Pannónia (Motorrad)
Pannónia ist eine ungarische Motorradmarke von Csepel in Budapest. Von 1954 bis 1975 wurden mehr als 600.000 Pannónia-Motorräder mit 250‑cm³-Zweitaktmotor produziert. Kleinere Motorräder von Csepel wurden unter der Marke Danuvia vertrieben.
Modellgeschichte
BearbeitenDer Betrieb geht auf den Motorradbau von Manfred Weiss auf Csepel zurück. Das erste Pannónia-Modell hieß TL 250 und wurde von 1954 bis 1955 gebaut. Zwischen 1950 und 1959 wurden 100.000 250er produziert, die Hälfte davon wurde exportiert[1], unter anderem nach Brasilien und Indonesien, aber nur in sehr kleinen Stückzahlen. Der größte Abnehmer in den 1950er Jahren war die DDR; allein bis 1960 wurden mehr als 20.000 Stück importiert. Im selben Zeitraum gelangten etwa 12.000 Maschinen nach Polen und 6.000 Stück in die Sowjetunion und nach Jugoslawien.[2] In der DDR wurde die Pannónia teilweise auf BVF-Vergaser umgerüstet, die neben besseren Fahrleistungen eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs mit sich brachten.[3] Von der DDR-Fachpresse wurde wiederholt die fehlende Zusammenarbeit im sozialistischen Lager kritisiert, die unnötigerweise zur Produktion der im Vergleich zu MZ rückständigen Pannónia-Motorräder geführt habe.[4]
1964 wurde von der KFT eine auf verschiedenen Messen bereits 1963 gezeigte leistungsgesteigerte Pannónia 250 LTL Luxus getestet, für die 16 PS bei 5250/min angegeben wurden. Diese Maschine erhielt ein schlechtes Urteil. Obwohl der Motor mit Kraftstoff-Öl-Gemisch 20 : 1 betrieben wurde und einen sehr hohen Kraftstoffverbrauch von 6,5 bis 6,9 l/100 km hatte, war er nicht vollgasfest und neigte zu Kolbenklemmern. Als eine der Ursachen galt die Doppelport-Auspuffanlage. Gleichzeitig hieß es, bereits die Standard-Pannónia mit damals 14 PS habe eine gewisse Neigung zu Kolbenklemmern gezeigt. Weiterhin wurden ungünstige Leistungs- und Drehmomentkurven bemängelt, erst ab 4000/min entwickelte die Maschine ausreichende Fahrleistungen. Lob galt lediglich dem ansprechenden Äußeren des Motorrads.[5] Obwohl die Maschine wiederholt auf internationalen Messen ausgestellt war, wurde sie offenbar nicht in Serie produziert.
Im Mai 1965 wurde in Budapest der neue Typ P 10 mit 250-cm³-Einzylindermotor vorgestellt, der 7,5 : 1 verdichtet 16 PS bei 5250/min mit einem 27-mm-EFG-Vergaser leistete.[6] Er hatte im Unterschied zum Vorgängertyp LTL einen Breitwandzylinder und einen neuen 16,5 Liter[7] fassenden Tank.[8] Die Modelle T 5 und P 10 hatten 19-Zoll-Räder, ihre Höchstgeschwindigkeit wurde mit 115 km/h angegeben[9]. Auch über die Erprobung des 250-cm³-Zweizylinder-Modells P 20 wurde bereits berichtet, es ging jedoch erst Jahre später in Produktion.[10]
Weitere Modelle (in Großserie) in zeitlicher Reihenfolge :
- TLF(T1)-TLB(T3)-TLD(T2): 1958–1961
- T 5: 1964–1975
- T 6: 16 PS (mit Ansauggeräuschdämpfer, für den Binnenmarkt)
- T 7: 17 PS (mit Ansauggeräuschdämpfer, Export in das westliche Europa)
- T 8: 1964-1968, 18 PS bei 5250/min (sportliche Variante ohne Ansauggeräuschdämpfer)
- T 9: 1965-1967, 22 PS bei 5500/min, 125 km/h
