Albert Ernst (Offizier)
Albert Ernst (1944)
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Albert Ernst (geboren 15. November 1912 in Fallersleben; gestorben 21. Februar 1986 in Iserlohn) war ein deutscher Offizier der Wehrmacht. Seine Rolle bei der kampflosen Übergabe der Stadt Iserlohn an US-amerikanische Truppen im April 1945 wird kontrovers beurteilt.
Biografie
BearbeitenAlbert Ernst, seit 1930 Soldat der Reichswehr, war bei Beginn des Zweiten Weltkriegs bei der Panzertruppe eingesetzt. Im Dezember 1943 schoss Ernst bei Witebsk mit einem Panzerjäger „Nashorn“ an einem Tag 14 sowjetische Panzer ab.[1] Für diese Leistung wurde ihm im Januar 1944 das Ritterkreuz verliehen. Bis zum Sommer 1944 stand er im Rang eines Leutnants und Zugführers der schweren Panzerjäger-Abteilung 519. Im Februar 1945 wechselte er als Oberleutnant zur 1. Kompanie der in Paderborn (Senne) neu aufgestellten schweren Panzerjäger-Abteilung 512. Diese war mit dem Jagdpanzer VI Jagdtiger ausgerüstet und, so Ralf Blank, eine der „wenigen noch wirklich ‚schlagkräftigen‘ deutschen Einheiten im ‚Ruhrkessel‘.“[2] Ernsts Kompanie nahm an den Kämpfen um die Rheinbrücke bei Remagen teil und wurde Ende März in den Norden des Ruhrkessels verlegt. Nach Einsätzen in Unna überquerte sie die Ruhr und zog sich ins Sauerland zurück.[3]
Im April 1945 hielten sich im Raum Iserlohn zahlreiche Wehrmachtseinheiten auf; die meisten von ihnen, auch die Panzerjäger-Abteilung 512, unterstanden dem LIII. Armeekorps. Generalleutnant Fritz Bayerlein und sein Stab kamen zu der Einschätzung, dass der von den Spitzen des NS-Staates ebenso wie von der regionalen Heeresleitung befohlene Widerstand bis zum Letzten nicht durchführbar war. Deshalb kontaktierte Bayerlein am 15. April die amerikanische Divisionsführung und kapitulierte am folgenden Tag mit allen ihm unterstellten Einheiten in Menden, wo sich das Hauptquartier der 7th Armored Division befand. Damit waren die Kampfhandlungen auch in der Nachbarstadt Iserlohn eingestellt, was dort aber offensichtlich beiden Kriegsparteien nicht bekannt war.
Nach einem mehrfach von amerikanischen Militärs in der Endphase des Zweiten Weltkriegs befolgten Muster stellten Offiziere der 99th Infantry Division Vertretern der Stadt Iserlohn ein Ultimatum: Sollte die Stadt, welche bisher kaum Kriegsschäden aufwies, nicht bedingungslos übergeben werden, würde sie durch Bombardierung und Artilleriebeschuss zerstört. An den Beratungen im Iserlohner Rathaus nahmen neben Vertretern von Bürgerschaft und Stadtverwaltung auch Otto Perl, Major der Schutzpolizei, und Oberleutnant Albert Ernst teil. Die Details sind unklar, sowohl Perl als auch Ernst beanspruchten später für sich, für die Übergabeverhandlungen verantwortlich zu sein. Eindeutig ist hingegen aufgrund zeitgenössischer Fotos, dass Ernst eine „ehrenvolle“ Kapitulation zugestanden wurde, woraufhin er die ihm unterstellten Jagdpanzer vom Rathausplatz zum Schillerplatz auffahren ließ und seinen Soldaten eine Ansprache hielt. Blank betont, dass die eindrucksvoll inszenierte Übergabe der Panzerkompanie durch Ernst nach der Kapitulation Bayerleins bedeutungslos gewesen sei. Die von den städtischen Behörden im Rathaus vollzogene Übergabe der Stadt sei ein davon zu unterscheidender Vorgang, der sich aber in der kollektiven Erinnerung mit Ernsts Maßnahmen verbunden habe.[4] Major Perl dagegen hatte noch im März 1945 einen wegen Fahnenflucht verurteilten deutschen Soldaten erschossen. Er musste sich deswegen 1949 vor dem Landgericht Hagen verantworten und wurde zu einer sechsjährigen Zuchthausstrafe verurteilt.[5]
Nachdem sich Ernst 1947 in Iserlohn niedergelassen hatte, integrierte er sich als Besitzer einer Fahrschule erfolgreich in die städtische Gesellschaft. Er stellte seine Rolle als Retter Iserlohns auch auf Vorträgen dar. Dem widersprach Major Perl, nachdem er aus der Haft entlassen worden war. Als Identifikationsfigur habe sich der Ritterkreuzträger und Wehrmachtsoffizier Ernst für die kollektive Erinnerung in Iserlohn aber stärker empfohlen als der durch ein Kriegsendphaseverbrechen belastete ehemalige Polizeibeamte, urteilt Blank.[6]
Literatur
Bearbeiten- Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen. In: Westfälische Forschungen, Band 55 (2005), S. 361–421.
- Hans-Jürgen Burgard: Das Kriegsende in Iserlohn (16. April 1945). In: Der Märker, Band 34 (1985), H. 2, S. 73–78.
- Willi Mues: Der große Kessel. Eine Dokumentation über das Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr/Sieg und Lenne. Erwitte 1984.
- Wolf R. Seltmann: The Bubble Burst. Studie zum Kriegsende in Iserlohn am 16. April 1945. 2007.
Weblinks
Bearbeiten- Stefan Drees: Hauptmann Albert Ernst mit keinem Wort erwähnt. In: IKZ, 20. August 2008.
- Christoph Schulte: Blick ins Stadtspiegelarchiv: Leser erinnern sich an letzte Kriegstage. In: Stadtspiegel, 16. April 2020.
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Panzerjäger Nashorn – Todesfalle trotz der mächtigen Acht-Acht-Kanone. 18. Februar 2022, abgerufen am 15. Oktober 2024.
- ↑ Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen, 2005, S. 379.
- ↑ Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen, 2005, S. 379 Anm. 77.
- ↑ Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen, 2005, S. 378–380.
- ↑ Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen, 2005, S. 375 Anm. 64.
- ↑ Ralf Blank: Kriegsendphase und „Heimatfront“ in Westfalen, 2005, S. 375.
Personendaten | |
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NAME | Ernst, Albert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Offizier der Wehrmacht |
GEBURTSDATUM | 15. November 1912 |
GEBURTSORT | Fallersleben |
STERBEDATUM | 21. Februar 1986 |
STERBEORT | Iserlohn |