2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril

chemische Verbindung
(Weitergeleitet von CS-Gas)

2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril (nach seinen Entdeckern Ben B. Corson und Roger W. Stoughton (1928)[6] auch CS genannt) ist eine farblose, kristalline Verbindung, die als Tränenreizstoff (auch Tränengas genannt) Verwendung findet.[1][7]

Strukturformel
Struktur von 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril
Allgemeines
Name 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril
Andere Namen
  • CS-Gas
  • 2-[(2-Chlorphenyl)methylen]propandinitril
  • o-Chlorbenzylidenmalondinitril
  • ortho-Chlorbenzylidenmalondinitril
  • β,β-Dicyano-o-chlorstyrol
  • Agent CS
Summenformel C10H5ClN2
Kurzbeschreibung

weiße Kristalle mit pfefferähnlichem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 2698-41-1
EG-Nummer 220-278-9
ECHA-InfoCard 100.018.435
PubChem 17604
ChemSpider 16644
Wikidata Q209357
Eigenschaften
Molare Masse 188,62 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,04 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

96 °C[2]

Siedepunkt

312 °C (Zersetzung)[3]

Löslichkeit
  • schlecht in Wasser (1–5 g bei 16 °C)[2]
  • gut in Aceton (50–100 g bei 16 °C)[4]
  • sehr gut in DMSO (>100 g bei 16 °C)[4]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​330​‐​315​‐​317​‐​319​‐​335​‐​410
P: 251​‐​262​‐​264​‐​270​‐​271​‐​273​‐​280[2]
Toxikologische Daten

1,5 mg·m−3/ 90 min (TCLoMenschinh.)[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Eigenschaften

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2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril ist ein weißer, kristalliner, giftiger und brennbarer Feststoff mit pfefferähnlichem Geruch. Bei Aufwirbelung von Staub der Verbindung bilden sich explosionsfähige Gemische mit Luft. Bei Brand oder starker Erhitzung erfolgt Zersetzung in nitrose Gase, Chlorwasserstoff und Kohlenstoffoxide. 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril ist schlecht löslich in Wasser und hat eine höhere Dichte als dieses. Er sinkt in Wasser langsam nach unten und bildet giftige und stark reizende Gemische mit Wasser, die auch bei Verdünnung ihre Wirkung nicht verlieren, wobei die Verbindung nur langsam hydrolisiert. Er ist löslich in vielen organischen Lösungsmitteln, insbesondere jedoch in Aceton, Methylenchlorid, Dioxan, Ethylacetat und Benzol.[8]

Verwendung

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Als Aerosol wird es – gelöst in Dichlormethan oder Aceton[9] – als polizeiliches Einsatzmittel bei Krawallen verwendet. Ein internationaler Vertrag zu chemischen Waffen verbietet jedoch den Einsatz in Kriegsgebieten.[10] Der als CS-Gas vermarktete Stoff wird unter anderem in Schreckschuss- bzw. Druckluftwaffen eingesetzt, aber auch in kleinen Spraydosen zur Selbstverteidigung. Der Umgang mit diesen Reizstoffsprühgeräten ist in Deutschland, abweichend von den sonstigen Vorschriften des Waffengesetzes, auch schon Jugendlichen ab 14 Jahren erlaubt. Gaspistolen können ab 18 Jahren erlaubnisfrei erworben werden, zum Führen in der Öffentlichkeit wird jedoch ein Kleiner Waffenschein benötigt.

Zur Abwehr von Hunden etc. werden höhere CS-Konzentrationen als zur Abwehr von Menschen benötigt. Mittlerweile werden jedoch auch für diesen Zweck meist die effektiveren sogenannten Pfeffersprays eingesetzt. Diese enthalten als Hauptwirkstoff Oleoresin Capsicum, kurz OC, welches aus Chilischoten gewonnen wird. OC findet selbst bei Bärensprays in Nordamerika Anwendung, und seine Wirkung wird im Gegensatz zu CS nicht durch Alkohol- oder anderen Drogenkonsum beeinflusst.[11]

Wirkungen

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2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril wirkt direkt auf das neuronale Schmerzzentrum. Die Reaktionen auf den Stoff sind individuell unterschiedlich und können auch durch den Konsum von Alkohol oder anderer Drogen beeinflusst werden. Ist das Schmerzzentrum nämlich durch Alkohol oder andere Drogen blockiert, kann das Schmerzempfinden geringer sein. Etwa 50 % der Menschen reagieren bei niedrigen Konzentrationen (0,004–0,023 mg·m−3) nicht,[9] bei anderen zeigen sich aufgrund der Reizung sofort Augentränen und Husten, seltener auch Hautrötung und -jucken. Ab etwa 4 mg·m−3 wird der Geruch als Belästigung empfunden, wobei nahezu sofort Reizung von Augen und Atemtrakt auftreten.[9] In größeren Mengen eingeatmet, kann CS zu einem Lungenödem und im Einzelfall zum Tod führen. Die letale Dosis wird für den Menschen von der WHO auf 25–150 g·min−1·m−3 geschätzt.[9]

