Diskussion:Johann Heinrich zur Oeveste
Stellungnahme
BearbeitenFolgender Text entstammt einem Schreiben von Antonius Holtmann an den Benutzer Port(u*o)s (Link):
ich habe meine Briefedition im Jahre 1995/96 veröffentlicht.
Ich habe mich nur mit der Familiengeschichte seit Mitte des 18. Jahrhunderts beschäftigt als Vorgeschichte zur gründlich annotierten Briefedition.
Bei der Familie zur Oeveste handelt es sich nicht um eine irgendwie adelige Familie. Im Osnabrücker Land und im Oldenburger Münsterland gibt es z. B. die Namen auf der Heide, von der Heide, von dem Fange und vom Fange, von der Pütten, von Aschwege, von Minden, von Münster, von der Decken, auf dem Berge, etc., und so auch zur Oeveste.
Es handelte sich um eine Colonen-Familie, d. h. um Bauern, die (erstmals erwähnt im Abgabenverzeichnis um 1350) der Kommende Lage des Johanniterordens, wie ca, 70 andere Höfe auch, eigenbehörig waren (Andere waren Städten, adligen Familien, Domkapiteln etc. verpflichtet.) : Die Familie bewirtschaftete den Hof, der Eigentum der Kommende war, in Erbfolge . Der Kommende stand das Heimfallrecht zu, d. h. die Erbfolge musste immer wieder beantragt und erkauft werden. 1752 z. B. kostete der Sterbfall 75 Taler, und die Auffahrt des nächsten "Erben" 145 Taler. Man war in vielfältiger Form abgabenpflichtig und bei so manchen persönlichen Entscheidungen von der Zustimmung des Grundherrn abhängig. Seit 1834 konnte der Vater des Auswanderers sich freikaufen für den 25fachen Betrag der jährlichen geldwerten und Natural-Abgaben. Niedrig verzinste langfristige Kredite wurden von der Hannoverschen Landeskreditanstalt zur Verfügung gestellt. Der Colon zur Oeveste hat sich 1841 als letzte Ablöse-Zahlung 792 Taler von der Königlichen Haupt-Kloster-Casse quittieren lassen.
J. H. zur Oeveste hat in Cincinnati nicht eine Landwirtin aus White Creek geheiratet, sonden die Tochter eines Heuermanns (ländlicher, nicht der Zunft angehöriger Stellmacher) aus Hasbergen bei Osnabrück, die ein Jahr zuvor mit ihren Eltern in Cincinnati eingetroffen war. Er rechtfertigt sich brieflich vor seinen Eltern, eine Frau aus dem Stand der Landlosen, der Knechte und Mägde und der verheirateten Heuerleute (jährliche Miete eines einräumigen Bauernhäuschens gegen Arbeitsverpflichtungen und geringe Geldzahlungen) geheiratet zu haben. Im Osnabrücker Land hätte diese Heirat bis ins 20. Jahrhundert hinein sozialen Abstieg bedeutet. Erbberechtigt war nur der jüngste. bzw. älteste Sohn (bzw. Tochter, sofern kein männlicher Erbe verfügbar war): die dem Grundherrn gehörende Hofstelle durfte nicht geteilt werden. Wer von den nicht erbberechtigten Kindern nicht standesgemäß, d. h. im Colonenstand verbleibend einheiraten konnte, stieg in der Regel ab in die Schicht der Heuerleute etc., sofern man nicht als Onkel oder Tante unverheiratet, aber standesgemäß auf dem Hof des/der Erbberechtigten wohnen blieb. Abstiegsmobilität nennt man diesen gesellschaftlich provozierten Prozess der Verarmung der ländlichen Bevölkerung vor allem im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert im nordwestlichen Deutschland, der dann auch die Auswanderungsbereitschaft verstärkte (jährlich ca. 1% der Gesamtbevölkerung 1830-1865).
Der Auswanderer J. H. zur Oeveste war der älteste nicht erbberechtigte Sohn.
J. H. zur Oeveste war zwar Mitbegründer der Plattdeutschen Kirche in Cincinnati und der Kirchengemeinde am White Creek, aber keineswegs einer der Wortführer.
Die Briefe stellen nüchterne Berichte dar als Dokumente alltäglichen Siedlerlebens in einer ethnisch homogenen Kirchengemeinde. Enzyklopädische Relevanz könnten sie gewinnen durch Nutzung für einen Artikel, der sich generalisierend mit Siedlungsformen deutscher Auswanderer im 19. Jahrhundert in den USA beschäftigt.
In der vorliegenden Form halte ich den Artikel für sehr unzulänglich.
Mit freundlichen Grüßen
A. Holtmann
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