Deutschordenskommende St. Aegidius (Aachen)
Die Deutschordenskommende St. Aegidius (auch St. Gilles oder Sint Gillis genannt) war eine dem heiliggesprochenen Abt Ägidius geweihte Klosteranlage des Deutschen Ordens in Aachen. Die Anlage befand sich stadtseitig im Verlauf der heutigen Pontstraße (Pontstraße 78), am Pontmitteltor und wurde von der inneren Stadtmauer, der sogenannten Barbarossamauer, begrenzt. Die Kommende St. Aegidius war eine der Kommenden der Deutschordensballei Biesen.[1]
Nach der Säkularisation 1802 wurde die Anlage mehrfach umgebaut, im Zweiten Weltkrieg wurde sie zerstört. In die Neubebauung aus den 1950er Jahren sind Teile der mittelalterlichen Stadtmauer sowie der Umfassungsmauern der ehemaligen Klosterkapelle integriert.
Geschichte
BearbeitenAm Driescher Gässchen zwischen Pontstraße und Hirschgraben befand sich bereits im 12. Jahrhundert das Haus der Herren von Punt. Um dieses Haus in die erste Stadtmauer einzubeziehen, wurde diese nicht geradlinig zwischen Pontmitteltor und Neutor durchgezogen, sondern machte an der Ecke Driescher Gässchen/Hirschgraben einen Knick, was sonst möglichst vermieden wurde.[2]
Am 13. März 1320 verkaufte der Aachener Schöffe Conrad de Pont[3] seinen in diesem Eck gelegenen Gutshof, zu dem auch die Kapelle St. Ägidius gehörte, dem Ritter Reinhard de Pomeris (von Bongard).[4] 1321 machte Goswin de Keversberg von seinem Einstands- oder Beschüdderecht[5] Gebrauch, das ihm als Verwandter Conrads zustand, kaufte die Anlage zurück und übertrug sie 1322 als Stiftung auf die Deutschordensballei in Alden Biesen.[6] Diese Stiftung wurde von der Ballei selbst mit Gütern zu Aldenhoven, Welz bei Linnich und Vaals belehnt.[7] Der Kommende stand zeitweise das Kollaturrecht über die Pfarre St. Lambertus in Welz zu.[8]
Die Kommende St. Ägidius/St. Gilles wurde damit eine der Ordenskommenden von Alden Biesen. Nur wenige Jahre später, 1328, wurde die Kommende aus dem Pfarrverband entlassen und in den Folgejahren von mehreren Ritterfamilien beschenkt. Bis zum 16. Jahrhundert scheint sie eine Priesterkommende gewesen zu sein,[9] als deren erster Priesterkomtur ein gewisser Thomas van Aken wirkte. Dieser ließ 1330 die alte Kapelle abbrechen und eine neue bauen.
Um 1410 lebten in der Kommende lediglich zwei Ordensbrüder, davon ein Priesterbruder und ab 1451 nur noch ein Laienbruder. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts lag die Leitung der Kommende in der Hand von Ordenspriestern, die als Pfleger ihren Dienst taten. Erstmals ab 1543 findet sich ein Ritterbruder, der Ordensritter Johann von Cortenbach, als Komtur.[10]
Schließlich wurden im Jahr 1591 die Aachener Beginen und Begarden in die Kommende eingegliedert, die ihrerseits ihre bisherige Klosteranlage der Jesuitenkommunität Aachen überlassen hatten. In ihrer Eigenschaft als Komtur des Deutschen Ordens wirkten hier unter anderem Heinrich von Reuschenberg (1566/67 und 1580–1584), Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim (1699–1706), Caspar Anton von Belderbusch (1758–1762) und Heinrich-Johann von Droste zu Hülshoff (1778–1784).
