Ein Kurzwort ist die kürzere Version eines Wortes, eines Wortgruppenlexems oder eines Syntagmas, die nicht nur geschrieben wird, sondern auch verkürzt gesprochen. Beispiele sind Lkw, UNO, EU oder Auto. Nicht zu den Kurzwörtern zählen Abkürzungen oder auch Schreibabkürzungen wie m für Meter, l für Liter. „Sie werden nur verkürzt geschrieben, aber in vollem Wortlaut gesprochen, sie besitzen keinen Wortstatus“[1][2] oder Siglen wie das kaufmännische Und-Zeichen oder das Paragrafzeichen.
Typen von Kurzwörtern
BearbeitenKurzwörter lassen sich nach verschiedenen Kriterien unterscheiden:
- danach, welcher Teil des ursprünglichen Wortes erhalten bleibt:
- Kopfwort: Lok für Lokomotive; Auto für Automobil; Kilo für Kilogramm. Sehr oft besteht das Kurzwort wie in diesen Fällen aus den ersten ein oder zwei Silben des Ursprungswortes.
- Endwort / Schwanzwort: Bus für Omnibus
- Klammerwort / Klammerform / Klappwort: Kirschblüte für Kirschbaumblüte; Pappenstiel möglicherweise für Pappenblumenstiel[3] (Pappenblume ist niederdeutsch für Löwenzahn).
- Rumpfwort: Lisa statt Elisabeth (Name)
- danach, ob nur Anfangsbuchstaben oder -silben zur Kürzung verwendet werden:
- danach, ob nur ein Teil des Ausgangswortes gekürzt wurde:
- partielles Kurzwort: Pauschbetrag, S-Bahn, U-Boot, ABC-Waffen, D-Zug, G-Punkt, TV-Star, U-Bahn, U-Haft, Ü-Ei, V-Mann. (Diese Beispiele sind von formikonischen Wörtern zu unterscheiden.)
Man kann sie auch in unisegmentale Kurzwörter (Kopfwörter, Endwörter, Rumpfwörter) und multisegmentale Kurzwörter (Akronyme, Silbenwörter, Mischwörter, Klammerwörter) zusammenfassen.
Die Fachliteratur unterscheidet diese Typen noch weiter (vgl. Kobler-Trill 1994). Eine dynamische, am Sprachgebrauch orientierte Prototypologie, die ein Kontinuumsverhältnis von prototypischen und unprototypischen Belegen für spezifische Wirklichkeitsausschnitte postuliert, schlägt Michel (2006, 2014) vor.
Funktion
BearbeitenKurzwörter dienen dem menschlichen Streben nach Ökonomie, das heißt der Verminderung des Sprech- oder Schreibaufwandes. Sie haben aber auch noch weitere Funktionen: Sie dienen als Signal für soziale Dazugehörigkeit derer, die sich der Kurzwörter bedienen; sie erlauben zum Teil Wortbildungen (Ableitungen), die mit den längeren Gesamtwörtern nicht möglich sind wie etwa CDUler. Durch Wechsel zwischen den längeren Ausgangswörtern (Vollwörtern, Vollformen) und den Kurzwörtern ermöglichen sie Ausdrucksvariationen im Text. Bisweilen werden Kurzwörter auch als Euphemismen verwendet, so etwa SB für Selbstbefriedigung.
Literatur
Bearbeiten- Vincent Balnat: Kurzwortbildung im Gegenwartsdeutschen (= Germanistische Linguistik – Monographien. Band 26). Olms, Hildesheim/Zürich/New York 2011, ISBN 978-3-487-14550-1 (X/345 S. mit einigen Abb. und einer CD-ROM).
- Vincent Balnat & Barbara Kaltz: Zu einigen theoretischen Problemen der Kurzwortbildung. In: Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft. 16.1/2, 2006, S. 195–218.
- Karl-Heinz Best: Kürzungstendenzen im Deutschen aus der Sicht der Quantitativen Linguistik. In: Jochen A. Bär, Thorsten Roelcke, Anja Steinhauer (Hrsg.): Sprachliche Kürze. Konzeptuelle, strukturelle und pragmatische Aspekte (= Linguistik – Impulse & Tendenzen. Band 27). de Gruyter, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-11-017542-4, S. 45–62 (Der Beitrag modelliert unter anderem die Entwicklung der Verwendung von Kurzwörtern in der deutschen Presse im 20. Jahrhundert als einen Prozess, der nach dem Piotrowski-Gesetz verläuft).
- Walter Henzen: Deutsche Wortbildung (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. B. Ergänzungsreihe. Band 5). 3. Auflage. Niemeyer, Tübingen 1965, S. 260–268.
- Dorothea Kobler-Trill: Das Kurzwort im Deutschen. Eine Untersuchung zu Definition, Typologie und Entwicklung (= Germanistische Linguistik. Band 149). Niemeyer, Tübingen 1994, ISBN 3-484-31149-5 (zugleich: Passau, Univ., Diss., 1992/93).
- Sascha Michel: Kurzwortgebrauch. Plädoyer für eine pragmatische Definition und Prototypologie von Kurzwörtern. In: Germanistische Mitteilungen. 64, 2006, ISSN 0771-3703, S. 69–83.
- Sascha Michel: Fachsprachlicher Kurzwortgebrauch. Zur Kurzwortentwicklung in der Institution ‚Bundeswehr‘. In: BeateHenn-Memmesheimer, Joachim Franz (Hrsg.): Die Ordnung des Standard und die Differenzierung der Diskurse (= Linguistik International. Band 24). Lang, Frankfurt/Main u. a 2009, S. 831–842.
- Sascha Michel: Das Kurzwort zwischen ‚Langue‘ und ‚Parole‘ – Analysen zum Postulat der Synonymie zwischen Kurzwort und Vollform. In: Hilke Elsen, Sascha Michel, Heiko Girnth (Hrsg.): Wortbildung im Deutschen zwischen Sprachsystem und Sprachgebrauch. Perspektiven – Analysen – Anwendungen (= Perspektiven germanistischer Linguistik. Band 5). Ibidem-Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-8382-0134-4, S. 135–163, urn:nbn:de:101:1-2017120717340.
- Sascha Michel: Zur Motivation von Kurzwörtern. Eine kommunikativ-semiotische Untersuchung der Schnittstelle zwischen Graphie, Phonologie und Morpho-semantik. In: Sascha Michel, Jozséf Tóth (Hrsg.): Wortbildungssemantik zwischen Langue und Parole. Semantische Produktions- und Verarbeitungsprozesse komplexer Wörter (= Perspektiven germanistischer Linguistik. Band 10). Ibidem-Verlag, Stuttgart 2014, S. 59–91.
- Anja Steinhauer: Sprachökonomie durch Kurzwörter. Bildung und Verwendung in der Fachkommunikation (= Forum für Fachsprachen-Forschung. Band 56). Narr, Tübingen 2000, ISBN 3-8233-5361-6 (zugleich: Frankfurt am Main, Univ., Diss., 1999).
Siehe auch
Bearbeiten- Kofferwort – Die Verschmelzung zweier Begriffe zu einem neuen mit eigener Bedeutung, beispielsweise smoke und fog zu Smog.
- Kontraktion – Die sprachliche Zusammenziehung zweier Laute.
- Rückbildung – Die Wortbildung durch Verkürzung der Endung.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4. Auflage. de Gruyter, Berlin/Boston 2012, ISBN 978-3-11-025663-5.
- ↑ Hilke Elsen: Grundzüge der Morphologie des Deutschen. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin/Boston 2014, ISBN 978-3-11-035893-3.
- ↑ Pappenstiel in Duden online