Das Iringlied (auch Iringsage) ist ein Heldenlied, dessen Ursprung im Frühmittelalter, womöglich auch in der ausgehenden Spätantike vermutet wird. Von Mediävisten wird es als „verlorene Heldensage" [1] eingeordnet, da der Originaltext bis heute nicht gefunden werden konnte. Die Vermutung, dass es einmal jenes Werk in Form von heroisch-dichterischen Versen gegeben haben muss, ist selbst fast 200 Jahre alt und geht auf den Literaturwissenschaftler Jacob Grimm zurück.[2]

Überlieferungen

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Die wichtigste Quelle sind die über 400 Jahre nach den beschriebenen Ereignissen verfassten Res gestae Saxonicae, eine Chronologie der sächsischen Geschichte des Mönches Widukind von Corvey.[3] Dieser "kunstvoll komponierte Text"[4] führte die Überlegungen der Historiker zu einer noch kunstvolleren Vorlage, die sich in mündlicher Überlieferung oder gar als schriftlich festgehaltenes Verslied bis in jene Zeit erhalten habe.

In den Quedlinburger Annalen findet die Iringsage ein weiteres historisches Fundament, allerdings ist umstritten, ob der einschlägige Abschnitt 'unabhängigen' Quellen entstammt oder die Chronistin bzw. der Chronist aus den 10 Jahre zuvor entstandenen Res gestae Saxonicae abgeschrieben hat. Die konkrete Handlung ist bereits hier stark zusammengefasst, die im entsprechenden Abschnitt beschriebenen Geschehnisse enthalten keine Beschreibungen, die nicht auch in der sächsischen Quelle vorhanden sind.

Weitere Erwähnungen findet der Stoff in der Weltchronik des Mönches Frutolf von Michelsberg und der Herkunftserzählung 'De Origine Gentis Swevorum', der Geschichte vom Ursprung der Schwaben.

Handlung

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Als der Frankenkönig Chlodwig nach vielen Eroberungskriegen starb, hinterließ er vier Söhne, von denen Dietrich der Älteste war und bis zur Erbaufteilung das Reich zusammenhielt. Dieser schickte Boten an Irmenfried, König von Thüringen, welche von diesem Freundschaft versichert haben wollten und zum Erbmahl des neuen fränkischen Königs einluden. Hiervon erfuhr Amalaberga, Schwester von Dietrich und Gemahlin des Thüringers, und rief den königlichen Gefolgsmann und Ratgeber Iring, „ein Mann ebenso schlau und wortgewaltig wie löwenkühn“ [5] (Übersetzung von Gustav Neckel), zu sich. Sie erinnerte ihn an ihr Verwandtschaftsverhältnis mit dem fränkischen Königshaus – als Tochter Chlodwigs hatte auch sie Anspruch auf einen Anteil am Erbe – und schickte Iring zu König Irmenfried. Vom Rat seines Gefolgsmanns bestärkt, sprach Irmenfried zu den fränkischen Boten, Dietrich solle selbst erscheinen und seiner Gemahlin das Erbrecht abkaufen. Der oberste Gesandte gab zur Antwort: „Mein Herr wird kommen, wie du wünschest, König, und wenn sein Gold nicht schwer genug ist, so legt er dir noch einen Berg von Thüringerköpfen auf die Waage!“ [5]. Als der Frankenkönig die Worte des Irmenfried vernahm, rüstete er zum Krieg und zog mit seinem Heer nach Thüringen.

Irmenfried eilte den Franken mit seinen Truppen entgegeben, und kurz nach ihrer Begegnung entbrannte eine Schlacht. Nach zwei Tagen des Kampfes griffen die Sachsen als Bundesgenossen Dietrichs in die Schlacht ein, die Thüringer zogen sich zur Veste Scheidungen an der Unstrut zurück. Iring wurde als Unterhändler zu Dietrich geschickt, um die Bedingungen der Kapitulation auszuhandeln. Dieser blieb jedoch unnachgiebig, und erst als Iring ausschließlich um Schonung von Dietrichs Schwester Amalaberga bat, war der König zum Friedensschluss bereit. Der Ratgeber machte auf den Franken einen so großen Eindruck, dass er ihn in einer geheimen Unterredung fragte, ob er sein Diener werden wolle. Der Dienst für seine Gnade, sein Gold und die zahlreichen Ehren wie Güter sei das Hervorlocken von Irmenfried aus seiner Burg und anschließend seine Enthauptung, sobald er als Zeichen der Niederlage vor Dietrich knien würde. Iring, der seinen König bereits als gefallenen Mann betrachtete, stimmte schweren Herzens zu. Das Vertrauen des Thüringerkönigs nutzend, ließ er Irmenfried im Glauben seiner Sicherheit zu Dietrichs Heerlager kommen. Dort schlug er seinem alten Herrn den Kopf ab, als er auf Knien dem Frankenkönig seine Demut bezeugte. Dietrich verurteilte sofort vor seinen Mannen die Tat und sagte, dass ihn niemand dafür belohnen werde. Wort- und waffengewaltig setzte sich Iring zur Wehr und tötete Dietrich, legte den Leichnam von Irmenfried darüber und erklärte seinen König für gerächt. "Und mit dem Schwerte sich eine Gasse bahnend, ging er davon." [5]

Bezug zur gesicherten Geschichte

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Wappen der Thüringer Könige lt. dem Stammbuch von Sachsen (1546)

Der Untergang des Thüringerreiches wird auf das Jahr 531 datiert, dessen unmittelbare Ursache in einem verlorenen Krieg gegen Franken gesehen wird. Besonders ausschlaggebend scheint hierfür eine verlorene Schlacht an den Ufern der Unstrut gewesen zu sein, wobei allerdings umstritten ist, auf wessen Seite die Sachsen standen. Ebenso wird die Veste Scheidungen als Austragungsort der Kämpfe angezweifelt.

