Goethe- und Schiller-Archiv
Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar ist das älteste und traditionsreichste Literaturarchiv Deutschlands. Es wurde auf Anregung von Großherzogin Sophie zunächst als Goethe-Archiv gegründet.[1] Mit der Vereinigung des Schiller-Nachlasses im Jahre 1889 wurde es zum Goethe- und Schiller-Archiv.
Goethe- und Schiller-Archiv | |
---|---|
Das Goethe- und Schiller-Archiv am östlichen Ufer der Ilm in der Jenaer Straße 1
| |
Gründung | 1885 |
Bibliothekstyp | Literaturarchiv |
Ort | Weimar |
ISIL | DE-2060 |
Betreiber | Klassik Stiftung Weimar |
Website | https://www.klassik-stiftung.de/goethe-und-schiller-archiv |
Die Einweihung des extra für das Goethe- und Schiller-Archiv errichteten schlossartigen Gebäudes nahm Großherzogin Sophie am 28. Juni 1896 vor. Später folgte die Aufnahme von Nachlässen weiterer Gelehrter und Künstler. Damit gehört es zu den wichtigsten Sammlungen der deutschen Literaturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts.
Heute wird das Archiv von der Klassik Stiftung Weimar betreut. Der Nachlass Goethes zählt seit 2001 offiziell zum UNESCO-Fundus des Weltdokumentenerbes.
Archivbestände
BearbeitenDas Goethe- und Schiller-Archiv besitzt und verwaltet heute über 140 persönliche Archivbestände, hauptsächlich Nachlässe und Familienarchive von Schriftstellern, Gelehrten, Philosophen, Komponisten und bildenden Künstlern. Zudem beherbergt das Archiv 11 Bestände institutioneller Herkunft (Vereine, Verlage etc.) sowie eine umfangreiche Autographensammlung, in der ca. 3000 Autoren vertreten sind.
Die Nachlässe stammen unter anderem von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder, Ludwig Achim von Arnim, Bettina von Arnim, Leopold Schefer, Karl Immermann, Ferdinand Freiligrath, Fritz Reuter, Otto Ludwig, Friedrich Hebbel, Georg Büchner, Gustav Freytag, Karl Ludwig von Knebel, Karl Friedrich Zelter, Gerhard von Keußler, Friedrich Wilhelm Riemer, Johann Heinrich Meyer, Friedrich Justin Bertuch, Franz Liszt und Friedrich Nietzsche.
Zu den wertvollsten Archivstücken des Hauses zählen die Original-Handschriften von Goethes „Faust“ und Schillers „Demetrius“. Des Weiteren betreut das Archiv Bestände des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, der Deutschen Schiller-Stiftung, der Goethe-Gesellschaft und des Insel Verlags Leipzig (bis 1950).
Aufgrund seines Bestandsprofils hat das Archiv den Charakter eines zentralen Archivs der deutschsprachigen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts.
Archivgebäude
BearbeitenUntergebracht ist das Archiv in einem Gebäude, das im Jahre 1892 kurz nach dem Tod des letzten Goethe-Enkels Walther Wolfgang von Goethe von Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach in Auftrag gegeben wurde – dieser hatte in seinem Testament die Großherzogin zur Allein-Erbin des schriftlichen Goethe-Nachlasses bestimmt. Nach dem Vorbild des Petit Trianon, eines frühklassizistischen Lustschlosses im Park von Schloss Versailles, wurde der Archivbau zwischen 1893 und 1896 in einem parkähnlichen Gelände nahe der Ilm nach Entwürfen des Architekten Otto Minckert (1845–1900) errichtet. Die Großherzogin bestritt die geschätzten Baukosten von 400.000 Mark hauptsächlich aus ihrem Privatvermögen. Als reiner Zweckbau in einer Mischung aus Literaturarchiv und Museum sollte es die unersetzlichen Unikate der großen Dichter und Denker beherbergen. Der Lagerraum war begrenzt, weil im Keller ein Kohlenspeicher vorgesehen war und im Parterre eine Hauswartwohnung eingerichtet wurde. Das Archivgebäude wurde am 28. Juni 1896 feierlich eingeweiht.
