Sozialgeheimnis

bereichsspezifische Datenschutz-Regelungen im deutschen Sozialrecht
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Der Begriff Sozialgeheimnis oder Sozialdatenschutz bezeichnet die bereichsspezifischen Datenschutz-Regelungen im deutschen Sozialrecht. Das Sozialgeheimnis konkretisiert das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für den Bereich der öffentlichen Sozialleistungsträger und anderer Stellen, die mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten betraut sind. Gesetzlich geregelt ist in Deutschland das Sozialgeheimnis im § 35 SGB I in Verbindung mit den §§ 67 ff. SGB X.

Verhältnis zum allgemeinen Datenschutzrecht des Bundes und der Länder

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Die Datenschutznormen des Sozialgesetzbuchs gehen aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz als spezielle Datenschutznormen dem allgemeinen Datenschutzrecht des Bundes vor. Gleiches gilt entsprechend für die Datenschutzgesetze der Länder, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen aufgrund § 2 Abs. 3 DSG NRW. Die allgemeinen Datenschutzbestimmungen greifen nur, sofern es keine spezielle Regelung im Sozialgesetzbuch gibt.

Adressaten des Sozialdatenschutzes

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Die Vorschriften des Sozialdatenschutzes richten sich an die Sozialleistungsträger oder an die anderen in § 35 SGB I genannten Stellen. Die Sozialleistungsträger sind in §§ 18 bis 29 SGB I genannt, also z. B. die Träger der Sozialversicherung, die Träger der Jugendhilfe, der Grundsicherung für Arbeitssuchende, der Sozialhilfe. Der Sozialdatenschutz ist allerdings nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs zu beachten. Er gilt beispielsweise nicht für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern bei den o. g. Stellen, oder in eigenwirtschaftlichen Vertragsverhältnissen der o. g. Stellen (z. B. Mietverträge, die eine Krankenkasse für ihre Geschäftsräume abgeschlossen hat).

Der Anspruch auf Wahrung des Sozialgeheimnisses steht jeder Person zu, von der eine der o. g. Stellen Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt. Diese Person muss keinen Antrag auf Sozialleistungen gestellt haben. Das Sozialgeheimnis gilt auch für Personen, deren Daten als Unbeteiligte zufällig von einer der o. g. Stellen erhoben worden sind, z. B. wenn vor einem Jugendamt Namen von Mitschülern eines Kindes genannt werden.

Sozialdatenschutz bei freien Trägern

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Die Vorschriften des Sozialdatenschutzes gelten nicht für freie Träger, wie z. B. die Träger der freien Wohlfahrtspflege, wie sich als Umkehrschluss aus § 35 SGB I ergibt. Die Vorschriften gelten auch dann nicht, wenn freie Träger Leistungen erbringen und von den Sozialleistungsträgern die Kosten erstattet bekommen. Die Kirchen haben in Deutschland aufgrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zum Teil eigene Datenschutz-Regelungen getroffen, wie z. B. die Anordnung über den kirchlichen Datenschutz der röm.-kath. Kirche. Die Pflicht zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten ergibt sich auch aus Nebenpflichten der Verträge, die freie Träger als Anbieter von sozialen Dienstleistungen mit den Leistungsempfängern abschließen. Für bestimmte Berufsgruppen gilt auch bei freien Trägern uneingeschränkt die strafrechtliche Schweigepflicht nach § 203 StGB. Außerdem erstreckt § 78 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB X das Sozialgeheimnis auch auf Dritte wie private Leistungserbringer. Dies gilt allerdings nur, soweit diese Daten von einem Sozialleistungsträger übermittelt wurden. Daten, die etwa von dem freien Träger selbst erhoben wurden, sind nicht erfasst.

Geschichte

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Ursprünglich bezeichnete das Sozialgeheimnis ein besonderes Amtsgeheimnis, das den Sozialleistungsträgern gegenüber ihren Versicherten und Leistungsempfängern oblag. Deren persönliche Daten sollten – sofern sie als geheimhaltungsbedürftig anzusehen waren – durch das Sozialgeheimnis vor Missbrauch geschützt werden.

Empfänger von Sozialleistungen sollten bezüglich des Geheimnisschutzes nicht schlechter gestellt werden, als Personen, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen waren.

Begründet wurde die Notwendigkeit des Sozialgeheimnisses damit, dass die Sozialleistungsträger zur Erfüllung ihrer Aufgaben teilweise höchst detaillierte und intime Informationen benötigen. Beispielsweise erheben und speichern die Krankenkassen Gesundheitsdaten der bei ihnen versicherten Personen. Das Sozialgeheimnis soll sicherstellen, dass diese Daten nicht an Unbefugte, zum Beispiel im Rahmen von Amts- und Rechtshilfeersuchen innerhalb der Verwaltung oder an andere Stellen außerhalb der Verwaltung weitergegeben werden.

In den 1980er Jahren wandelte sich in Deutschland das Verständnis des Datenschutzes und damit auch des Sozialgeheimnisses: Das Bundesverfassungsgericht stellte im so genannten Volkszählungsurteil klar, dass es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung keine belanglosen Informationen mehr gibt. Jede bei isolierter Betrachtung unbedeutende Information kann im Kontext mit anderen Informationen plötzlich doch Bedeutung erlangen. Seitdem ist es für den Datenschutz nicht mehr ausschlaggebend, ob eine Information Geheimnischarakter hat oder nicht.

Der Gesetzgeber definierte daraufhin in § 35 SGB I den Begriff des Sozialgeheimnisses neu. Sozialgeheimnis ist heute der Anspruch des Einzelnen, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Sozialleistungsträgern nicht unbefugt erhoben, gespeichert, verarbeitet, verändert, übermittelt, gelöscht und genutzt werden. Ob diese Daten geheim oder offenkundig sind, ist für das Sozialgeheimnis unerheblich.

Literatur

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  • Utz Krahmer (Hrsg.): Sozialdatenschutz nach SGB I und X. Kommentar. 3., neu bearbeitete Auflage. Luchterhand, Köln u. a. 2011, ISBN 978-3-472-07865-4.