Humane Milch-Oligosaccharide

Zuckermoleküle aus der Gruppe der Oligosaccharide

Humane Milch-Oligosaccharide (HMO, auch humane Milch-Glykane) sind unverdauliche Zuckermoleküle aus der Gruppe der Oligosaccharide, die in hoher Konzentration ausschließlich in menschlicher Muttermilch vorkommen.[1]

Vorkommen

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Humane Milch-Oligosaccharide bilden nach Fetten und Lactose den drittgrößten Anteil der „festen“ Bestandteile (die in Wasser gelöst oder emulgiert oder suspendiert vorliegen) der menschlichen Muttermilch.[2] Sie liegen in einer Konzentration von 10–25 g/L vor. Es sind circa 200 strukturell unterschiedliche humane Milch-Oligosaccharide bekannt. Die Zusammensetzung der humanen Milch-Oligosaccharide in Muttermilch ist individuell für jede Mutter und variiert über den Zeitraum der Stillzeit. Das dominierende Oligosaccharid bei 80 % aller Frauen ist die 2′-Fucosyllactose, die in einer Konzentration von circa 2,5 g/L in der menschlichen Muttermilch enthalten ist.[3] Vier weitere in großer Menge vorhandene Oligosaccharide sind Lacto-N-tetraose mit 0,94 g/L, 3-Fucosyllactose mit 0,57 g/L, 6′-Sialyllactose mit 0,39 g/L und 3′-Sialyllactose mit 0,28 g/L.[4]

Eigenschaften

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Im Gegensatz zu den weiteren Bestandteilen der Muttermilch, die durch das Stillen aufgenommen werden, sind HMOs für das neugeborene Kind selbst unverdaulich. Sie wirken jedoch präbiotisch, d. h. sie dienen als Nahrung für Darmbakterien, insbesondere für Bifidobakterien,[5] aber auch Bakterien der Abteilung Bacteroidetes.[6] Die Dominanz dieser Darmbakterien verringert die Besiedlung des Darms durch pathogene Bakterien (Probiose). Auf diese Weise sorgen sie für eine gesunde Darmflora (Darm-Mikrobiom) und senken das Risiko gefährlicher Darminfektionen.

Neuere Studien weisen zudem darauf hin, dass HMOs ebenfalls das Risiko von viralen und bakteriellen Infektionskrankheiten deutlich mindern und somit die Gefahr von Durchfall- und Atemwegserkrankungen verringern. Diese Schutzfunktion bezieht sich auf Krankheitserreger, wie bestimmte Bakterien oder Viren, welche an die an der Oberfläche der Darmzellen befindlichen Glykanrezeptoren (Rezeptoren für Mehrfachzucker an der Oberfläche von menschlichen Zellen) anbinden und darüber die Zellen der Darmschleimhaut befallen können. Forscher haben herausgefunden, dass HMOs diese Glukanrezeptoren imitieren, wodurch sich die Pathogene an die HMOs, statt an die Darmzellen, anbinden. Dies verringert die Gefahr von Infektionen durch Pathogene.[1][3]

Darüber hinaus scheinen HMOs die Reaktionen bestimmter Zellen des Immunsystems so zu beeinflussen, dass Entzündungsreaktionen minimiert werden.[1][7] Auch wird vermutet, dass HMOs das Risiko für eine Erkrankung von Frühgeborenen an der potenziell lebensbedrohlichen nekrotisierenden Enterokolitis (NEK) verringern.[1]

Einige der Metabolite wirken direkt auf das Nervensystem oder im Gehirn und können die Entwicklung und das Verhalten der Kinder zum Teil auch langfristig beeinflussen. Es gibt Studien, die zeigen, dass bestimmte HMOs das Kind mit Sialinsäureresten versorgen. Sialinsäure ist ein essentieller Nährstoff für die Entwicklung des kindlichen Gehirns und für die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten des Kindes.[1][7]

HMOs werden als Supplemente in Babynahrung angewendet, so dass auch eine Versorgung nicht gestillter Babys möglich ist.[8]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e L. Bode: Human milk oligosaccharides: every baby needs a sugar mama. In: Glycobiology. Band 22, Nummer 9, September 2012, S. 1147–1162, doi:10.1093/glycob/cws074, PMID 22513036, PMC 3406618 (freier Volltext)
  2. X. Chen: Human Milk Oligosaccharides (HMOS): Structure, Function, and Enzyme-Catalyzed Synthesis. In: Advances in carbohydrate chemistry and biochemistry. Band 72, 2015, S. 113–190, doi:10.1016/bs.accb.2015.08.002, PMID 26613816.
  3. a b Katja Parschat, Bettina Gutiérrez: Fermentativ erzeugte humane Milch-Oligosaccharide wirken präbiotisch. In: dei – die ernährungsindustrie. November 2016, S. 38.
  4. D. B. Conze, C. L. Kruger, J. M. Symonds, R. Lodder, Y. B. Schönknecht, M. Ho, S. M. Derya, J. Parkot, K. Parschat: Weighted analysis of 2′-fucosyllactose, 3-fucosyllactose, lacto-N-tetraose, 3′-sialyllactose, and 6′-sialyllactose concentrations in human milk. In: Food and Chemical Toxicology. Band 163, 2022, S. 112877, doi:10.1016/j.fct.2022.112877.
  5. K. Le Doare, B. Holder, A. Bassett, P. S. Pannaraj: Mother's Milk: A Purposeful Contribution to the Development of the Infant Microbiota and Immunity. In: Frontiers in immunology. Band 9, 2018, S. 361, doi:10.3389/fimmu.2018.00361, PMID 29599768, PMC 5863526 (freier Volltext).
  6. Mirjana Rajilić-Stojanović, Willem M. de Vos: The first 1000 cultured species of the human gastrointestinal microbiota. In: FEMS Microbiology Reviews. Band 38, Nr. 5, September 2014, S. 996–1047, doi:10.1111/1574-6976.12075.
  7. a b D. S. Newburg, Y. He: Neonatal Gut Microbiota and Human Milk Glycans Cooperate to Attenuate Infection and Inflammation. In: Clinical obstetrics and gynecology. Band 58, Nummer 4, Dezember 2015, S. 814–826, doi:10.1097/GRF.0000000000000156, PMID 26457857.
  8. Ralph Ammann: Achieving the impossible. In: European Dairy Magazine. Mai 2017, S. 30 f.