Quadratischer Zahlkörper

einfachster Typ von Zahlkörpern
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Ein quadratischer Zahlkörper ist eine algebraische Körpererweiterung der Form

mit einer Zahl , wobei eine quadratfreie ganze Zahl ist.[1] Dies sind genau die Erweiterungen vom Grad 2 über

Quadratische Zahlkörper sind, von selbst abgesehen, die einfachsten Zahlkörper.

Einleitung

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Die Theorie der quadratischen Zahlkörper entwickelte sich aus dem Studium der binären quadratischen Formen. Euler und Fermat hatten bei ihren Untersuchungen zu diophantischen Gleichungen viele fundamentale Einzelergebnisse zusammengetragen, die anschließend Raum für weitere Forschungen boten. In seinen Disquisitiones Arithmeticae knüpft Gauß im Abschnitt V an die Arbeiten von Fermat, Euler und Lagrange an und behandelt dort ausgiebig die Theorie der binären quadratischen Formen. Obwohl sich Gauß bei seiner Darstellung im Bereich der ganzen Zahlen bewegt, ist es aus heutiger Sicht eleganter, den Körper der rationalen Zahlen so quadratisch zu erweitern, dass eine Zerlegung der quadratischen Formen in Linearfaktoren vorgenommen werden kann. Eine solche Zerlegung sieht dann z. B. wie folgt aus:

 

Damit wird die Theorie der quadratischen Zahlkörper zu einem Bestandteil der Theorie der binären quadratischen Formen.

Der Körper   der rationalen Zahlen lässt sich auf verschiedene Arten zu einem umfassenden Körper   erweitern. So untersucht man etwa den Ring   der ganzalgebraischen Zahlen. Er enthält genau jene komplexen Zahlen, die Nullstelle eines normierten Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten sind. Es ist aber bei einer Erweiterung oft sinnvoll, nur so viele Zahlen hinzuzunehmen, wie für ein gegebenes Problem benötigt werden:

Seien   endlich viele algebraische Zahlen und sei   der kleinste Teilkörper des Körpers   der algebraischen Zahlen, der diese Zahlen alle enthält. Dann schreibt man

 

und sagt, der Körper   ist ein Erweiterungskörper von   der durch Adjunktion der Elemente   aus   entsteht. Das Paar   und   bezeichnet man als Körpererweiterung und schreibt dafür  

Insbesondere ist   eine abelsche Gruppe. Weil zudem die Multiplikation von Elementen aus   mit den Skalaren aus   über

 

erklärt ist, erhält man aus den Körperaxiomen für   unmittelbar die Vektorraumaxiome, sodass   als Vektorraum über   aufgefasst werden kann. Der Körper   besitzt über   endlichen Grad  , das heißt, dass   als  -Vektorraum endlichdimensional ist.

Wird   von einer algebraischen Zahl   erzeugt, dann hat   eine Basis   und folglich die Dimension

 

wobei   gleich dem Grad des Minimalpolynoms   ist, das   als Nullstelle hat. Es lässt sich zeigen, dass   den Grad 2 über   besitzt, wenn das Minimalpolynom von   quadratisch ist. Somit ist   ein quadratischer Zahlkörper.

Für einen Zahlkörper   bezeichnet

 

den Ganzheitsring von   bzw. den ganzen Abschluss von   in   Somit besteht   aus allen Elementen, die in   ganzalgebraisch sind; das heißt, es gilt:

 

Definition

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Ein quadratischer Zahlkörper ist eine quadratische Erweiterung der rationalen Zahlen. Quadratische Zahlkörper entstehen also aus   durch Adjunktion der Quadratwurzel  .

Sei im Folgenden   eine von 0 und 1 verschiedene quadratfreie ganze Zahl. Dann heißt die Menge

 

ein quadratischer Zahlkörper.

Ist  , so heißt   reellquadratischer Zahlkörper, sonst imaginärquadratischer Zahlkörper. Dabei ist   eine willkürliche, aber fest gewählte komplexe Lösung der Gleichung  . Die zweite Lösung dieser Gleichung führt zum gleichen Zahlkörper.

Eigenschaften

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Konjugationsabbildung

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Es gilt, dass jedes Element von   Nullstelle eines Polynoms   vom Grad   ist. Also ist jedes Element von   algebraisch. Man erhält somit einen Turm von Körpern:

 

Insbesondere ist   eine  -Basis von  , das heißt, es ist

 

Nun besitzt der Körper   genau zwei Körperautomorphismen, zum einen die identische Abbildung

 

und zum anderen die Konjugationsabbildung:

 

Insbesondere ist   eine Galoisgruppe der Ordnung 2. Für   heißt   das konjugierte Element zu  .

