Der Begriff des absolut stetigen Maßes setzt in der Maßtheorie die Nullmengen verschiedener Maße in Beziehung. Absolut stetige Maße sind eng verwandt mit den absolut stetigen Funktionen der Analysis und den absolut stetigen Verteilungen der Wahrscheinlichkeitstheorie.

Definition

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Es sei   ein Messraum und   und   zwei (signierte, komplexe oder positive) Maße auf  .

Das Maß   heißt absolut stetig bezüglich   (auch  -stetig), in Zeichen  , wenn jede  -Nullmenge auch eine  -Nullmenge ist.

Für jede messbare Menge   folgt also aus   auch  . Umgekehrt sagt man dann, dass   das Maß   dominiert. Durch   ist eine Quasiordnung auf der Menge aller Maße auf   erklärt.

Beispiele

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Das Nullmaß, das jeder Menge das Maß   zuordnet, wird naturgemäß von jedem Maß dominiert.

Sei   das Zählmaß auf den natürlichen Zahlen, genauer auf dem Messraum  . Dann ist jedes Maß auf   bzgl.   absolut stetig, denn die einzige  -Nullmenge ist die leere Menge  .

Das Wahrscheinlichkeitsmaß   der Standardnormalverteilung besitzt eine Wahrscheinlichkeitsdichte bzgl. des Lebesgue-Maß  , denn für jede Lebesgue-messbare Menge   gilt

 .

Daraus folgt, dass jeder Lebesgue-Nullmenge von   auch die Wahrscheinlichkeit   zugewiesen wird, also  . Zum Beispiel ist  .

Das letzte Beispiel lässt sich verallgemeinern. Angenommen ein Maß   lasse sich durch eine Dichtefunktion   bzgl. eines anderen Maßes   darstellen, es gelte also   für jede Menge   aus der σ-Algebra  . Dann ist  , denn das Integral über eine Nullmenge ist immer  .

Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. So ist das Lebesgue-Maß bzgl. des Zählmaßes auf   zwar absolut stetig, besitzt aber keine Dichte. Für bestimmte Spezialfälle lässt sich aber eine Umkehrung angeben (s. unten).

Charakterisierungen

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In bestimmten Fällen lassen sich Eigenschaften von Maßen angeben, die äquivalent zur obigen Definition sind. Sei   ein positives Maß und   ein endliches oder komplexes Maß auf demselben Messraum, insbesondere sei also  . Es gilt dann folgender Satz:

Das Maß   ist genau dann absolut stetig bzgl.  , wenn es für jedes   ein   gibt, so dass für alle   mit   gilt  .

Ist dagegen  , so impliziert der erste Teil nicht mehr den zweiten.

Bezeichne erneut   das Lebesgue-Maß auf der reellen Gerade und   ein weiteres Maß auf  . Die Verteilungsfunktion   von   ist definiert als  

Das Maß   ist genau dann absolut stetig bzgl.  , wenn jede Einschränkung von   auf ein endliches Intervall   eine absolut stetige Funktion auf   ist.

Die erste Charakterisierung zeigt, dass es sich bei absoluter Stetigkeit tatsächlich um einen Stetigkeitsbegriff für Maße handelt. Die zweite Charakterisierung motiviert die Bezeichnung.

Äquivalenz von Maßen

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Da   eine Quasiordnung ist, lässt sich durch

 

eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller Maße auf   definieren. Für äquivalente Maße stimmen die Nullmengen genau überein. Die Äquivalenzklassen werden durch   halbgeordnet.

Diese Äquivalenz erklärt viele nützliche Eigenschaften, zum Beispiel von σ-endlichen Maßen, denn es gilt:

Ist   σ-endlich, so ist es zu einem endlichen Maß äquivalent; selbst dann, wenn  .

Darüber hinaus gibt es eine  -integrierbare Funktion  , so dass   für alle  . Das äquivalente endliche Maß   ist dann durch   gegeben, d. h.   ist die  -Dichte von  . Ist   nicht das Nullmaß, so lässt sich   so wählen, dass  . Das Maß   ist dann also sogar zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß äquivalent.

Tatsächlich lässt sich obiger Satz wie folgt verstärken:

Ist   s-finit und  , so ist es zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß äquivalent.

Dies ist eine echte Verallgemeinerung, da σ-endliche Maße stets auch s-finit sind, aber nicht umgekehrt.

σ-endliche Maße

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Auf Grund der oben beschriebenen Äquivalenz wird absolute Stetigkeit häufig im Kontext von σ-endlichen Maßen diskutiert. So werden zum Beispiel in der mathematischen Statistik dominierte Verteilungsklassen behandelt. Eine dominierte Klasse ist dabei die Gesamtheit aller Wahrscheinlichkeitsmaße, die absolut stetig bzgl. eines gemeinsamen σ-endlichen Maßes sind. Des Weiteren gelten die folgenden fundamentalen Sätze für σ-endlichen Maße.

Satz von Radon-Nikodým

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Der Satz von Radon-Nikodým kehrt das obige Beispiel mit der Dichtefunktion um.

Ist   σ-endlich, so gilt   für ein weiteres Maß   genau dann, wenn   eine Dichte bzgl.   besitzt.

Zerlegungssatz von Lebesgue

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Der Zerlegungssatz von Lebesgue liefert die Existenz einer Zerlegung eines  -endlichen Maßes in einen absolut stetigen und einen singulären Anteil.

Sind   zwei σ-endliche Maße, dann gibt es zwei weitere σ-endliche Maße   und   mit  , so dass   sowie   gilt.

Literatur

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