Projekt 955

Klasse von Atom-U-Booten der russischen Marine
(Weitergeleitet von Borei-Klasse)

Das Projekt 955/955A Borei (russisch Борей, nach dem griechischen Windgott Boreas, NATO-Bezeichnung: Borei-Klasse oder auch Borej-Klasse) ist eine Klasse von Atom-U-Booten der russischen Marine. Die Borei ist SSBN-Trägersystem für seegestützte Interkontinentalraketen. Die Klasse stellt innerhalb der russischen Flotte die 4. Generation von strategischen atomgetriebenen Unterseebooten dar und wird von russischer Seite als derzeit modernste SSBN-Einheit weltweit angesehen.

Projekt 955/955A
K-535 während der Erprobung 2010
K-535 während der Erprobung 2010
Schiffsdaten
Land Russland Russland
Schiffsart U-Boot mit ballistischen Raketen
Bauwerft Sewmasch, Sewerodwinsk
Bauzeitraum Seit 1996
Stapellauf des Typschiffes 12. Februar 2008
Gebaute Einheiten 7 in Dienst
3 im Bau
2 in Planung
Dienstzeit seit 2013
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 170 m (Lüa)
Breite 13,5 m
Tiefgang (max.) 10 m
Verdrängung aufgetaucht: 14.720 t
getaucht: 24.000 t
 
Besatzung 107 Mann
Maschinenanlage
Maschine 1 × OK-650W-Druckwasserreaktor
1 × Dampfturbine GT3A
Propeller 1 Düsenringpropeller
Einsatzdaten U-Boot
Tauchtiefe, normal 400 m
Tauchtiefe, max. 480 m
Höchst-
geschwindigkeit
getaucht
29,0 kn (54 km/h)
Höchst-
geschwindigkeit
aufgetaucht
15,0 kn (28 km/h)
Bewaffnung

Entwicklungsgeschichte

Bearbeiten
 
Alexander Newski, 2015

Die Entwicklung wurde wahrscheinlich noch vor dem Zerfall der Sowjetunion 1991, gleichzeitig mit den Projekten 667BDRM und 941, gestartet. Die grundsätzliche Entwicklung lief bis 1996 und wurde dem Westen bekannt, als das erste Boot dieses neuen Typs in der Sewmasch-Werft in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt wurde. 1998 wurde das Projekt erneut geringfügig abgeändert.

Der Bau der Boote verzögerte sich immer wieder; die Gründe dafür waren vielschichtig. Neben finanziellen Problemen war auch der Zerfall der Sowjetunion eine Ursache, da sich Zulieferer nunmehr außerhalb Russlands befanden; beispielsweise der bisherige Stahllieferant Asowstal in der Ukraine. Daher wurde für die ersten beiden Einheiten der Stahl der in der Werft 402 aufgelegten Jagd-U-Boote K-333 und K-337 (Projekt 971) verwendet.[1] Die Bauzeit der ersten vier Einheiten zog sich schließlich von 1996 (Kiellegung der Juri Dolgoruki) bis 2020 (Indienststellung der Knjas Wladimir) hin. Die vier folgenden Einheiten wurden in den Jahren 2014 bis 2016 auf Kiel gelegt.

Ausstattung

Bearbeiten
 
Zeichnung der Steuerbordansicht von Projekt 955
 
Zeichnung der Steuerbordansicht von Projekt 955A

Für Projekt 955 war zunächst die Rakete R-39UTTCh Grom vorgesehen, die im Makejew-Raketenkonstruktionsbüro entwickelt wurde. Makejew konnte die vorgeschriebenen Abmessungen der Rakete nicht einhalten, weshalb das Atom-U-Boot selbst umgebaut werden musste. Bei den Tests dieser Rakete wurden auch andere Mängel festgestellt. Als die Rakete 1998 schließlich zu 80 Prozent fertig war, wurde das Projekt beendet.