Nach fast 120 Jahren ohne wesentliche Eingriffe in die originale Bausubstanz wurde das Archiv im Juli 2012 nach knapp vierjähriger Grundsanierung wiedereröffnet. Durch einen Erweiterungsbau sind neue Magazin- und Büroflächen entstanden, im Obergeschoss wurden Werkstätten für Restaurierung und Digitalisierung eingerichtet. Ein neuer Eingangsbereich, neue Lesesäle und ein Konferenz- und Vortragsraum sind entstanden. Die Hauptnutzfläche wurde um ca. 600 m² erweitert. Nach Ende der Bauarbeiten entsprach dies einer Raumreserve von rund 30 Prozent für künftige Erweiterungen der Bestände.[2] Der Bereich der Beletage ist im Zuge der Sanierung in Farbe, Form und Gestaltung der ursprünglichen Fassung wieder deutlich näher gerückt. Im Mittelsaal der Beletage werden wieder Ausstellungen gezeigt.
Direktoren
Bearbeiten- 1885–1887 Erich Schmidt
- 1887–1910 Bernhard Suphan
- 1900 bis 1946 als Freier Mitarbeiter: Max Hecker
- 1911 bis 1918 Wolfgang von Oettingen
- 1917–1920 Rudolf Schlösser
- 1921–1928 Julius Wahle
- 1928–1946 Hans Wahl
- 1957–1986 Karl-Heinz Hahn
- 1991–1993 Gerhard Schmid
- 1994–2007 Jochen Golz
- 2007–2020 Bernhard Fischer
- 2020–2022 Marcel Lepper
- seit April 2022 kommissarisch, offiziell seit 1. Juli 2024 Christian Hain[3]
Varia
Bearbeiten- Von 1890 bis 1897 war Rudolf Steiner Mitarbeiter des Archivs.[4]
- Anfang 2016 wurde die ehemalige Hans-Wahl-Straße in „Über dem Kegeltor“ umbenannt. Die Straße war 1949 nach dem Literaturhistoriker benannt worden. Neueren Forschungen zufolge war Hans Wahl jedoch ein Antidemokrat und Antisemit, was in der Folge zu Diskussionen geführt hatte.[5]
Literatur
Bearbeiten(chronologisch geordnet)
- Ludwig Raschdau: In Weimar als preußischer Gesandter 1894–1897. Ein Buch der Erinnerungen an deutsche Fürstenhöfe. Mittler, Berlin 1939, DNB 575719532, S. 37–38, 78–79.
- Jutta Hecker: Max Hecker oder Ein Leben für das Goethe- und Schiller-Archiv . In: Jutta Hecker: Wunder des Worts – Leben im Banne Goethes. Verlag der Nation, Berlin 1989, ISBN 3-373-00322-9, S. 82–101.
- Carel ter Haar: Grossherzogin Sophie, eine niederländische Königstochter verwaltet Goethes Erbe. Königlich-Niederländische Botschaft, Bonn 1993, DNB 940038269.
- Thüringer Archivarverband (Hrsg.): Lebensbilder Thüringer Archivare. Thüringer Archivarverband, Rudolstadt 2001, ISBN 3-00-007914-9.
- Verena Wißmann (Hrsg.): Schatzhaus der deutschen Literatur. Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2010, DNB 1052435858 (PDF).
- Karin Ellermann: Weimar den Vorzug zu sichern ... – Aus der Geschichte des Goethe- und Schiller-Archivs von 1885 bis 1945. Sutton, Erfurt 2011, ISBN 978-3-86680-843-0.
- Bernhard Fischer und Gabriele Klunkert / Klassik-Stiftung Weimar (Hg.): Goethe- und Schiller-Archiv. Klassik-Stiftung Weimar, Weimar 2012, ISBN 978-3-7443-0153-4.
- Paul Kahl: Die Weimarer Museen. Ein erinnerungskulturelles Handbuch. Sandstein, Dresden 2022, ISBN 978-3-95498-635-4, S. 83–87.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Zeitgenössische Lebensbeschreibung der Großherzogin Sophie, archivierte Webseite, abgerufen am 28. Juni 2021
- ↑ Roman Bucheli: Eine Sommerhose für Fritzchen. In Weimar ist das Goethe- und Schiller-Archiv nach umfangreichen Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten wiedereröffnet worden. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 163. Zürich 16. Juli 2012, S. 29.
- ↑ Frankfurter Allgemeine vom 28. Mai 2024: Goethe- und Schiller-Archiv hat wieder offiziellen Direktor (dpa), abgerufen am 29. Mai 2024
- ↑ Jutta Hecker: Wunder des Worts. Leben im Banne Goethes. Berlin 1989, ISBN 3-373-00322-9.
- ↑ Susanne Seide: Die Hans-Wahl-Straße heißt künftig Über dem Kegeltore. In: Thueringer-Allgemeine.de. 29. Januar 2016, abgerufen am 24. Dezember 2022.