Ouroboros

bereits in der Ikonographie des Alten Ägyptens Bildsymbol einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und geschlossenen Kreis bildet
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Der Ouroboros oder Uroboros (altgriechisch Οὐροβόρος ‚Selbstverzehrer‘, wörtlich „Schwanzverzehrender“; von griechisch οὐρά ourá, deutsch ‚Schwanz‘, und bóros ‚verzehrend‘; Plural Ouroboroi bzw. Uroboroi) ist ein bereits in der Ikonographie des Alten Ägyptens belegtes Bildsymbol[1] einer Schlange oder eines Drachen, die sich in den eigenen Schwanz beißt und so mit ihrem Körper einen geschlossenen Kreis bildet. Er wird auch als Schlange der Ewigkeit bezeichnet.

Ouroboros. Zeichnung von Theodoros Pelecanos aus Synosius, einem alchemistischen Traktat aus dem Jahr 1478

Bedeutung

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Platon beschreibt in seinem Dialog Timaios als erste Lebensform auf Erden ein Kugelwesen als eine „vom Mittelpunkte aus nach allen Endpunkten gleich weit abstehende kreisförmige Gestalt, die vollkommenste Form“. Moderne Mystiker wollen das gerne als Ouroboros umdeuten, der damit als autarkes Wesen beschrieben wäre: Autark deshalb, weil es als in sich geschlossen, ohne Bezug zu oder Bedarf nach einem Außen oder einem Anderen, vorgestellt wurde. Ein Ouroboros braucht keine Wahrnehmung, da außerhalb seiner nichts existiert; keine Ernährung, da seine Nahrung die eigenen Ausscheidungen sind, und er bedarf keiner Fortbewegungsorgane, da außerhalb seiner kein Ort ist, zu dem er sich begeben könnte. Er kreist in und um sich selbst und bildet dabei den Kreis als vollkommenste aller Formen.[2]

In der alchemistischen Symbolik ist der Ouroboros das Bildsymbol eines in sich geschlossenen und wiederholt ablaufenden Wandlungsprozesses der Materie,[3] der im Erhitzen, Verdampfen, Abkühlen und Kondensieren einer Flüssigkeit zur Verfeinerung von Substanzen dienen soll. Dabei wird die zum Zirkel geschlossene Schlange oft durch zwei Wesen ersetzt, die Maul und Schwanzende verbinden, wobei das obere als Zeichen der Flüchtigkeit (Volatilität) als ein geflügelter Drache wiedergegeben ist.

Entstehung

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Erste Darstellung des Ouroboros auf dem zweiten Sarkophagschrein des Tutanchamun („Änigmatisches Unterweltsbuch“); etwa 1320 v. Chr.

Als eine Urform des Ouroboros können neolithische Leitartefakte aus Jade der Hongshan-Kultur angesehen werden. Sie werden im Chinesischen als „Schweine-Drache“ (zhulong 豬龍) bezeichnet.[4] Der nächstälteste bekannte Ouroboros erscheint auf einem der Schreine, die den Sarkophag von Tutanchamun umgaben. Später ist er mehrfach in den Zauberpapyri des hellenistischen Ägypten zu sehen.[5] Er ist ein Symbol der kosmischen Einheit, die sich in der Formel ἕν τὸ πᾶν hen to pan, deutsch ‚Eins ist Alles‘ ausdrückt, und insbesondere der Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos. So erscheint die Formel in der Chrysopoeia der Kleopatra, einem antiken alchemistischen Text, wo sie von der Form des Ouroboros umschlossen wird.

Ähnlichkeiten

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Amphisbaena in Ouroborospose

Der Ouroboros taucht nicht nur in der antiken Mythologie und Philosophie auf: Auch die weltumspannende Midgardschlange der nordischen Mythologie beißt sich, dem Gylfaginning, einem Teil der Snorra-Edda, zufolge, in den eigenen Schwanz und formt so einen Weltkreis,[6] und im „Yoga KundaliniUpanishad wird von der Kundalini-Schlange ebenfalls gesagt, dass sie ihren Schwanz in das Maul nehme.[7]

Ähnlich wie der Ouroboros (Schwanz im Maul) wird auch die Amphisbaena dargestellt. Dennoch handelt es sich dabei um ein weiteres Fabelwesen. Eine Amphisbaena ist eine Schlange oder ein Drache, welcher über einen zweiten Kopf am Schwanzende verfügt. Während beim Ouroboros der Fokus darauf liegt, dass er praktisch autark ist, liegt er bei der Amphisbaena auf der Tatsache, dass sie praktisch unbesiegbar ist, da sie sowohl nach hinten als auch nach vorne blicken und entwischen kann.

Auch in der Ursprungslegende der indischen und südostasiatischen kirtimukhas oder kalas ist von einem sich selbst verschlingenden Monsterwesen die Rede.

 
Aurora consurgens

Die Schlange auf dem Schalldeckel der barocken Kanzel (Deisenhofen) beißt sich die Gesetzestafeln umringend in den Schwanz.

Panzergürtelschweif

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Panzergürtelschweif (Ouroboros cataphractus) in seiner Verteidigungshaltung, die den Darstellungen des Ouroboros gleicht.