Die Hauptbewaffnung der Juri Dolgoruki sind 16 Interkontinentalraketen vom Typ R-30 Bulawa (SS-N-32) mit Feststoffantrieb. Jede dieser Raketen kann 6–10 nukleare Gefechtsköpfe mit einer Sprengkraft von je 100–150 kt tragen. Auch bei der Entwicklung der Bulawa gab es Schwierigkeiten. Bis Dezember 2011 wurden achtzehn Starttests durchgeführt, von denen sieben fehlschlugen.[2]

Neben der Raketenbewaffnung verfügen die Boote der Klasse über 6 Torpedorohre im Kaliber 533 mm. Über eine mögliche zusätzliche Bewaffnung mit aus den Torpedorohren abfeuerbaren S-10-„Granat“-Marschflugkörpern (SS-N-21 Sampson) wird spekuliert.[3]

Alle bisherigen SSBN der Projekt-667A-Boote bis zu 667BDRM mussten zum Start der Raketen entweder stoppen oder langsamer als 3 Knoten fahren. Die Boote des Projektes 667BDRM und 941 können vier Raketen gleichzeitig starten. Bei den neuen Booten sind die Silos in einem Winkel von 25 bis 35 Grad – analog den SSGN – eingebaut. So kann das Boot beim Ausstoßen der Raketen in 65 Metern Tiefe bis zu 15 Knoten Fahrt machen.

Am 12. Dezember 2020 wurde die Mehrfach-Startfähigkeit erfolgreich von der Wladimir Monomach demonstriert, die 4 Bulawa-Interkontinentalraketen im Ochotskischen Meer zu 5500 km entfernten Zielen auf einem Schießplatz in Russland startete. Dies war der erste Mehrfach-Test und auch der erste in Ost-West-Richtung der Bulawa.[4]

Die Boote sind mit einer Rettungskapsel für die gesamte Besatzung im Turm ausgerüstet.[5]

Einheiten

Bearbeiten
Projekt 955
Kennung Name Projekt Kiellegung Stapellauf In Dienst außer Dienst Anmerkungen
K-535 Juri Dolgoruki 955 2. November 1996 12. Februar 2008 10. Januar 2013[6] aktiv, Nordflotte (31. U-Boot-Division/12. U-Bootgeschwader)
K-550 Alexander Newski 955 19. März 2004 13. Dezember 2010 23. Dezember 2013[7] aktiv, Pazifikflotte (25. U-Boot-Division/16. U-Bootgeschwader)[8]
K-551 Wladimir Monomach 955 19. März 2006 30. Dezember 2012 19. Dezember 2014[9] aktiv, Pazifikflotte (25. U-Boot-Division/16. U-Bootgeschwader)[10]
K-549 Knjas Wladimir
(geplant als Swjatitel Nikolai)
955A 30. Juli 2012 17. November 2017 12. Juni 2020[11] aktiv, Nordflotte (31. U-Boot-Division/12. U-Bootgeschwader)
K-552 Knjas Oleg[12] 955A 27. Juli 2014 16. Juli 2020[13] 21. Dezember 2021 aktiv, Pazifikflotte
K-553 Generalissimus Suworow[14][15] 955A 26. Dezember 2014[16] 25. Dezember 2021[17] 29. Dezember 2022[18] aktiv, Pazifikflotte[17]
Imperator Alexander III.[19] 955A 18. Dezember 2015[20] 29. Dezember 2022[21] November 2023[22][23] aktiv
Knjas Poscharski 955A 23. Dezember 2016[24] 2024[15] im Bau, Nordflotte
Knjas Potemkin[25] 955A 23. August 2021[26] 2028[15] im Bau, Nordflotte
Dmitri Donskoi[25] 955A 23. August 2021[26] 2029[15] im Bau, Nordflotte
955A 2023[27] in Planung
955A 2023[27] in Planung

