Homotopie

eine stetige Deformation zwischen zwei Abbildungen von einem topologischen Raum in einen anderen
(Weitergeleitet von Nullhomotop)

In der Topologie ist eine Homotopie (von griechisch ὁμός homos ‚gleich‘ und τόπος tópos ‚Ort‘, ‚Platz‘) eine stetige Deformation zwischen zwei Abbildungen von einem topologischen Raum in einen anderen, beispielsweise die Deformation einer Kurve in eine andere Kurve. Eine Anwendung von Homotopie ist die Definition der Homotopiegruppen, welche wichtige Invarianten in der algebraischen Topologie sind.

Eine Homotopie, die eine Kaffeetasse in einen Donut (einen Volltorus) überführt.

Der Begriff „Homotopie“ bezeichnet sowohl die Eigenschaft zweier Abbildungen, zueinander homotop (präferiert) zu sein, als auch die Abbildung („stetige Deformation“), die diese Eigenschaft vermittelt.

Definition

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Eine Homotopie zwischen zwei stetigen Abbildungen   ist eine stetige Abbildung

 

mit der Eigenschaft für alle   gilt

  und  

wobei   das Einheitsintervall ist.

Der erste Parameter entspricht also dem der ursprünglichen Abbildungen und der zweite gibt den Grad der Deformation an. Eine Homotopie definiert eine ein-parametrige Familie   mit  , so dass   und  . Besonders anschaulich wird die Definition, wenn man sich den zweiten Parameter als „Zeit“ vorstellt (vgl. Bild).

Äquivalent kann man eine Homotopie definieren als einen (stetigen) Weg von   nach   im Raum der stetigen Funktionen   mit der kompakt-offenen Topologie.

Man sagt,   sei homotop zu   und schreibt  . Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der stetigen Abbildungen  , die zugehörigen Äquivalenzklassen heißen Homotopieklassen, die Menge dieser Äquivalenzklassen wird häufig mit   bezeichnet.

Eine stetige Abbildung   heißt nullhomotop, wenn sie homotop zu einer konstanten Abbildung ist.

Eigenschaften

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  • Homotopierelationen bleiben unter Kompositionen erhalten, das heißt wenn   und   stetige Funktionen sind und
   
gilt, dann gilt auch
 [1]

Beispiel

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Homotopie eines Kreises in R² auf einen Punkt

Sei   der Einheitskreis in der Ebene und   die ganze Ebene. Die Abbildung   sei die Einbettung von   in  , und   sei die Abbildung, die ganz   auf den Ursprung abbildet, also

 ,   und  ,  .

Dann sind   und   zueinander homotop. Denn

  mit  

ist stetig und erfüllt   und  .

Relative Homotopie

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Ist   eine Teilmenge von  , und stimmen zwei stetige Abbildungen   auf   überein, so heißen   und   homotop relativ zu  , wenn es eine Homotopie   gibt, für die   für jedes   unabhängig von   ist.

 
Homotopie zweier Kurven
 
Die beiden hier gezeigten gestrichelten Wege sind relativ zu ihren Endpunkten homotop. Die Animation repräsentiert eine mögliche Homotopie.

Ein wichtiger Spezialfall ist die Homotopie von Wegen relativ der Endpunkte: Ein Weg ist eine stetige Abbildung  ; dabei ist   das Einheitsintervall. Zwei Wege heißen homotop relativ der Endpunkte, wenn sie homotop relativ   sind, d. h. wenn die Homotopie die Anfangs- und Endpunkte festhält. (Sonst wären Wege in der gleichen Wegzusammenhangskomponente immer homotop.) Sind also   und   zwei Wege in   mit   und  , so ist eine Homotopie relativ der Endpunkte zwischen ihnen eine stetige Abbildung

 

mit  ,  ,   und  .

Ein Weg heißt nullhomotop genau dann, wenn er homotop zum konstanten Weg   ist.

Der andere häufig auftretende Fall ist die Homotopie von Abbildungen zwischen punktierten Räumen. Sind   und   punktierte Räume, so sind zwei stetige Abbildungen   homotop als Abbildungen von punktierten Räumen, wenn sie relativ   homotop sind.

Beispiel: Die Fundamentalgruppe

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Die Menge der Homotopieklassen von Abbildungen punktierter Räume von   nach   ist die Fundamentalgruppe von   zum Basispunkt  .

Ist zum Beispiel   ein Kreis mit einem beliebigen ausgewählten Punkt  , dann ist der Weg, der durch einmaliges Umrunden des Kreises beschrieben wird, nicht homotop zum Weg, den man durch Stillstehen am Ausgangspunkt   erhält.

Homotopieäquivalenz

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Seien   und   zwei topologische Räume und sind   und   stetige Abbildungen. Dann sind die Verknüpfungen   und   jeweils stetige Abbildungen von   bzw.   auf sich selbst, und man kann versuchen, diese zur Identität auf X bzw. Y zu homotopieren.

Falls es solche   und   gibt, dass   homotop zu   und   homotop zu   ist, so nennt man   und   homotopieäquivalent oder vom gleichen Homotopietyp. Die Abbildungen   und   heißen dann Homotopieäquivalenzen.

