Al Hoceïma

Marokkanische Stadt im zentralen Rif in der Region Ibaqoyen
(Weitergeleitet von Al-Hoceima)

Al Hoceïma (marokkanisches Tamazight ⵜⴰⵖⵣⵓⵜ Taɣzut oder ⵜⵉⵊⴷⵉⵜ Tijdit, arabisch الحسيمة, DMG al-Ḥusayma, spanisch Alhucemas) ist eine Stadt im Norden Marokkos, am Nordrand des Rifgebirges und an der Mittelmeerküste mit etwa 57.000 Einwohnern. Sie ist die Hauptstadt der Provinz Al Hoceïma in der Region Tanger-Tétouan-Al Hoceïma. Sie liegt im Gebiet der Stämme der Ait Ouriaghel und Ibeqquyen des Rifgebirges, die eine riffianische Variante der Berbersprache sprechen, die lokal Tmaziɣt (Tmazight) genannt wird.

Al Hoceïma
الحسيمة
ⵜⴰⵖⵣⵓⵜ/ⵜⵉⵊⴷⵉⵜ
Wappen von Al Hoceïma
Al Hoceïma (Marokko)
Al Hoceïma (Marokko)
Al Hoceïma
Basisdaten
Staat: Marokko Marokko
Region: Tanger-Tétouan-Al Hoceïma
Provinz: Al Hoceïma
Koordinaten 35° 15′ N, 3° 56′ WKoordinaten: 35° 15′ N, 3° 56′ W
Einwohner: 56.716 (2014[1])
Fläche: 15,36 km²
Bevölkerungsdichte: 3.692 Einwohner je km²
Höhe: 20 m
Al Hoceïma – Ortsbild mit Hafen und Strand
Al Hoceïma – Ortsbild mit Hafen und Strand
Al Hoceïma – Ortsbild mit Hafen und Strand

Al Hoceïma wird als eine der saubersten und sichersten Städte Marokkos bezeichnet. In der Umgebung der Stadt liegen die Sand- und Kiesstrände wie Cala Iris, Badès, Torres, Quemado und Tala Yussef. Das Umland ist bergig.

Lage und Klima

Bearbeiten

Al Hoceïma liegt an der Mittelmeerküste Marokkos; das Hinterland wird gebildet vom stark zerklüfteten Rifgebirge. Die Entfernung zur südwestlich gelegenen Nachbarstadt Imzouren beträgt ca. 19 km (Fahrtstrecke); bis zur südlich gelegenen Stadt Taza sind es ca. 160 km. Das Klima ist gemäßigt bis warm; der eher spärliche Regen (ca. 290 mm/Jahr) fällt hauptsächlich im Winterhalbjahr.[2]

Bevölkerung

Bearbeiten
Anzahl Einwohner[3]
Jahr 199420042014
Einwohner 55.21655.35756.716

Die Einwohner der Stadt sind überwiegend berberischer Abstammung; die meisten sind nach der Unabhängigkeit Marokkos (1956) zugewandert. Gesprochen wird Tarifit.

Wirtschaft und Infrastruktur

Bearbeiten

Der Flughafen Cherif El Idrissi liegt etwa 9 km südöstlich von Al Hoceïma. Die Stadt verfügt über einen modernen Hafen mit einer kleinen Fischereiflotte und über eine Fachhochschule (École Nationale des Sciences Appliquées d'Al Hoceïma – ENSAH) mit etwa 700 Ingenieurstudenten. Einen Schwerpunkt bildet die Umwelttechnik. In der Nähe werden 2011/12 ein Technopark für Investoren und eine Infrastruktur für Existenzgründer mit insgesamt über 40 Hektar Fläche ausgebaut.[4] Hier sollen vor allem akademisch qualifizierte Rückwanderer aus Deutschland, Holland und Belgien Unternehmen gründen (sog. Offshore-Arbeit). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Entwicklung des Tourismus, insbesondere des Ökotourismus.[5]

Geschichte

Bearbeiten

Kolonialgeschichte

Bearbeiten

Der Berberstamm der Ait Ouriaghel (auch "Beni Urriaguel") beherrschte das Gebiet um Al Hoceïma, wo Abd el-Krim, dessen Vater ein Qadi des Aith-Yusuf-Clans des Ait Ouriaghel-Stammes war[6], eine Guerillatruppe organisierte, die während des Rif-Krieges gegen die Spanier kämpfte und 1921 die Republik des Rif gründete. Am 8. September 1925 landeten spanische Truppen in einer Bucht und gründeten an dieser Stelle 1926 das spätere Al Hoceïma als Villa Sanjurjo. Die Stadt stand wie ganz Spanisch-Marokko bis zur Unabhängigkeit 1956 unter spanischer Verwaltung.[7]

Die Spanier entwickelten die Stadt und nannten sie Villa Sanjurjo, nach General Sanjurjo. Später wurde sie in Al Hoceïma umbenannt[8]. Der erste Bürgermeister war Florian Gómez Aroca.

Im dritten Rifkrieg waren im Jahr 1921 bei der Schlacht von Annual über 10.000 spanische Soldaten getötet worden. In der Folge zogen sich die spanischen Truppen aus nahezu allen seit 1909 eroberten Positionen zurück, anschließend wurde das geräumte Gebiet der Rif-Republik gezielt mit Senfgas (Lost) verseucht.

Seit der Unabhängigkeit Marokkos

Bearbeiten

Nach der Unabhängigkeit Marokkos im Jahr 1955 entwickelte sich Al Hoceïma schnell, und die marokkanische Regierung änderte den Namen von Villa Alhucemas in Al Hoceïma.

