Tangentialraum

ein Vektorraum, der eine differenzierbare Mannigfaltigkeit am Punkt linear approximiert
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In der Differentialgeometrie ist ein Tangentialraum (auch Tangentenraum genannt) ein Vektorraum, der eine differenzierbare Mannigfaltigkeit am Punkt linear approximiert. Sei eine differenzierbare Kurve mit und dem Kurvenparameter , dann ist:

Tangentialvektor an in definiert als Geschwindigkeitsvektor einer Kurve durch sowie Tangentialraum an den Punkt

ein Tangentialvektor. Die Tangentialvektoren in einem Punkt spannen einen Vektorraum auf, den Tangentialraum . Siehe auch Tangentialbündel.

In der algebraischen Geometrie muss man diesen Definitionsansatz modifizieren, um singuläre Punkte und wechselnde Dimensionen zu berücksichtigen.

Dieser Artikel befasst sich nur mit dem Tangentialraum über einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit im Sinne der Differentialgeometrie.

Übersicht

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Am einfachsten ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit zu veranschaulichen, die als Untermannigfaltigkeit in einen Euklidischen Raum (z. B. den  ) eingebettet ist. Als Beispiel soll die Sphäre (= Kugeloberfläche)   im   dienen. Der Tangentialraum in einem Punkt   ist dann die Ebene durch den Nullpunkt, die parallel zur Tangentialebene an die Kugel im Punkt   ist.

Ein Vektorfeld ordnet jedem Punkt   einer Mannigfaltigkeit   einen Vektor aus dem zugehörigen Tangentialraum   zu. Zum Beispiel könnte man mit einem Vektorfeld die Windstärke und -richtung auf der Erdoberfläche angeben.

Alle Tangentialräume einer Mannigfaltigkeit   werden als Tangentialbündel von   zusammengefasst; das Tangentialbündel ist selbst eine Mannigfaltigkeit; seine Dimension ist doppelt so groß wie die von  .

Formale Definitionen

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In der Literatur ist es üblich, gleich drei verschiedene Definitionen anzugeben, die einer geometrischen, einer algebraischen und einer theoretisch-physikalischen (auf Tensoren hinarbeitenden) Sichtweise entsprechen. Der anschauliche geometrische Zugang erweist sich in der Anwendung jedoch als der am mühsamsten zu handhabende.

Die beiden auf die geometrische Definition folgenden algebraischen Definitionen des Tangentialraums funktionieren allerdings nur für Mannigfaltigkeiten der Klasse  , aber nicht für   mit  .

Geometrische Definition: Richtungsfelder von Kurven

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Gegeben seien eine  -dimensionale  -Mannigfaltigkeit   mit  , ein Punkt   aus  , eine offene Umgebung   von   und eine Karte  .

Ist   mit   eine differenzierbare Kurve in  , so ist   eine differenzierbare Kurve im  . Die Ableitung   existiert also. Diese Ableitung ist ein Vektor im  . Kurven  , für die   übereinstimmt, bilden eine Äquivalenzklasse. Eine solche Äquivalenzklasse nennt man einen Tangentialvektor von   in   und schreibt dafür  . Der Tangentialraum   ist die Menge aller dieser Tangentialvektoren; man kann zeigen, dass er nicht von der Wahl der Karte   abhängt.

Es bleibt zu zeigen, dass   durch Erklärung von Vektoraddition und Skalarmultiplikation zu einem Vektorraum wird. Dazu definiert man die Abbildung   durch  , wobei die Funktion   auf der rechten Seite ein beliebiger Repräsentant der Äquivalenzklasse   ist. Man zeigt nun, dass diese Abbildung bijektiv ist und überträgt mit ihrer Hilfe die Vektorraumoperationen von   nach  ; man zeigt außerdem, dass diese Konstruktion von der Wahl der Karte   unabhängig ist.

Erste algebraische Definition: verallgemeinerte Ableitungen

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Sei   eine  -Mannigfaltigkeit. Eine Funktion   gehört zur Klasse  , falls   für jede Karte   unendlich oft differenzierbar ist. Das so definierte   ist eine assoziative Algebra.

Fixieren wir einen Punkt   in  . Eine Derivation an   ist eine lineare Abbildung  , die für alle   und   in   die (analog zur Produktregel) folgende Eigenschaft hat:  . Diese Derivationen bilden auf natürliche Weise einen reellen Vektorraum; dies ist der Tangentialraum  .

Die Beziehung zwischen den zuvor definierten Tangentialvektoren und den Derivationen ist wie folgt: falls   eine Kurve mit Tangentialvektor   ist, dann ist die entsprechende Derivation   (mit der Ableitung im üblichen Sinne, da   eine Funktion von   nach   ist).

Zweite algebraische Definition: Dualraum von I/I²

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Sei   wieder eine  -Mannigfaltigkeit und   ein Punkt in  . Betrachten wir nun das Ideal   von  , das aus allen glatten Funktionen   besteht, die   auf   abbilden. Dann sind   und   reelle Vektorräume, und   wird als der Dualraum des Quotientenraums   definiert.   wird auch als Kotangentialraum   bezeichnet (siehe unten).

