Belsatzar

Gedicht von Heinrich Heine (1820)

Belsatzar/Belsazar ist eine Ballade von Heinrich Heine aus dem Jahre 1820. Sie gehört zu dem zwischen 1817 und 1821 entstandenen Gedichtzyklus Junge Leiden, der 1827 im Buch der Lieder erschien.[1] Das Gedicht gibt eine leicht abgewandelte biblische Erzählung aus dem Buch Daniel wieder: Belsazar, der König von Babylon, lästert über Jehova, den Gott der Juden. Daraufhin erscheint eine geheimnisvolle Flammenschrift an der Wand. In der biblischen Vorlage enthüllt der Prophet Daniel das Menetekel als Urteil Gottes und prophezeit dem Herrscher den baldigen Untergang. In Heines Version hingegen tritt der Prophet nicht auf und der Sinn der rätselhaften Schrift bleibt unverständlich. Dennoch wird Heines Belsatzar von seinen eigenen Knechten getötet.

Die biblische Szene, die Heine zu seinem Gedicht inspiriert hat, auf Rembrandts Gemälde Das Gastmahl des Belsazar von 1635
Darstellung von Edmund Brüning aus dem Buch der Lieder

Belsatzar

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben, in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Troß,

Dort oben, in dem Königssaal,
Belsatzar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reih’n,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Muth.

Und blindlings reißt der Muth ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Die Knechtenschaar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand’.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! dir künd’ ich auf ewig Hohn, –
Ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und todtenblaß.

Die Knechtenschaar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

Entstehung

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Es wird angenommen, dass Heine nach einer Lesung des ins Deutsche übersetzten Gedichtes Vision of Belshazzar von Lord Byron seine Romanze niederschrieb.[2] Günther Hartung nennt alten Volksballaden nachgebildete Gedichte Herders und der schwäbischen Romantiker und speziell Justinus Kerners Die traurige Hochzeit wegen der metrisch ähnlichen Anfangsverse als Vorbilder für das Gedicht.[3]

Das Gedicht besteht aus 21 Strophen mit je zwei Versen, die durchgängig im Paarreim gehalten sind. Das Versmaß, in der Regel ein jambischer Vierheber, endet mit einer männlichen Kadenz. Ausnahmen – mit Anapäst statt der erwarteten Jamben – sind der vierzehnte und fünfzehnte Vers, darin der König gegen Gott frevelt („Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort. // Und er brüstet sich frech, und lästert wild“) sowie die Strophen 10, 11 und 12.

Hintergrund der Handlung ist DanEU.

Literatur

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  • Ingo Müller: Das Flackern der Zeichen. Identität und Alterität in Heinrich Heines „Belsatzar“-Romanze. In: Zeitschrift für Germanistik, 30. Jahrgang 2020, Heft 2, S. 437–454.
  • Ingo Müller: Maskenspiel und Seelensprache. Zur Ästhetik von Heinrich Heines „Buch der Lieder“ und Robert Schumanns Heine-Vertonungen. Band 2: Heinrich Heines „Buch der Lieder“ und Robert Schumanns Heine-Vertonungen. Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-96821-009-4, S. 466–505.
  • Helmut Christmann: Heinrich Heine. Belsazer. In: Rupert Hirschenauer, Albrecht Weber (Hrsg.): Wege zum Gedicht. Band II: Interpretation von Balladen. München / Zürich 1963, S. 261–266.
  • Kurt Abels: „Belsatzar“ von Heinrich Heine. In: Karl Hotz (Hrsg.): Gedichte aus sieben Jahrhunderten. Interpretationen. Bamberg 1987, S. 124–128.
  • Katharina Mommsen: Heines lyrische Anfänge im Schatten der Karlsbader Beschlüsse. In: Alexander Bormann (Hrsg.): Wissen aus Erfahrung. Werkbegriffe und Interpretationen heute. Festschrift für Herman Meyer zum 65. Geburtstag. Tübingen 1976, S. 453–473.
  • Kurt Bräutigam: Heinrich Heine. Belsazar. In: Kurt Bräutigam (Hrsg.): Die Deutsche Ballade. Wege zu ihrer Deutung auf der Mittelstufe. 5. Auflage, Frankfurt am Main 1971, S. 90–98.
  • Peter von Matt: Knalleffekt und Raffinesse. In: Peter von Matt: Die verdächtige Pracht. Über Dichter und Gedichte. 2. Auflage, München 2005, S. 119–121.
  • Winfried Freund: Heinrich Heine. Belsazar. In: Winfried Freund: Die Deutsche Ballade. Theorie, Analysen, Didaktik. Paderborn 1978, S. 73–80.
  • Winfried Woesler: Zu Heinrich Heines „Belsatzar“. In: Gunter E. Grimm: Gedichte und Interpretationen. Deutsche Balladen. Stuttgart 1988, S. 180–195.

Rezeption

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Robert Schumann vertonte das Gedicht unter Op. 57. Belsatzar gehört mit den Gedichten Die Loreley und Die Grenadiere zu den bekanntesten Balladen des Dichters.

Eine Betrachtung zur Flammenschrift an der Wand gibt auch der Germanist Oliver Bernhardt im Werk 5300 Jahre Schrift auf den Seiten 142–145.[4]

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Wikisource: Belsatzar (1827) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Heinrich Heine: Buch der Lieder. Insel 1981, ISBN 3-458-14792-6.
  2. Lydia Fritzlar: Heinrich Heine und die Diaspora. Der Zeitschriftsteller im kulturellen Raum der jüdischen Minderheit. Gruyter 2012, S. 110.
  3. Günter Hartung: Juden und deutsche Literatur. Zwölf Untersuchungen seit 1779, mit einer neu hinzugefügten „Jüdische Themen bei Kafka“. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2006, ISBN 978-3-86583-020-3, S. 119.
  4. Michaela Böttner, Ludger Lieb, Christian Vater, Christian Witschel (Hrsg.): 5300 Jahre Schrift. Wunderhorn, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-88423-565-2 (Open Access).