Um 1630 wurden die Gebäude der Deutschordenskommende niedergelegt und im Spätrenaissance-Stil neu angelegt.[11] In die Aegidiuskapelle wurde ein neues Gewölbe eingezogen, aber die historische Bausubstanz erhalten.[12]
Ihre Hochzeit erlebte die Kommende in der Mitte des 17. Jahrhunderts.[13] In dieser Zeit lebten mehrere Deutschherren in der Kommende. Professschilde aus dem 17. Jahrhundert belegen, dass in der Kommende Feiern zur Ablegung des Ordensprofess stattgefunden haben. Die Deutschritter Johann Franz von Lützenrath, Gottfried Huyn von Geleen und Heinrich Schenk von Nideggen legten 1632 in der Kapelle St. Aegidius ihren Ordensprofess ab.[14]
Der Stadtbrand vom 2. Mai 1656 beschädigte auch die Kommende und ihre Kapelle.[15] Sie konnte allerdings – im Gegensatz zu fast allen Gebäuden der Innenstadt – wieder instand gesetzt werden.[16]
Im Jahr 1802 wurde die Kommende im Zuge der Säkularisation in Aachen aufgehoben. Während der französischen Besetzung im napoleonischen Kaiserreich war in dem Klostergebäude die Gendarmerie und in der Kapelle der zugehörige Pferdestall untergebracht. Nach dem Abzug der Franzosen wurden die Gebäude zu Wohnzwecken umgebaut.[17] Mauerreste der Kapelle mit den zugesetzten gotischen Fenstern waren noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhalten.[18]
Geologische und hydrogeologische Baugrundverhältnisse
BearbeitenDie Klosteranlage befindet sich am Rand eines eemzeitlichen Tales, in dessen Talsohle heute der Johannisbach fließt. Der Baugrund der Kommende wird durch quartärzeitliche Sedimente gebildet. Bei Sondierungen im Jahr 2002 konnten unter einer zwei Meter mächtigen Schicht aus Kulturschutt pleistozäne Lösslehme und feuersteinführende Kiese beobachtet werden. Diese entstanden während der letzten beiden Eiszeiten, der Saale- und Weichselkaltzeit als Abtragungsschutt der umrandenden Höhenlagen, wie dem Lousberg und dem Königshügel.[19] Die Feuersteinkiese bilden hier den ersten Grundwasserleiter. Unterlagert werden die quartärzeitlichen Sedimente durch oberkreidezeitliche Ton- und Schluffablagerungen, dem Hergenrather Ton, der hier und in der näheren Umgebung stets den grundwasserstauenden Horizont für die zahlreichen, größtenteils ehemaligen Hausbrunnen bildet. Die paläozoischen Festgesteine, bestehend aus oberkarbonischen Sand- und Tonsteinen, werden hier in 18,7 m Teufe erreicht.[20]
Begrenzungen: Barbarossamauer und Pontmitteltor
BearbeitenDie Klosteranlage grenzte stadtwärts an die innere Stadtmauer von Aachen, die auf Geheiß von Kaiser Friedrich Barbarossa nach 1172 errichtet und nach ihm benannt wurde. Im Bereich der der Klosteranlage vorgelagerten Pontstraße befand sich eines der vier Haupttore der Mauer, das Pontmitteltor.
Die Barbarossamauer war hauptsächlich in Form eines sogenannten Schalenmauerwerkes errichtet. Die Außenflächen werden durch ein so genanntes Blendmauerwerk vorwiegend aus sehr harten, verwitterungsresistenten Tertiärquarziten gebildet.[21] Kleinere Bruchstücke aus Blaustein und Mergelkalkstein ergänzen den Aufbau der Außenmauer im Bereich des Driescher Gässchens. Den Mauerwerkskern zwischen den beiden äußeren Blendmauern bildet ein Füllmauerwerk, zu dessen Herstellung minderwertiger, kleinerer Gesteinsschutt aus Kalkstein, Mergelstein und Sandstein verwandt wurde. Die Kontermauer des Wehrgrabens wird im Bereich Templergraben/Driescher Gässchen vorwiegend aus einem Bruchsteinmauerwerk von Sandsteinen des Oberkarbons aus dem Wurmtal gebildet.[21]
Die Freifläche zwischen dem Driescher Gässchen und der Barbarossamauer überdeckt heute den ehemaligen 8 m tiefen und 25 m breiten Stadtgraben, der der Mauer stadtauswärts vorgelagert war. Eine Pflasterung aus Kopfsteinpflaster, die die Pontstraße quert, markiert heute den weiteren Verlauf der Stadtmauer.