- P 10: 1966–1974, 1 Zylinder
- P 20: 1968–1974, 2 Zylinder
- P 12: 1974–1975, 1 Zylinder, 16,5 PS bei 5000/min, 18-Zoll-Räder[11]
- P 21: 1974–1975, 22 PS bei 6500/min (neu: Wälzlager, Telegabel mit Gummifaltenbalg, hinten offen liegende Federn, neuer Scheinwerfer)[12]
Von der P 20 wurden nur 7500 Stück, von der P 21 nur 5000 verkauft.[13]
1975 wurde die Fertigung der Pannónia-Motorräder entsprechend des Fünfjahresplans für den Zeitraum ab 1976 eingestellt.[14] Die Fertigungsanlagen wurden genutzt, um den Anteil der Fahrradproduktion bei Csepel zu vergrößern.[15]
Typenbezeichnungen
BearbeitenDas T steht für Teleskopgabel am Vorderrad, das L für Langschwinge. Der Buchstabe F zeigt Magnetzündung an. Ab 1961 wurde nur noch eine Lichtmaschine mit Batteriezündung eingesetzt, dafür steht der Buchstabe D. Die TLB war mit Magnet- oder Batteriezündung erhältlich, was zu den Bezeichnungen TLB-M (T3) und TLB-D (T4) führte. Darauf folgte 1964 die T5, ab 1968 entstand das leisere Modell T5 H.[16]
Technische Daten
BearbeitenModell TL 250:
- Arbeitsprinzip des Motors: Zweitakt
- Anzahl der Zylinder: 1
- Bohrung × Hub: 68 mm × 68 mm
- Leistung: 10 PS (7,4 kW)
- Höchstgeschwindigkeit: 105 km/h
- Benzinverbrauch: 4,5 l/100 km, Zweitaktgemisch 1 : 20 (Freigabe für 1:25 erfolgte 1962 rückwirkend.[17])
- Zündung: Magnet
- Vergaser: Jikov, einfach, Durchmesser 25 mm
- Primärtrieb: Stirnrad
- Getriebe: 4-Gang
- Sekundärtrieb: Kette
- Radaufhängung vorne: Teleskopgabel ohne Dämpfung
- Radaufhängung hinten: Schwingarm, hydraulische Stoßdämpfer
- Häufigste Lackierung: bordeauxrot
Das zweite Modell hieß TLT. Es wurde von 1956 bis 1957 gebaut. Folgende technische Änderungen gab es gegenüber dem Vorgängermodell:
- Leistung: 11 PS (8,1 kW)
- Vergaser:
- Pannónia, einfach, Durchmesser 25 mm
- Fischer Amal für die Exportmodelle
- Primärtrieb:
- Stirnrad (bei den ersten Versionen)
- Kette (bei allen späteren Versionen)
- Häufigste Lackierung :
- 1956: apfelgrün
- 1957: auch einige schwarze Exemplare bekannt
Modell P 20[18]:
- Arbeitsprinzip des Motors: schlitzgesteuerter Zweitaktmotor
- Anzahl der Zylinder: 2
- Bohrung × Hub: 56 mm × 50 mm
- Leistung: 23 PS bei 7500/min
- Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h
- Kraftstoffverbrauch: 4,2 l/100 km, Zweitaktgemisch 1 : 25
- Zündung: Batteriezündung
- Vergaser: zwei 20-mm-EFG
- Primärtrieb: Zahnräder 1:3,25
- Getriebe: 5-Gang
- Sekundärtrieb: gekapselte Kette
- Radaufhängung vorne: ölgedämpfte Teleskopgabel
- Radaufhängung hinten: Schwinge mit ölgedämpften Federbeinen
- Eigenmasse: 142 kg
- Bereifung: vorn 3.00-18, hinten 3.25-18
- Bremsen: Leichtmetall-Vollnabenbremsen 160 mm × 30 mm
Nostalgie
BearbeitenIm Jahre 2010 wurde von der Firma Magyar Motorkerékpár (Ungarisches Motorrad) ein Modell mit der Bezeichnung Pannonia Bol d'Or entworfen, das vorerst nur limitiert hergestellt werden sollte.[19] „2012 erschien ein weiterer bildschöner Motorradklassiker, die Pannonia Bol D'Or 400“.[20]
Literatur
Bearbeiten- Moderne Konstruktionstendenzen im ungarischen Motorradbau. In: Kraftfahrzeugtechnik 7/1954, S. 215–216.