Toxizität

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Obwohl als nichttödliche Waffe für die Kontrolle von Menschenansammlungen (z. B. bei Demonstrationen) beschrieben, gibt es inzwischen Studien, die begründete Zweifel an dieser Einschätzung wecken. CS kann schwere Lungenschäden verursachen sowie Herz und Leber erheblich beeinträchtigen.[12]

Am 28. September 2000 veröffentlichte Uwe Heinrich eine Studie, nachdem er vom US Office of Special Counsel unter John C. Danforth beauftragt wurde, den Einsatz von CS-Gas durch das FBI bei der Davidianer–„Mount-Carmel–Verbindung“ zu untersuchen. Er folgerte, dass die Letalität von CS hauptsächlich durch zwei Faktoren bestimmt wird: zum einen, ob Gasmasken verwendet wurden, und zum anderen, ob die Insassen in einem Raum gefangen wurden. Er folgert, dass, wenn keine Gasmasken verwendet wurden und die Insassen gefangen sind, „[…] es durchaus möglich ist, dass diese Art von CS-Exposition signifikant dazu beitragen oder sogar zum Tode führen kann.“[13]

Wenn CS metabolisiert wird, können im menschlichen Gewebe Cyanide nachgewiesen werden.[12] Nach Angaben des United States Army Center for Health Promotion- and Preventive Medicine, emittiert CS sehr giftige Dämpfe, wenn es bis zur Zersetzung erhitzt wird. In bestimmten Konzentrationen sei CS-Gas eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit. Personen, die CS-Gas ausgesetzt waren, wird empfohlen, unverzüglich einen Arzt aufzusuchen.[14] In vitro zeigte 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril mutagene und klastogene Eigenschaften.[15]

Herstellung

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2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril kann durch Knoevenagel-Kondensation aus 2-Chlorbenzaldehyd und Malonsäuredinitril synthetisiert werden.[16]

 
Synthese von 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril
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Commons: 2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Eintrag zu (2-Chlorbenzyliden)malononitril. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
  2. a b c d e Eintrag zu [(2-Chlorphenyl)methylen]malonitril in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2021. (JavaScript erforderlich)
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-96.
  4. a b L. H. Keith, D. B. Walters: National Toxicology Program’s Chemical Solubility Compendium, National Toxicology Program (U.S.), CRC Press, 1992, ISBN 978-0-87371-653-6, S. 88.
  5. Eintrag zu 2-Chlorobenzalmalononitrile in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 17. August 2021. (Seite nicht mehr abrufbar)
  6. Ben B. Corson, Roger W. Stoughton: REACTIONS OF ALPHA, BETA-UNSATURATED DINITRILES. In: Journal of the American Chemical Society. 50, 1928, S. 2825–2837, doi:10.1021/ja01397a037.
  7. Wolfgang Legrum: Riechstoffe, zwischen Gestank und Duft, Vieweg + Teubner Verlag (2011) S. 74–75, ISBN 978-3-8348-1245-2.
  8. Günter Hommel: Handbuch der gefährlichen Güter. Band 6 Springer Berlin Heidelberg, 2012, ISBN 978-3-642-25051-4, S. 2294.
  9. a b c d J. P. Robinson: Public health response to biological and chemical weapons: WHO guidance. 2. Auflage, WHO, 2004, ISBN 978-92-4-154615-7, S. 196–200.
  10. Süddeutsche Zeitung: Blackwater benutzte CS-Gas (Memento vom 12. Mai 2007 im Internet Archive), Meldung vom 10. Januar 2008.
  11. Was ist der Unterschied zwischen Pfefferspray und CS Gas? 18. Januar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. August 2017; abgerufen am 16. August 2017.
  12. a b Howard Hu, Robert Cook-Deegan, Asfandiar Shukri: The Use of Chemical Weapons: Conducting an Investigation Using Survey Epidemiology, in: Journal of the American Medical Association, 1989, 262 (5), S. 640–643; PMID 2746816.
  13. U. Heinrich: Possible lethal effects of CS tear gas on Branch Davidians during the FBI raid on the Mount Carmel compound near Waco, Texas. (PDF; 4,1 MB) September 2000, abgerufen am 1. Oktober 2010.
  14. Kenneth E. Williams: Detailed Facts About Tear Agent O-Chlorobenzylidene Malononitrile (CS). (Memento vom 21. August 2014 im Internet Archive) U.S. Army Center for Health Promotion and Preventive Medicine. Abgerufen am 23. September 2007 (PDF; 25 kB).
  15. Howard Hu: Tear Gas—Harassing Agent or Toxic Chemical Weapon? In: JAMA: The Journal of the American Medical Association. Band 262, Nr. 5, 4. August 1989, S. 660, doi:10.1001/jama.1989.03430050076030.
  16. Ben B. Corson, Roger W. Stoughton: Reactions of Alpha, Beta-unsaturated Dinitriles. In: Journal of the American Chemical Society. Band 50, Nr. 10, Oktober 1928, S. 2825–2837, doi:10.1021/ja01397a037.