Als Kirchturmpolitik bezeichnet man in der Politikwissenschaft politische Entscheidungen, die vor allem eine eng umgrenzte Zielgruppe oder eine bestimmte Region bevorzugen. In der Regel setzt sich der betreffende Politiker dabei, oft auch in engstirniger Weise, für die Interessen seines eigenen Wahlkreises oder seiner engeren Heimat ein. Ebenso gilt dies für die Exekutive, wo die Verwaltung ausschließlich die Interessen der eigenen Kommune berücksichtigt ohne die Umstände von Nachbargemeinden in Entscheidungen einzubeziehen.
Die Bezeichnung umschreibt so bildhaft das Eintreten für die eigene Gemeinde (eben den „Kirchturm“) und Auswirkungen, die nur so weit bedacht werden, wie man den eigenen Kirchturm sieht. Alle weitergehenden Auswirkungen im größeren Maßstab treten dabei in den Hintergrund.
Kurt Tucholsky definiert Kirchturmpolitik so: "Die Überschätzung des eigenen Dorfes, die Ignorierung aller anderen Kirchtürme, die vereinsmeierliche Einstellung des Blickes auf das eigene Rathaus – kurz, der Partikularismus".[1]
In der Politikwissenschaft wird dem Mehrheitswahlrecht die Gefahr zuerkannt, dass die Abgeordneten Kirchturmpolitik betreiben könnten, da ihre Wiederwahl ausschließlich von der Zustimmung im eigenen Wahlkreis abhängt, während das Verhältniswahlrecht die Unterstützung in überregionalen Mehrheiten erfordert.
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Kurt Tucholsky: Tante Malchens Heimatland Abgerufen am 17. November 2023.
Literatur (Auswahl)
Bearbeiten- Ursula Hermann (Red.): Knaurs großes Wörterbuch der deutschen Sprache. Der große Störig. Droemer Knaur, München 1985, ISBN 3-426-26258-4.
- Oliver Klöck: Rechtsschutz für Kirchturmpolitik?, NWVBl. 2000, 45–51.