Während diese Definition die abstrakteste ist, ist sie auch diejenige, die man am leichtesten auf andere Situationen übertragen kann, beispielsweise auf Varietäten, wie sie in der algebraischen Geometrie betrachtet werden.

Sei   eine Derivation an  . Dann ist   für jedes   in   (denn es existieren   mit  , somit  ), womit   eine lineare Abbildung   induziert. Umgekehrt ist   eine Derivation, wenn   eine lineare Abbildung ist. Dies zeigt, dass sich der über Derivationen und der über   definierte Tangentialraum entsprechen.

Tangentialraum in der algebraischen Geometrie

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Die beiden algebraischen Definitionen funktionieren genauso auch für algebraische Varietäten, wobei hier der Tangentialraum auch als Zariski-Tangentialraum bezeichnet wird. Im Unterschied zu Mannigfaltigkeiten können algebraische Varietäten aber Singularitäten haben, dort hat dann der Tangentialraum eine höhere Dimension als in glatten Punkten.

Eigenschaften

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Wenn   eine offene Teilmenge des   ist, so kann man   in natürlicher Weise als eine  -Mannigfaltigkeit betrachten. Alle Karten sind hierbei die Identität, und die Tangentialräume werden mit dem   identifiziert.

Tangentialvektoren als Richtungsableitungen

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Eine Sichtweise von Tangentialvektoren ist, sie als Richtungsableitungen zu sehen. Für einen Vektor   im   definiert man die Richtungsableitung einer glatten Funktion   an einem Punkt   durch

 

Diese Abbildung ist offenbar eine Derivation. Tatsächlich ist sogar jede Derivation von  ( ) von dieser Form. So existiert eine Bijektion zwischen Vektoren (als Tangentialvektor am Punkt   gedacht) und den Derivationen.

Da Tangentialvektoren an einer allgemeinen Mannigfaltigkeit als Derivationen definiert werden können, ist es nur natürlich, sie auch als Richtungsableitungen zu sehen. Konkret kann man für einen Tangentialvektor   von   an einem Punkt   (als Derivation gesehen) die Richtungsableitung in Richtung   für   Element von   wie folgt definieren:

 

Sehen wir   im Sinne der geometrischen Definition des Tangentialraums als   für eine Kurve  , schreiben wir

 .

Die Totalableitung einer Abbildung

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Jede differenzierbare Abbildung   zwischen zwei differenzierbaren Mannigfaltigkeiten induziert eine lineare Abbildung

 

zwischen den entsprechenden Tangentialräumen, definiert durch

 

für die geometrische Definition des Tangentialraums und

 

für die Definition mittels Derivationen.

Die lineare Abbildung   wird mit Differential, Ableitung, Totalableitung oder auch Tangentialabbildung bezeichnet. Auch hier variieren die Notationen stark. Benutzt werden vor allem:  ,  ,   und  .

In einem gewissen Sinne ist die Totalableitung die beste lineare Approximation von   in einer Umgebung von  . In lokalen Koordinaten kann man die Totalableitung als Jacobische Matrix darstellen.

Ist die Tangentialabbildung surjektiv, hat also die Jacobi-Matrix überall vollen Rang, so nennt man die zugrundeliegende Funktion Submersion; ist die Tangentialabbildung injektiv, Immersion.

Ein wichtiges Resultat bezüglich Tangentialabbildungen ist der Satz:

Genau dann, wenn   ein lokaler Diffeomorphismus bei   in   ist, ist   ein linearer Isomorphismus.

Dies ist eine Verallgemeinerung des Satzes über inverse Funktionen auf Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten.

Richtungen der Tangentialvektoren

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Falls   eine glatte Mannigfaltigkeit mit Rand ist und  , dann können die Vektoren im Tangentialraum   in drei Klassen aufgeteilt werden:

  •   heißt nach innen gerichtet für ein  , wenn eine glatte Kurve   existiert mit   und  .
  •   heißt nach aussen gerichtet für ein  , wenn eine glatte Kurve   existiert mit   und  .
  • die Restlichen sind tangent zum Rand.[1]

Kotangentialraum

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Da der Tangentialraum   am Punkt   der Mannigfaltigkeit die Struktur eines Vektorraums trägt, kann man den Dualraum von ihm bilden. Dieser Raum wird Kotangentialraum genannt und gewöhnlicherweise mit   notiert. Der letzten Definition folgend ist der Raum also isomorph zu  . Der Kotangentialraum spielt in der Differentialgeometrie ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. So kann man zum Beispiel das totale Differential

  von  

als eine lineare Abbildung verstehen, welche jedem Tangentialvektor die Richtungsableitung in seiner Richtung zuordnet. Das totale Differential   ist somit ein Element des Kotangentialraums   von   am Punkt  .

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds. Hrsg.: Springer. 2. Auflage. S. 118.