- Ungarische Motorräder und Beiwagen. In: Kraftfahrzeugtechnik 7/1960, S. 277–278.
- Neue Pannonia-Motorräder. In: Kraftfahrzeugtechnik 3/1963, S. 104.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Die neuen Pannonia-Motorräder In: Kraftfahrzeugtechnik 1/1960, S. 16.
- ↑ Ungarische Motorräder und Beiwagen. In: Kraftfahrzeugtechnik 7/1960, S. 277–278.
- ↑ Pannonia 250 mit BVF-Vergaser. In: Kraftfahrzeugtechnik 9/1963, S. 348–349.
- ↑ Kraftfahrzeugtechnik beurteilt Pannonia 250 LTL Luxus. In: Kraftfahrzeugtechnik. 8/1964, S. 304–306.
- ↑ Kraftfahrzeugtechnik beurteilt Pannonia 250 LTL Luxus. In: Kraftfahrzeugtechnik. 8/1964, S. 304–306.
- ↑ Motorrad Katalog 1971/72 (Stand: September 1971), Motor-Presse-Verlag Stuttgart, S. 187
- ↑ Motorrad Katalog 1971/72 (Stand: September 1971), Motor-Presse-Verlag Stuttgart, S. 187
- ↑ Csepel-Pannonia-Motorräder P 10 und P 20. In: Kraftfahrzeugtechnik 10/1965, S. 376–379.
- ↑ Motorrad Katalog 1971/72 (Stand: September 1971), Motor-Presse-Verlag Stuttgart, S. 187
- ↑ Pannonia P 20. In: Kraftfahrzeugtechnik 9/1969, S. 280.
- ↑ Zweiräder aus dem Osten : Motorräder - Roller – Mopeds. Garant, Renningen 2014, ISBN 978-3-86766-294-9. S. 146.DNB 1036234169
- ↑ Zweiräder aus dem Osten : Motorräder - Roller – Mopeds. Garant, Renningen 2014, ISBN 978-3-86766-294-9. S. 143.DNB 1036234169
- ↑ Zweiräder aus dem Osten : Motorräder - Roller – Mopeds. Garant, Renningen 2014, ISBN 978-3-86766-294-9. S. 143.DNB 1036234169
- ↑ Im Zeichen wachsender Zusammenarbeit: Mehr Ikarus-Busse für die DDR. In: Kraftfahrzeugtechnik 4/1974, S. 101.
- ↑ Csepel gab Motorradproduktion auf. In: Kraftfahrzeugtechnik 3/1976, S. 73.
- ↑ Zweiräder aus dem Osten : Motorräder - Roller – Mopeds. Garant, Renningen 2014, ISBN 978-3-86766-294-9. S. 101.DNB 1036234169
- ↑ Pannonia mit Hyzet. In: Kraftfahrzeugtechnik 9/1962, S. 364.
- ↑ Motorrad Katalog 1971/72 (Stand: September 1971), Motor-Presse-Verlag Stuttgart, S. 188
- ↑ Pannonia auf Nostalgiewelle auf Pester Lloyd vom 9. April 2010, abgerufen am 11. März 2021.
- ↑ Zweiräder aus dem Osten : Motorräder - Roller – Mopeds. Garant, Renningen 2014, ISBN 978-3-86766-294-9. S. 146.DNB 1036234169