Norm und Spur

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Die beiden Größen Norm und Spur eines quadratischen Zahlkörpers   lassen sich wie folgt mittels seines nichttrivialen Körperautomorphismus   darstellen:

 

und

 

Da die Einbettung   einen Ringhomomorphismus bildet, wird die Norm multiplikativ und die Spur additiv. Durch Einsetzen erhält man:

 

Die Norm ist damit eine quadratische Form auf   Aufgrund der Tatsache, dass die ganzalgebraischen Zahlen einen Ring   bilden, ist   offensichtlich ebenfalls ein Ring. Dieser übernimmt eine analoge Rolle in   wie der Ring   in   und es gilt   Also ist   ein Unterring von   Damit sind alle Elemente der Form   stets ganzalgebraisch, und man erhält eine Inklusion von Ringen:

 

Dass hier nicht notwendigerweise Gleichheit gilt, zeigt das nachfolgende

Beispiel
Betrachten wir die dritte Einheitswurzel   Diese ist eine Nullstelle des normierten Polynoms   das übrigens nicht ihr Minimalpolynom ist, und somit eine ganzalgebraische Zahl. Also ist   den sogenannten Eisenstein-Zahlen, aber  

Es gibt eine sehr einfache Möglichkeit, die ganzalgebraischen Zahlen in einem quadratischen Zahlkörper zu identifizieren, denn eine Zahl   liegt genau dann in   wenn ihre Norm und Spur ganze Zahlen sind.

Da   abzählbar unendlich ist, ist auch   abzählbar unendlich, denn jedes   hat nur endlich viele Nullstellen. Daher ist auch die Menge der algebraischen Zahlen abzählbar unendlich.

Es bleibt noch die Frage nach der Form der ganzalgebraischen Elemente aus   Dabei hängen die vielfältigen Varianten der Elemente   und   von der Kongruenzklasse   modulo 4 ab. Als quadratfreie Zahl kann   modulo 4 von vornherein nur zu 1, 2 oder 3 kongruent sein. Es gilt nun:

Es sei   quadratfrei und   der zugehörige quadratische Zahlkörper, dann gilt:
 
Beispiel
Die dritte Einheitswurzel   liegt wegen   in   und ist von der Form   Hingegen besitzen die ganzen Gaußschen Zahlen in   wegen der Kongruenz   die Form  

Einheiten

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Ein erster wesentlicher Unterschied zwischen reell- und imaginärquadratischen Zahlkörpern besteht hinsichtlich ihrer Einheiten. So ist z. B. die Einheitengruppe   des Ringes   die zyklische Gruppe der Ordnung   Die Beschreibung der Einheitengruppe   des Ganzheitsrings   hängt jedoch davon ab, ob   reell- oder imaginärquadratisch ist. So ist die Einheitengruppe für imaginärquadratische Zahlkörper endlich und wir können sie folgendermaßen beschreiben:

Sei   und   der zugehörige (imaginär-)quadratische Zahlkörper. Für seine Einheitengruppe   gilt:
 

Im Falle eines reellquadratischen Zahlkörpers ist die Beschreibung der Einheitengruppe aufwändiger. Es zeigt sich, dass jeder reellquadratische Zahlkörper unendlich viele Einheiten besitzt. Dabei läuft die Bestimmung der Einheitengruppe auf die Lösung der Pellschen Gleichung   hinaus. Man kann nun mittels des Dirichletschen Schubfachprinzips zeigen, dass diese Gleichung unendlich viele Einheiten (Lösungen) liefert. Da das Schubfachprinzip nicht konstruktiv ist, verwendet man zur Ermittlung der Einheiten die Kettenbruchentwicklung von  

Konstruktion quadratischer Zahlkörper

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Ein klassisches Beispiel der Konstruktion eines quadratischen Zahlkörpers ist es, den eindeutig bestimmten quadratischen Zwischenkörper eines von einer primitiven  -ten Einheitswurzel gebildeten Kreisteilungskörpers zu nehmen,   eine ungerade Primzahl. Die Eindeutigkeit folgt daraus, dass die Galoisgruppe von   isomorph zu   und damit zyklisch ist. Durch Betrachten der Verzweigung erkennt man, dass der quadratische Zwischenkörper gleich   mit   ist; die Diskriminante von   ist nämlich eine  -Potenz, und daher muss dies auch für die Diskriminante des quadratischen Zwischenkörpers gelten. Nach obiger Aussage muss daher   sein, da sonst auch   verzweigt ist. Dasselbe gilt auch für beliebige Potenzen einer ungeraden Primzahl.

Der Körper   besitzt dagegen genau die drei Körper  ,   und   als quadratische Zwischenkörper; dies liegt daran, dass die Galoisgruppe der Erweiterung   nicht mehr zyklisch ist (siehe prime Restklassengruppe).

Für den Spezialfall   erhält man den Ganzheitsring der Gaußschen Zahlen, für   den Ganzheitsring der Eisenstein-Zahlen. Diese beiden Ganzheitsringe sind die einzigen Ganzheitsringe quadratischer Zahlkörper, die zugleich Kreisteilungskörper sind.