Der Panzergürtelschweif (Ouroborus cataphractus), eine Echse aus dem Süden Afrikas, zeigt eine Verteidigungshaltung, bei der sie ihren Schwanz mit dem Mund fasst, um so mit den stachelig wirkenden Schuppen des Schwanzes ihren Bauch zu schützen. Da diese Haltung dem Ouroboros so ähnelt, erhielt bei einer Überarbeitung der Familie der Gürtelschweife die neue Gattung, in die der Panzergürtelschweif gestellt wurde, den Namen Ouroboros.

Rezeption

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Jorge Luis Borges behandelt den Ouroboros in seiner Sammlung Einhorn, Sphinx und Salamander – Ein Handbuch der phantastischen Zoologie und zitiert seinen Kollegen Martinez Estrada, der den Ouroboros als Schlange, die am Ende ihres Schwanzes beginnt, beschreibt. Seinen Ruhm verdankt der Ouroboros laut Borges der skandinavischen Kosmogonie und dort der Prosa-Edda.[8]

Das Kunstmuseum Wolfsburg verhandelte in der Ausstellung NEVER ENDING STORIES. Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte vom 29. Oktober 2017 bis zum 18. Februar 2018 den Ouroboros als Symbol der in sich kreisenden Unendlichkeit und Ewigkeit durch die Jahrhunderte und Weltkulturen. Als Beispiel wurde u. a. eine Abbildung aus der Aurora Consurgens, einem mittelalterlichen Manuskript der Zentralbibliothek Zürich, präsentiert. In der Schau begegneten sich die Alchemie des Mittelalters, die Buchgelehrsamkeit der Renaissance, der Buddhismus, die germanische Mythologie, das abendländische Christentum und die atheistische Philosophie.

Literatur

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  • Jan Assmann: Ouroboros. Der altägyptische Mythos vom Sonnenlauf. In: Ralf Beil (Hrsg.): Never ending stories. Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kunstgeschichte. Berlin 2017, S. 58–63. Zweitveröffentlichung: PropyleumDOK am 18. September 2019, online.
  • Norbert Bischof: Das Kraftfeld der Mythen. Signale aus der Zeit, in der wir die Welt erschaffen haben (= Piper 2655). Piper, München / Zürich 1998, ISBN 3-492-22655-8 (Insbes. Zweiter Teil: Das Chaos. 6. Kapitel: Der kosmogonische Inzest S. 191–224.)
  • Waldemar Deonna: Ouroboros. In: Artibus Asiae. Band 15, 1952, S. 163–170.
  • H. B. de Groot: The Ouroboros and the romantic poets: a renaissance emblem in Blake, Coleridge and Shelley. In: English studies. A journal of English language and literature. Bd. 50, 1969, ISSN 0013-838X, S. 553–564, doi:10.1080/00138386908597350.
  • Bernhard Dietrich Haage: Das Ouroboros-Symbol im „Parzival“. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 1, 1983 (1985), S. 5–22.
  • Bernhard Dietrich Haage: Ouroboros – und kein Ende. In: Josef Domes u. a. (Hrsg.): Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung. Festschrift für Gundolf Keil zum 60. Geburtstag (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 585). Kümmerle, Göppingen 1994, ISBN 3-87452-829-4, S. 149–169.
  • Lutz Käppel: Uroboros. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/1, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01482-7, Sp. 1053.
  • Erich Neumann: Ursprungsgeschichte des Bewusstseins. Mit einem Vorwort von Carl Gustav Jung. Rascher, Zürich 1949. (Darin: Erster Teil: Die mythologischen Stadien der Bewusstseinsentwicklung. A. Der Schöpfungsmythos. I. Der Uroboros, S. 17 ff. II. Die Große Mutter oder Das Ich unter der Dominanz des Uroboros, S. 51 ff.).
  • Karl Preisendanz: Aus der Geschichte des Uroboros. In: Ferdinand Herrmann, Wolfgang Treutlein (Hrsg.): Brauch und Sinnbild. Eugen Fehrle zum 60. Geburtstag. Südwestdeutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, Karlsruhe 1940, S. 194–209.
  • Karl Preisendanz: Die Schlange der Ewigkeit. In: Die Gartenlaube. 1933, S. 669 f.
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Commons: Ouroboros – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Alexandre Piankoff: The Shrines of Tut-Ankh-Amon (= Bollingen Series 40, 2, ZDB-ID 844375-0 = Egyptian religious Texts and Representations 2). Pantheon Books, New York NY 1955, Taf. 48.
  2. Platon: Timaios 33.
  3. Vgl. auch Harry J. Sheppard: The Ouroboros and the unity of matter in alchemy. A study in origins. In: Ambix. Band 10, 1962, S. 83–96.
  4. Elizabeth Childs-Johnson: Jades of the Hongshan culture: the dragon and fertility cult worship. In: Arts Asiatiques. 46. Jahrgang, 1991, S. 82–95, doi:10.3406/arasi.1991.1303.
  5. Karl Preisendanz (Hrsg.): Papyri Graecae magicae. = Die griechischen Zauberpapyri. 2 Bände. 2., verbesserte Auflage, durchgesehen von Albert Henrichs. Teubner, Stuttgart 1973–1974, siehe dort 7, col. 17 und 1, 145 f.; 12, 203 f.; 12, 274 f.; 36, 184.
  6. Gylfaginning 34
  7. Yoga Kundalini Upanishad 1.82-84 engl. Übersetzung
  8. Jorge Luis Borges: Einhorn, Sphinx und Salamander. Ein Handbuch der phantastischen Zoologie. Unter Mitarbeit von Margarita Guerrero, aus dem Spanischen von Ulla de Herrera. Carl Hanser Verlag, München 1964.