 1998 bis 2002. Eine weitere seit Beginn etablierte Partei ist die christlich-demokratische Volkspartei KDU-ČSL, die jedoch mittlerweile den Status einer Kleinpartei hat.

    Bei den Abgeordnetenhauswahlen 2010 konnte die konservative Neugründung TOP 09 auf Anhieb über 16 Prozent erreichen, verlor aber bei den folgenden Wahlen an Stärke. Mit den Wahlen 2013 begann der Aufstieg der Protestpartei ANO, außerdem zog die rechtspopulistische Partei Úsvit ein. 2017 gewann ANO mit großem Abstand die Wahlen. Die Piraten, die Bürgermeisterpartei STAN und die Úsvit-Abspaltung SPD zogen erstmals in die Abgeordnetenkammer ein. Das Ergebnis war ein auf neun Parlamentsparteien zersplittertes politisches Spektrum, das neben der dominanten ANO acht Parteien zwischen 12 und 5 Prozent umfasste. Bei den Wahlen 2021 schafften sowohl ČSSD, als auch KSČM erstmals in der Geschichte der beiden Parteien den Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht.

    Sitzverteilung nach der vorletzten Wahl 2017
             
    Insgesamt 200 Sitze
    Wahlergebnisse der Wahlen ins Abgeordnetenhaus seit 1996
    Name 31. Mai/1. Juni 1996 19./20. Juni 1998 14./15. Juni 2002 2./3. Juni 2006 28./29. Mai 2010 25./26. Oktober 2013 20./21. Oktober 2017
    ČSSD 26,44 % 32,31 % 30,20 % 32,32 % 22,09 % 20,45 % 7,27 %
    ODS 29,62 % 27,74 % 24,47 % 35,38 % 20,22 % 7,72 % 11,32 %
    TOP 09 - - - - 16,71 % 11,99 %1) 5,31 %
    KSČM 10,33 % 11,03 % 18,51 % 12,81 % 11,27 % 14,91 % 7,76 %
    Věci veřejné - - - - 10,88 % - -
    KDU-ČSL 8,08 % 9,00 % 14,27 %2) 7,22 % 4,88 % 6,78 % 5,80 %
    SZ - 1,12 % 2,36 % 6,29 % 2,44 % 3,19 % 1,46 %
    ANO 2011 - - - - - 18,65 % 29,64 %
    Úsvit - - - - - 6,88 % -
    SPD - - - - - - 10,64 %
    STAN - - - - - -1) 5,18 %
    Piraten - - - - 0,80 % 2,66 % 10,79 %
    Sonstige 25,53 % 18,80 % 10,19 % 5,98 % 11,20 % 6,64 % 4,83 %
    Wahlbeteiligung 76,41 % 74,03 % 58,00 % 64,47 % 62,55 % 59,48 % 60,84 %
    1) TOP 09 trat zur Parlamentswahl 2013 in einer Koalition mit der STAN an.
    2) Die KDU-ČSL trat zur Parlamentswahl 2002 in einer Koalition mit der US-DEU an.

    Präsidenten des Abgeordnetenhauses

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    Markéta Pekarová Adamová (2018)

    Literatur

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    • Petr Kolář, Petr Valenta: Das Parlament der Tschechischen Republik – das Abgeordnetenhaus. Prag : Für die Kanzlei des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik herausgegeben von Ivan Král 2009. ISBN 978-80-87324-02-8.

    Siehe auch

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    Commons: Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Commons: Abgeordnetenhauswahlen in Tschechien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

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    1. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 51.
    2. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 51–52.
    3. Vgl. Hudalla, Anneke: Außenpolitik in Zeiten der Transformation. Die Europapolitik der Tschechischen Republik 1993–2000, Münster 2003, S. 61.
    4. Nachrichten – 22-04-2010 18:05 – Radio Prag. Radio.cz, 22. April 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Juli 2010; abgerufen am 18. August 2010.