Das 1944 zerstörte, zuvor mehrfach umgebaute Gebäude[22] wurde in den 1950er Jahren zum Teil auf den Resten der alten Umfassungsmauern der ehemaligen Kapelle neu errichtet. Die Reste der Kapelle wurden abgebrochen und ein Gewändeprofil in die Sammlung des Aachener Domes gegeben. Weitere Teile der Kapelle erwarb der Kunstsammler Peter Ludwig.
Die Umfassungsmauern der ehemaligen Kapelle stehen heute, ebenso wie ein auf dem Grundstück befindliches nahezu vollständig erhaltenes Stück der Barbarossamauer unter Denkmalschutz.[23]
Heutige Nutzung
BearbeitenDas heutige Gebäude wurde in den 1950er Jahren zum Teil auf den Resten der alten Umfassungsmauern zunächst als Wohn- und Geschäftshaus neu errichtet. Zwischen 1998 und 2000 wurde das Gebäude erneut umgebaut und beherbergt seitdem ein Restaurant, dessen Namenspatron der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan ist.
Das Magellan ist das einzige Restaurant in Aachen, durch das – auch im Inneren der Gaststätte – ein Teilstück der Barbarossamauer führt. Den Aufbau der Mauer mit einem Blend- und Füllmauerwerk kann im Gastraum beispielhaft an einem 8 m langen Mauerstück betrachtet werden. Die Begrenzung des Gartenrestaurants zum Driescher Gässchen bildet ebenfalls die noch im Original erhaltene Stadtmauer. Eine Bronzetafel mit der Replik eines Kupferstiches an der Mauer erinnert an die alte Kommende St. Ägidius. Das Restaurant Magellan ist heute Treffpunkt zahlreicher Aachener Vereine.
Literatur
Bearbeiten- August Brecher: Die kirchliche Reform in Stadt und Reich Aachen von der Mitte des 16. bis zum Anfang des 18. Jhs. Münster 1957, S. 395 f.
- Albert Huyskens: Das Aachener Deutschordenshaus um 1700 auf einem Kupferstich. In: ZAGV 58 (1937), S. 121–134.
- Paul Kaiser: Der kirchliche Besitz im Arrondissement Aachen gegen Ende des 18. Jahrhunderts und seine Schicksale in der Säkularisation durch die französische Herrschaft. Aachen 1906, S. 47 f.
- Karl Faymonville: Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen 2. Die Kirchen der Stadt Aachen (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Band 10, 2). Düsseldorf 1916, S. 296–299.
- Karl-Heinz Lampe: Ein Anniversarienkalender der Deutschordens-Kommende St. Aegidien zu Aachen. In: ZAGV 69 (1957), S. 39–55.
- Johann Nopp: Aacher Chronick. Köln 1632, S. 100.
- Eberhard Quadflieg: Das Deutsche Haus zu St. Gilles in Aachen. In: ZAGV 78 (1966/1967), S. 161–173.
- Michel van der Eycken u. a.: Leden van de Duitse Orde in de Balije Biesen. Bilzen 1994, S. 167–168.
Weblinks
Bearbeiten- Damian Hungs: Kommende Aachen
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Zur Anzahl der zur Deutschordensballei Biesen zugehörigen Kommenden gibt es unterschiedliche Angaben: Das Findbuch NRW archive.nrw.de gibt 12 zugehörige Kommenden an, während andere Quellen Kommenden des Deutschen Ordens – S. 11. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 10,1 MB) von 19 zugeordneten Kommenden sprechen.
- ↑ Carl Rhoen: Die Befestigungswerke der freien Reichsstadt Aachen. Anton Creutzer, Aachen 1894, S. 12, 29, urn:nbn:de:hbz:061:1-230540 (ISL Aachen [PDF; abgerufen am 7. Mai 2016]).
