Deutsch: Im heiligen Land, satirisches Gedicht auf die Palästinareise Wilhelms II. im Oktober 1898, im Simplicissimus pseudonym ("Hieronymos") veröffentlicht. Die Identität des Verfassers wurde jedoch bald bekannt, Wedekind floh nach Frankreich und wurde nach der Rückkehr zu mehrmonatiger Festungshaft auf dem Königstein verurteilt (21. September 1899 - 3. Februar 1900). - Zeichnung von Eduard Thöny.
Berlin W.
(Zeichnung von E.[duard] Thöny)
E. Thöny
H & Co
„Woßu reisen de Leut' nach Palästina?“
Im heiligen Land
Der König David steigt aus seinem Grabe,
Greift nach der Harfe, schlägt die Augen ein,
Und preist den Herrn, daß er die Ehre habe,
Dem Herrn der Völker einen Psalm zu weihn.
Wie einst zu Abisags von Sunem*) Tagen
Hört wieder man ihn wild die Saiten schlagen,
Indeß sein hehres Preis= und Siegeslied
Wie Sturmesbrausen nach dem Meere zieht.
Willkommen, Fürst, in meines Landes Grenzen,
Willkommen mit dem holden Ehgemahl,
Mit Geistlichkeit, Lakaien, Excellenzen,
Und Polizeibeamten ohne Zahl.
Es freuen rings sich die histor'schen Orte
Seit vielen Wochen schon auf deine Worte,
Und es vergrößert ihre Sehnsuchtspein
Der heiße Wunsch, photographiert zu sein.
Ist denn nicht deine Herrschaft auch so weise,
Daß du dein Land getrost verlassen kannst?
Nicht jeder Herrscher wagt sich auf die Reise
Ins alte Kanaan. Du aber fandst,
Du seist zu Hause momentan entbehrlich;
Der Augenblick ist völlig ungefährlich;
Und wer sein Land so klug wie du regiert,
Weiß immer schon im Voraus, was passiert.
Es wird die rote Internationale,
Die einst so wild und ungebärdig war,
Versöhnen sich beim sanften Liebesmahle
Mit der Agrarier sanftgemuten Schar.
Frankreich wird seinen Dreyfus froh empfangen,
Als wär auch er zum heilgen Land gegangen.
In Peking wird kein Kaiser mehr vermißt,
Und Ruhe hält sogar der Anarchist.
So sei uns denn noch einmal hochwillkommen
Und laß dir unsere tiefste Ehrfurcht weihn,
Der du die Schmach vom heilgen Land genommen,
Von dir bisher noch nicht besucht zu sein.
Mit Stolz erfüllst du Millionen Christen;
Wie wird von nun an Golgatha sich brüsten,
Das einst vernahm das letzte Wort vom Kreuz
Und heute nun das erste deinerseits.
Der Menschheit Durst nach Thaten läßt sich stillen,
Doch nach Bewundrung ist ihr Durst enorm.
Der du ihr beide Durste zu erfüllen
Vermagst, seis in der Tropen=Uniform,
Sei es in Seemannstracht, im Purpurkleide,
Im Rokoko=Kostüm aus starrer Seide,
Sei es im Jagdrock oder Sportgewand,
Willkommen, teurer Fürst, im heilgen Land!
Hieronymos
- *) I. Könige I. 1-4
- 245 -
Datum
Quelle
Simplicissimus 1898 (Jg. 3), Heft 31, S. 245 ([1])
Urheber
Frank Wedekind (1864-1918)
Lizenz
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