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Projekt 955 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Stephen Saunders: Jane’s Fighting Ships, Edition 2015–2016. Jane’s Information Group, Vereinigtes Königreich, 2015, ISBN 978-0710631435, S. 677.
  2. Gleich zwei Bulawa-Raketen erfolgreich getestet. In: de.sputniknews.com. Sputnik Deutschland, archiviert vom Original am 2. April 2015; abgerufen am 31. März 2015.
  3. Project 955 submarines to carry long-range cruise missiles. Russianforces.org, 11. Januar 2013, abgerufen am 17. Januar 2013 (englisch).
  4. Russisches U-Boot testet Interkontinentalraketen. orf.at, 12. Dezember 2020, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  5. Two Borei class nuclear submarines to replace old Kalmar class subs in Russia's Far East. In: TASS. 17. März 2015, abgerufen am 9. November 2022.
  6. First Borei Submarine Enters Service (Memento des Originals vom 17. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aviationweek.com (10. Januar 2013). Abgerufen am 9. März 2013.
  7. ВМФ России пополнился новейшим атомным подводным ракетным крейсером «Александр Невский». (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: TVZvezda.ru, 23. Dezember 2013. Abgerufen am 23. Dezember 2013. (russisch: „Die russische Marine erhielt den neuesten atomgetriebenen U-Raketenkreuzer ‚Aleksandr Nevski‘.“)
  8. Neues Atom-U-Boot auf Kamtschatka stationiert. In: de.sputniknews.com. 1. Oktober 2015, archiviert vom Original am 2. Oktober 2015; abgerufen am 1. Oktober 2015.
  9. „Владимир Мономах“ поднял Андреевский флаг. In: Flot.ru:, 19. Dezember 2014. Abgerufen am 20. Dezember 2014. (russisch: „Auf der ‚Wladimir Monomach‘ wurde die Andreasflagge gehisst“.)
  10. Advanced Russian Nuclear Sub Takes Up Station In Pacific. In: Radio Free Europe/Liberty. 26. September 2016, abgerufen am 26. September 2016.
  11. ORF at/Agenturen satt: Auftritt ohne Maske und Abstand: Putin ignoriert CoV-Regeln. 12. Juni 2020, abgerufen am 12. Juni 2020.
  12. Пятый „Борей“ назовут „Князь Олег“ In: flotprom.ru, 29. Mai 2014. Abgerufen am 3. Juni 2014. (russisch: „Das fünfte Borei heißt ‚Knjas Oleg‘“.)
  13. https://tass.ru/armiya-i-opk/8986283
  14. Werft Sewmasch beginnt im Dezember mit Bau von sechstem U-Boot der Borej-A-Klasse. RIA Novosti, 19. September 2014, archiviert vom Original am 21. September 2014; abgerufen am 19. September 2014.
  15. a b c d Thomas Nilsen: Sevmash delivers sixth Borei-class sub, launches the seventh. In: thebarentsobserver.com. 29. Dezember 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).
  16. Sechstes Atom-U-Boot der Borej-Klasse auf Kiel gelegt. Sputnik Deutschland, 26. Dezember 2014, archiviert vom Original am 27. Dezember 2014; abgerufen am 4. Januar 2015.
  17. a b Thomas Nilsen: Russia launches new Borei-A class ballistic missile sub. In: thebarentsobserver.com. 25. Dezember 2021, abgerufen am 4. November 2022 (englisch).
  18. Putin feiert neue Kriegschiffe - remote. Tagesschau, 29. Dezember 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022.
  19. Das siebente „Borey“ erhält den Namen Imperator Alexander III. - Sewmasch. TASS, 30. November 2015, abgerufen am 1. Dezember 2015.
  20. Military & Defense - Construction of Russia's seventh Borei class sub due to start on Friday. In: TASS. tass.ru, abgerufen am 18. Dezember 2015 (englisch).
  21. Russia sets afloat The Imperator Alexander III submarine. Tass, 29. Dezember 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).
  22. Project 955A submarine Imperator Alexander III joins Russian Navy in 2023. Navy Recognition, 10. Dezember 2021, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).
  23. Russland startet Interkontinentalrakete von neuem Atom-U-Boot. tagesschau.de, 5. November 2023, abgerufen am 5. November 2023.
  24. In der Sewmasch-Werft wird das letzte strategische Atom-U-Boot der Borej-Klasse auf Kiel gelegt. Flotprom, 21. Dezember 2016, abgerufen am 21. Dezember 2016.
  25. a b Russian submarines commissioned as scheduled. Navy Recognition, 18. März 2022, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).
  26. a b Jon Shelton: Russia begins construction of new nuclear submarines. Deutsche Welle, 23. August 2021, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).
  27. a b Two Project 955A Borei-A class ballistic missile submarines will be laid down in 2023. Navy Recognition, 28. Dezember 2021, abgerufen am 30. Dezember 2022 (englisch).