Die Jahre zwischen 1956 und 1959 waren dunkle Jahre für die Bewohner des Rif. Marokkos Hassan II., der damalige Kronprinz, wurde zum militärischen Befehlshaber und unter seiner Herrschaft wurde in den Jahren 1956 bis 1959 eine große Anzahl von Menschen im Rif getötet. Die Beni Urriaguel erhoben sich im Oktober 1958 gegen die Zentralverwaltung, und 2/3 der marokkanischen Armee unter der Führung von Hassan landeten in Al Hoceïma.

In den frühen 1950er und 1960er Jahren, als viele Einwohner der Stadt unter Armut litten, waren viele der kleinen Häuser weiß und blau gestrichen. Diese Farben, die das Meer und den Himmel symbolisierten, galten als die offiziellen Farben der Stadt. Später, als der finanzielle Aufschwung einsetzte, begannen die Menschen, ihre Häuser in anderen Farben zu streichen.

1994 war die Region von einem Erdbeben betroffen. Am 24. Februar 2004 zerstörte erneut ein Erdbeben mit der Stärke 6,5 auf der Richterskala, dessen Epizentrum ca. 15 km südwestlich von Al Hoceïma lag,[9] große Teile des Umlandes der Stadt, darunter mehrere Dörfer. Dabei wurden 560 Menschen getötet. In der Stadt selbst kam es nur zu geringen Schäden.[10] Im Jahr 2007 erklärte der Bürgermeister von Al Hoceïma, dass alle neuen Häuser weiß und blau gestrichen werden sollten, um das traditionelle Erscheinungsbild der Stadt wiederherzustellen.

Al Hoceïma ist heute eine mittelgroße Stadt mit 90.000 Einwohnern, die bei der Volkszählung 2014 erfasst wurden. Sie verfügt über den zweitgrößten Hafen der Rif-Region (in Nador ist der größte). Die ersten von den spanischen Kolonialherren errichteten Schulen (ein College und eine Grundschule) und eine spanische katholische Kirche sind noch heute erhalten.

Playa Quemado, wo General Sanjurjo und seine Truppen 1925 landeten, ist der beliebteste Strand von Al Hoceïma. Er befindet sich direkt unterhalb des luxuriösen Hotels Mohammed V.

Al Hoceïma war im 21. Jahrhundert das Zentrum der Unterdrückung durch die marokkanische Regierung und des politischen Protests gegen sie. Im Jahr 2011 wurden fünf junge Demonstranten ermordet und ihre verbrannten Leichen in Al Hoceïma gefunden. Am 28. Oktober 2016 wurde der Fischverkäufer Mouhcine Fikri in einem Müllwagen erdrückt, als er versuchte, von den Behörden beschlagnahmten Fisch zurückzuholen[11], was im November 2016 zu großen regierungsfeindlichen Protesten führte, die als Hirak Rif[12] bekannt wurden. Die Proteste in Al Hoceima wurden nach Beginn des Ramadan am 26. Mai fortgesetzt und gipfelten am 26. Juni in „blutigen Zusammenstößen“[13], die sich dann auf andere Teile Nordmarokkos und des Landes ausweiteten.[14]

Sehenswürdigkeiten

Bearbeiten
 
Gebirge um Al Hoceïma
 
Landschaft um Al Hoceïma
  • Playa Quemado – Stadtstrand
  • zahlreiche spanische und maurische Handelshäuser, welche nach dem schweren Erdbeben teilweise wiederhergestellt wurden
  • Hafenanlage
  • Strandpromenade, welche außerhalb der Stadt liegt

Söhne und Töchter der Stadt

Bearbeiten
  • Yassin Ayoub (* 1994), marokkanisch-niederländischer Fußballspieler

Städtepartnerschaften

Bearbeiten

Siehe auch

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Bevölkerungsstatistik Marokko (Memento vom 3. März 2016 im Internet Archive)
  2. Al Hoceïma – Klimatabellen
  3. Al Hoceïma – Bevölkerungsentwicklung etc.
  4. Un technopark pour Al Hoceima (Memento vom 12. Mai 2013 im Internet Archive) Zugriff 28. Juni 2013
  5. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.marocecotourisme.com
  6. Hart, David M.: The Aith Waryaghar of the Moroccan Rif: An Ethnography and History. Hrsg.: Wenner-Gren Foundation for Anthropological Research. 1976, ISBN 978-0-8165-0452-7, S. 370–71.
  7. Porch, Douglas (2006). "Spain's African Nightmare". Quarterly Journal of Military History. 18 (2): 28–37.
  8. Ellingham, Mark (2001). The Rough Guide to Morocco. Rough Guides. pp. 138–39, 150–53. ISBN 978-1-85828-601-3.
  9. Darstellung des Epizentrums und der seismologischen Aktivität der gesamten Erdbebenregion (Memento vom 28. Oktober 2006 im Internet Archive)
  10. Satellitenaufnahme der Stadt drei Tage nach dem Erdbeben
  11. "Morocco's unrest is worsening". The Economist. 6. Juli 2017. Abgerufen am 8. Juli 2017.
  12. "Morocco arrests 11 over fish-seller's death in Al-Hoceima". BBC. 1. November 2016. Abgerufen am 3. November 2016.
  13. Aidi, Hisham (13 July 2017). "Is Morocco Headed Toward Insurrection?". The Nation. Abgerufen am 17. Oktober 2020.
  14. "Morocco's unrest is worsening". The Economist. 6. Juli 2017. Abgerufen am 8. Juli 2017.