Attentat auf Andrei Gennadjewitsch Karlow

Ermordung des russischen Botschafters in der Türkei, Andrei Karlow am 19. Dezember 2016 in Ankara

Bei einem Attentat am 19. Dezember 2016 in Ankara wurde der russische Botschafter in der Türkei, Andrei Gennadjewitsch Karlow, getötet.[1][2][3]

Andrei Karlow, 2016

Hintergrund

Bearbeiten

In der Türkei hatte es vor dem Attentat auf Karlow Proteste vor den Botschaften des Irans und Russlands wegen deren Unterstützung für die Offensive der syrischen Regierungstruppen gegen die rebellische Opposition im syrischen Aleppo gegeben.[1]

Tathergang

Bearbeiten

Die Tat ereignete sich bei der Eröffnung einer Fotoausstellung in der türkischen Hauptstadt Ankara.[4] Die Ausstellungseröffnung fand im Çağdaş Sanatlar Merkezi statt, einer Ausstellungshalle im Çankaya-Viertel Ankaras, in dem neben der russischen auch andere Botschaften liegen.[4]

Während Andrei Karlow eine Rede hielt, gab der in Zivilkleidung anwesende Polizist Mevlüt Mert Altıntaş mehrere Schüsse auf ihn ab.[5] Für die Tat nutzte Altıntaş seine Dienstwaffe.[2] Da Karlows Rede gefilmt wurde, wurde auch der Angriff auf Video dokumentiert. In den Aufzeichnungen war der spätere Attentäter bereits vor dem Angriff gut erkennbar hinter Karlow zu sehen. Nach den Schüssen schrie der Täter auf Arabisch: „Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed Treue und dem Dschihad Treue schwören.“[6], „Allahu akbar!“ („Gott ist am größten“) sowie auf Türkisch: „Vergesst Syrien nicht. Vergesst Aleppo nicht. Solange die Menschen dort nicht sicher sind, werdet ihr nicht sicher sein.“[1]

Bei dem Attentat wurden mindestens zwei weitere Menschen verletzt.[2] Der Angreifer wurde etwa eine halbe Stunde nach der Tat von der türkischen Polizei erschossen.[1]

Beim Täter handelt es sich um den 22-jährigen Türken Mevlüt Mert Altıntaş, der seit zweieinhalb Jahren in einer Spezialeinheit der Polizei in Ankara[7] und als Leibwächter des türkischen Präsidenten Erdogan[8] tätig war. Im Zuge der Säuberungswelle nach dem gescheiterten Putschversuch soll Altıntaş ebenfalls entlassen worden sein, weil man ihm Verbindungen zu Gülen unterstellte, er wurde jedoch wegen Mangels an Beweisen wieder eingestellt.[9]

Reaktionen

Bearbeiten
 
Der russische Präsident Wladimir Putin nach dem Attentat mit Außen­minister Sergei Lawrow, dem Leiter des Inlands­geheim­dienstes FSB Alexander Bortnikow und dem Leiter des Auslands­geheim­dienstes SWR Sergei Naryschkin

Das russische Außenministerium bezeichnete die Tötung Karlows als einen Terrorakt.[4][7] Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Attentat scharf und forderte, Urheber und Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen.

Der designierte US-Präsident Donald Trump sagte, der Mord an Karlow stelle eine „Verletzung aller Regeln der zivilisierten Ordnung“ dar. Die Volksrepublik China nannte das Attentat einen „barbarischen Akt des Terrorismus.“ Die Regierungen der Türkei und Russlands sahen in dem Anschlag einen Versuch, ihren Annäherungskurs zu torpedieren.[10]

Die russische Regierung entsandte zur Unterstützung der türkischen Strafverfolgungsbehörden ein Ermittlerteam nach Ankara, bestehend aus 18 Fachleuten der Geheimdienste, der Polizei und des Außenministeriums.[11] Das russische Außenministerium warnte vor Reisen in die Türkei. Die türkische Regierung wolle laut Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu eine Straße in Ankara nach Karlow benennen lassen.[12]

Am 19. Januar 2017 wurde gegen zwei Verdächtige in dem Zusammenhang Haftbefehl erlassen, denen Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen wird. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sei einer der beiden Polizist.[13]

Am 19. Juni 2017 – ein halbes Jahr nach dem Attentat – wurde bekanntgegeben, dass Alexej Jerchow die Nachfolge von Karlow als Botschafter antreten werde.[14]

Fotografische Dokumentation

Bearbeiten

Im Februar 2017 wurde ein Foto des Associated-Press-Fotografen Burhan Ozbilici (* 1955) als Pressefoto des Jahres 2016 ausgezeichnet. Der Fotograf hatte sich dem Diplomaten bereits kurz vor dem Tatereignis genähert, um ihn aus nächster Distanz zu fotografieren, als die ersten Schüsse fielen. Das Bild zeigt den gut gekleideten Attentäter, schreiend, mit erhobenem Zeigefinger, sowie, im Hintergrund liegend, den leblosen Körper von Karlow. Zu der von der Jury ausgezeichneten Reportage gehören auch ein Bild, das den nichtsahnenden Karlow mit dem sich von hinten nähernden Altıntaş zeigt, und eine Aufnahme des Täters mit der gegen das Publikum erhobenen Waffe sowie ein Foto der verängstigt in einer Ecke kauernden Ausstellungsbesucher.[15][16] Das Hauptbild erreichte eine sofortige millionenfache Verbreitung in den Sozialen Medien.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d Russischer Botschafter in Ankara erschossen, auf spiegel.de, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  2. a b c Russischer Botschafter nach Attentat gestorben, auf welt.de, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  3. Russian ambassador to Turkey Andrey Karlov shot dead, auf telegraph.co.uk, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  4. a b c Russischer Botschafter in Ankara getötet, auf zeit.de, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  5. Russian ambassador to Turkey Andrei Karlov shot dead in Ankara, auf bbc.com, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  6. Russischer Botschafter bei Anschlag in Ankara getötet, auf merkur.de, abgerufen am 4. Januar 2017.
  7. a b Russland spricht nach Attentat auf Botschafter von Terror, auf spiegel.de, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  8. Ankara-Attentäter war Erdogan-Leibwächter, ORF vom 21. Dezember 2016
  9. Ankara-Attentat auf russischen Botschafter: Vier Theorien zum Mord | STERN.de. In: stern.de. 21. Dezember 2016 (stern.de [abgerufen am 22. Dezember 2016]).
  10. Entsetzen nach Attentat auf russischen Botschafter. Wirtschaftswoche, 20. Dezember 2016.
  11. Nach Mord an Diplomaten: Kreml entsendet Ermittler nach Ankara. FAZ.net, 20. Dezember 2016.
  12. Nach Mord an Botschafter warnt Russland vor Türkei-Reisen. Merkur.de, 20. Dezember 2016.
  13. Zwei Haftbefehle nach Mord an russischem Botschafter
  14. Russland ernennt neuen Botschafter in der Türkei
  15. Der tote Botschafter. Spiegel Online, 13. Februar 2017, abgerufen am gleichen Tage.
  16. Burhan Ozbilici: World Press Photo 2017. Hrsg.: David Campbell, Lars Boering, Stuart Franklin. Till Schaap Edition, Bern 2017, ISBN 978-3-03878-001-4, S. 6 f., 54–59.