- ↑ Luise Freiin von COELS VON DER BRÜGGHEN: Die Schöffen des Königlichen Stuhls von Aachen von der frühesten Zeit bis zur endgültigen Aufhebung der reichsstädtischen Verfassung 1798, S. 77. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 28. April 2012.
- ↑ Auszug aus rootsweb, abgerufen am 28. April 2012.
- ↑ Definition Beschüdderecht im Mittelalter ( des vom 20. Juli 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 28. April 2012.
- ↑ Findbuch: Urkunde der Kommende Aachen, Nr. 4 vom 10. Februar 1321 (1322?) ( des vom 20. Juli 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 23. April 2012.
- ↑ Findbuch Deutschordensballei Altenbiesen, Landesarchiv NRW ( des vom 20. Juli 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 21. April 2012.
- ↑ Website der kath. Pfarrgemeinde St. Gereon in Gereonsweiler, abgerufen am 1. Mai 2012.
- ↑ Manfred Sawallich: Die Kapelle der Kommende St. Gilles in Aachen. In: Ritter und Priester. Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Nordwesteuropa. Aldenbiesen 1992, S. 125.
- ↑ Eberhard Quadflieg: Das Deutsche Haus zu St. Gilles in Aachen. In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ZAGV), Band 78, Aachen 1966/1967, S. 165, 169.
- ↑ Hans Königs: Denkmalschutz und Wiederaufbau. In: Aachen zum Jahr 1951, Rheinischer Verein f. Denkmalpflege und Heimatschutz, Düsseldorf 1951, S. 100.
- ↑ Karl Faymonville: Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen. 2. Die Kirchen der Stadt mit Ausnahme des Münsters. Düsseldorf 1922, S. 296–299.
- ↑ Albert Huyskens: Das Deutschordenshaus um 1700 auf einem Kupferstich. ZAGV, Band 58, Aachen 1937, S. 121 ff.
- ↑ Albert Huyskens: Verschwundene Grabsteine und Kunstschätze aus Aachener Kirchen. ZAGV, Band 54, Aachen 1932, S. 77–79, 127 ff.
- ↑ Johann Peter Joseph Monheim: Die Heilquellen von Aachen, Burtscheid, Spaa, Malmedy und Heilstein: in ihren historischen, geognostischen, physischen, chemischen und medizinischen Beziehungen abgehandelt. J. A. Mayer, Aachen und Leipzig 1829, S. 47–49 (Digitalisat).
- ↑ Karl Faymonville: Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen. 2. Die Kirchen der Stadt mit Ausnahme des Münsters. Düsseldorf 1922, S. 297 ff.
- ↑ Christian Quix: Historisch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen. Köln und Aachen 1829, S. 94.
- ↑ Christoph Keller: Archäologische Forschungen in Aachen: Katalog der Fundstellen in der Innenstadt und in Burtscheid. Rheinische Ausgrabungen, Band 55, Mainz 2004, ISBN 3-8053-3407-9, S. 139.
- ↑ Roland Walter: Aachener Georouten: neun Wanderungen rund um den Aachener Kessel. Eupen 2011, ISBN 978-3-86712-058-6, S. 135.
- ↑ Béatrice Oesterreich & Stefan Lundershausen: Erkundungsbohrung „SuperC“ des Geologischen Dienstes NRW in Aachen. Zeitschr. f. angew. Geol., Band 2002–4, Hannover 2002, S. 40 f.
- ↑ a b Roland Walter: Aachener Georouten: neun Wanderungen rund um den Aachener Kessel. Eupen 2011, ISBN 978-3-86712-058-6, S. 134.
- ↑ Eberhard Quadflieg: Das Deutsche Haus zu St. Gilles in Aachen. ZAGV, Band 78, Aachen 1966/1967, S. 161.
- ↑ Landeskonservator Rheinland, unter Mitarbeit von Hans Königs: Denkmälerverzeichnis 1.1. Aachen-Innenstadt. Köln 1977, S. 16.
Koordinaten: 50° 46′ 43,76″ N, 6° 4′ 54,27″ O