Homotopieäquivalente Räume haben die meisten topologischen Eigenschaften gemeinsam. Falls   und   homotopieäquivalent sind, so gilt

Isotopie

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Definition

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Wenn zwei gegebene homotope Abbildungen   und   zu einer bestimmten Regularitätsklasse gehören oder andere zusätzliche Eigenschaften besitzen, kann man sich fragen, ob die beiden innerhalb dieser Klasse durch einen Weg miteinander verbunden werden können. Dies führt zum Konzept der Isotopie. Eine Isotopie ist eine Homotopie

 

wie oben, wobei alle Zwischenabbildungen   (für festes t) ebenfalls die geforderten Zusatzeigenschaften besitzen sollen. Die zugehörigen Äquivalenzklassen heißen Isotopieklassen.

Beispiele

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Zwei Homöomorphismen sind also isotop, wenn eine Homotopie existiert, so dass alle   Homöomorphismen sind. Zwei Diffeomorphismen sind isotop, wenn alle   selbst Diffeomorphismen sind. (Man bezeichnet sie dann auch als diffeotop.) Zwei Einbettungen sind isotop, wenn alle   Einbettungen sind.

Unterschied zur Homotopie

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Zu verlangen, dass zwei Abbildungen isotop sind, kann tatsächlich eine stärkere Anforderung sein, als zu verlangen, dass sie homotop sind. Zum Beispiel ist der Homöomorphismus der Einheitskreisscheibe in  , der durch   definiert ist, dasselbe wie eine 180-Grad-Drehung um den Nullpunkt, darum sind die Identitätsabbildung und   isotop, denn sie können durch Drehungen miteinander verbunden werden. Im Gegensatz dazu ist die Abbildung auf dem Intervall   in  , definiert durch   nicht isotop zur Identität. Das liegt daran, dass jede Homotopie der beiden Abbildungen zu einem bestimmten Zeitpunkt die beiden Endpunkte miteinander vertauschen muss; zu diesem Zeitpunkt werden sie auf denselben Punkt abgebildet und die entsprechende Abbildung ist kein Homöomorphismus. Hingegen ist   homotop zur Identität, zum Beispiel durch die Homotopie  , gegeben durch  .

Anwendungen

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In der Geometrischen Topologie werden Isotopien benutzt, um Äquivalenzrelationen herzustellen.

Zum Beispiel in der Knotentheorie – wann sind zwei Knoten   und   als gleich zu betrachten? Die intuitive Idee, den einen Knoten in den anderen zu deformieren, führt dazu, dass man einen Weg von Homöomorphismen verlangt: Eine Isotopie, die mit der Identität des dreidimensionalen Raumes beginnt und bei einem Homöomorphismus h endet, so dass h den Knoten   in den Knoten   überführt. Eine solche Isotopie des umgebenden Raumes wird ambiente Isotopie[2] oder Umgebungsisotopie genannt.

Eine andere wichtige Anwendung ist die Definition der Abbildungsklassengruppe Mod(M) einer Mannigfaltigkeit M. Man betrachtet Diffeomorphismen von M „bis auf Isotopie“, das heißt, dass Mod(M) die (diskrete) Gruppe der Diffeomorphismen von M ist, modulo der Gruppe der Diffeomorphismen, die isotop zur Identität sind.

Homotopie kann in der numerischen Mathematik für eine robuste Initialisierung zur Lösung von differential-algebraischen Gleichungen eingesetzt werden (siehe Homotopieverfahren).

Kettenhomotopie

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Zwei Kettenhomomorphismen

 

zwischen Kettenkomplexen   und   heißen kettenhomotop, wenn es einen Homomorphismus

 

mit

 

gibt.

Wenn   homotope Abbildungen zwischen topologischen Räumen sind, dann sind die induzierten Abbildungen der singulären Kettenkomplexe

 

kettenhomotop.

Punktierte Homotopie

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Zwei punktierte Abbildungen

 

heißen homotop, wenn es eine stetige Abbildung   mit

  und   für alle  
  für alle  

gibt. Die Menge der Homotopieklassen punktierter Abbildungen wird mit   bezeichnet.

Literatur

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  • Brayton Gray: Homotopy theory. An introduction to algebraic topology (= Pure and Applied Mathematics. Nr. 64). Academic Press, New York u. a. 1975, ISBN 0-12-296050-5.
  • Allen Hatcher: Algebraic Topology. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-79540-0 (cornell.edu).
  • John McCleary (Hrsg.): Higher Homotopy Structures in Topology and Mathematical Physics. Proceedings of an international Conference, June 13 – 15, 1996 at Vassar College, Poughkeepsie, New York, to Honor the sixtieth Birthday of Jim Stasheff (= Contemporary Mathematics. Band 227). American Mathematical Society, Providence RI 1999, ISBN 0-8218-0913-X.
  • George W. Whitehead: Elements of Homotopy Theory. Corrected 3rd Printing (= Graduate Texts in Mathematics. Band 61). Springer, New York u. a. 1995, ISBN 0-387-90336-4.
  • M. Sielemann, F. Casella, M. Otter, C. Claus, J. Eborn, S. E. Mattsson, H. Olsson: Robust Initialization of Differential-Algebraic Equations Using Homotopy. International Modelica Conference, Dresden 2011, ISBN 978-91-7393-096-3.

Einzelnachweise

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  1. John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds. Hrsg.: Springer. 2. Auflage. S. 74–75.
  2. Tammo tom Dieck: Topologie. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-11-016236-9, S. 277.