Nichteindeutigkeit der Primfaktorzerlegung

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Im Jahre 1843 machte Peter Dirichlet Ernst Eduard Kummer auf die Nichteindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in gewissen Zahlenringen aufmerksam. Kummer hatte bei seinem vermeintlichen Beweis zur Fermatschen-Vermutung, welcher die algebraischen Zahlen einbezog, den Fundamentalsatz der Zahlentheorie auch für alle algebraischen Zahlen als erwiesen angesehen, sodass diese ebenfalls eine eindeutige Zerlegung wie die gewöhnlichen ganzen Zahlen besitzen. Dass dieser aber schon im Ring   nicht mehr gegeben ist, kann leicht für die Zahl 21 gezeigt werden.

So ist einerseits   und andererseits  . Dass die Zahlen   in   alle irreduzibel und nicht zueinander assoziiert sind, sieht man mit Hilfe der Norm folgendermaßen ein. Angenommen die Zahl 3 wäre zerlegbar. Etwa mit  , wobei   keine Einheiten seien. Dann ist   und folglich müssen   sein. Nun sind   von der Form   mit   und damit folgt, dass die Norm   ist. Nun ist die Gleichung   aber offensichtlich unlösbar in den ganzen Zahlen, was im Widerspruch zu unserer Annahme steht. Also ist die Zahl   in   irreduzibel und man beweist analog, dass es auch die Zahlen   sind. Dass die Zahlen   und   nicht zueinander assoziiert sind, ist klar. Genauso können   und   als Konjugierte nicht zueinander assoziiert sein. Angenommen, die Zahlen   und   seien zu   assoziiert, dann wären die Brüche  . Da aber sowohl die Spur von   als auch von   nicht ganzzahlig sind, können die Elemente   somit nicht in   liegen. Also sind die Zahlen nicht zueinander assoziiert. Folglich liegen für die Zahl   zwei verschiedene Primfaktorzerlegungen in   vor.

Wir sehen also, dass der Fundamentalsatz der Zahlentheorie und damit die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung im Allgemeinen nicht mehr vorausgesetzt werden kann.

Probleme dieser Art sind heute mit der Kummerschen Idealtheorie in den Griff zu bekommen. Geleitet von den komplexen Zahlen bestand Kummers Absicht darin, einen erweiterten Bereich neuer idealer Zahlen zu schaffen, sodass diese sich eindeutig in das Produkt idealer Primzahlen zerlegen lassen. Die von Kummer entwickelte Theorie der idealen Zahlen wurde durch den deutschen Mathematiker Richard Dedekind systematisiert und man bezeichnet heute die idealen Zahlen einfach als die Dedekindschen Ideale des Ringes  . Das Fundamentaltheorem der Dedekindschen Idealtheorie liefert nun die Verallgemeinerung des Satzes der eindeutigen Primfaktorzerlegung und zeigt einen Weg auf, mit der Mehrdeutigkeit der Primfaktorzerlegung umzugehen und eine Analogie zum Fundamentalsatz der Zahlentheorie wiederherzustellen. (Siehe dazu etwa Dedekindring).

Primidealzerlegung

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Dass die Primidealzerlegung eines Hauptideals  , für eine Primzahl  , nicht willkürlich sein kann, folgt schon aus der Norm  . Das heißt,   ist entweder ein Primideal oder zerfällt in das Produkt zweier (nicht notwendigerweise verschiedener) Primideale der Norm  . Eine Primzahl   heißt in  

  • träge, wenn   ein Primideal ist,
  • zerlegt, wenn   mit Primidealen  ,
  • verzweigt, wenn   für ein Primideal  .

Der dritte Fall tritt genau für die (endlich vielen) Primteiler der Diskriminante auf. Die anderen beiden Fälle treten in einem gewissen Sinne »gleichhäufig« auf; dies folgt aus dem Chebotarevschen Dichtigkeitssatz.

Man findet nun ohne großen Aufwand, dass für   die Diskriminante eines quadratischen Zahlkörpers:

 

Man beachte, dass stets   gilt.

Mit Hilfe der Diskriminante und des Legendre-Symbols lässt sich eine übersichtliche Beschreibung des Verhaltens von ungeraden Primzahlen in einem quadratischen Zahlkörper geben:

Satz (Zerlegungsgesetz): Für eine ungerade Primzahl   in   gilt:
  • Ist  , dann ist   und   ist verzweigt.
  • Ist  , dann ist   zerlegt.
  • Ist  , dann ist   träge.

Beweis: Siehe: Zerlegungsgesetz

Bemerkung: Die Primzahl   wurde ausgeschlossen. Es gilt aber, dass   in   träge ist, wenn  . Sie ist zerlegt, wenn  , und sie ist verzweigt, falls  .

Die Aussage für die Trägheit gilt auch für die Zerlegung in Primelemente; im Allgemeinen lassen sich solche Aussagen aber genau dann auf Primelemente fortsetzten, wenn   Hauptidealring ist, also eindeutige Zerlegung in Primelemente besitzt, oder äquivalenterweise Klassenzahl   hat.

Beispiel

Betrachtet man beispielsweise  , so erhält man durch mehrfache Anwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, dass die Primzahl   in   träge ist. Denn

 .

Literatur

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Wikibooks: Beweis zum Zerlegungsgesetz – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

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  1. Otto Forster: Algebraische Zahlentheorie. Abgerufen am 27. August 2023.