 
Dunkelgrün: Austrasien, östlich davon Thüringen

Der König von Iring kam nicht durch die Hand des eigenen Dieners um, sondern wurde nach Angaben Gregor von Tours’ drei Jahre später unter einem Vorwand zu Verhandlungen mit den fränkischen Merowingern unter Chlothar I. nach Zülpich gelockt und dort von den Festungsmauern gestürzt. Der Geschichtsschreiber merkt hierzu an: A nesquio quo (lat. für ‚Man weiß nicht von wem‘). Die Unklarheit über den Mörder und die nach damaligem Verständnis sehr unehrenhaften Umstände des Todes von Herminafried haben die Legendenbildung möglicherweise entscheidend begünstigt.

Theuderich I. sicherte unmittelbar nach dem Tod Chlodwigs den Bestand des gesamtes Frankenreiches. Nach der Erbteilung erhielt er den an das Königreich Thüringen grenzenden Ostteil des damaligen Frankrenreichens (später ‚Austrasien‘ genannt) und benötigte die Unterstützung seines Halbbruders Chlothar I., um einen Feldzug führen zu können. Auch der Anlass des Krieges ist durch die Herkunft Theuderichs I. inspiriert: Iring nennt ihn in seiner Rede an Irmfried einen „Mägdesohn“ als auch „leibeigenen Knecht“ und spielt damit auf dessen Mutter an, die im Gegensatz zu Chrodechild, der Mutter seiner drei Halbbrüder, keine Adlige war.

Amalaberga war nicht die Schwester von Theuderich I., sondern die Nichte von Theoderich dem Großen. Herminafried hatte durch sie also keine Ansprüche auf die fränkische Krone, sondern auf den Beistand der Italien beherrschenden Ostgoten, welche von ihrer Cousine Amalasuntha regiert wurden.

Parallelen zum Nibelungenlied

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Sowohl im hochmittelalterlichen Nibelungenlied wie auch in der Bearbeitung von Friedrich Hebbel spielen die Krieger Iring und Irnfrit[6] bzw. Iring und Thüring eine Rolle in der Schlacht am Hof des Hunnenkönigs, in der mittelalterlichen Originalversion als Verbündete von Etzel und damit auch eines Dietrichs, nämlich König Dietrichs von Bern, der in vielen Interpretationen mit Theoderich dem Großen gleichgesetzt wird.

Iring ist einer der Namen des Asen Heimdall, dem Gott des Schutzes und des Lichts in der nordischen Mythologie. Aus dieser Benennung leitet sich auch der Iringsweg ab, ein alter Name der Milchstraße.

Ein fränkischer Adeliger mit dem Namen Iring vermachte dem Kloster Fulda im Jahre 822 – rund 150 Jahre vor dem Erscheinen der Res gestae Saxonicae – die Iringsburg. Diese liegt im ehemaligen Grenzbereich der Königreiche Thüringen und Franken, je nach historischer Auffassung könnte sie Teil des Thüringerreiches gewesen sein und der fränkische Edelmann somit der Namenspatron des Irings des Sage.

Der Skandinavist Felix Genzmer hat den Versuch einer epischen (Re-)Konstruktion unternommen und mittels seiner Kenntnisse des Althochdeutschen eine 'moderne' Versform des Liedes verfasst. [7]

Literatur

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Quelle

  • Widukind von Corvey: Res gestae Saxonicae. Reclam, Stuttgart 1992, (Universal-Bibliothek Nr. 7699).

Sekundärliteratur

  • Wilhelm HeizmannThüringer. §4 Thüringische Heldensage. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 30, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018385-4, S. 530–535.
  • Hilkert Weddige: Heldensage und Stammessage. Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1989, ISBN 3-484-15061-0, (Hermaea N. F. 61, ISSN 0440-7164).
  • Felix Genzmer: Vier altdeutsche Heldenlieder. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1953,(Libelli Bd. 9).
  • Hermann Schneider: Germanische Heldensage. Englische Heldensage – Festländische Heldensage in Nordgermanischer und Englischer Überlieferung – Verlorene Heldensage. Band II, 2. de Gruyter, Berlin/Leipzig 1934. (Grundriss der Germanischen Philologie; 10,3)
  • Heiko Uecker: Germanische Heldensage. J. B. Metzler, Stuttgart 1972, ISBN 3-476-10106-1. (Sammlung Metzler; 106)
  • Klaus von See: Germanische Heldensage: Stoffe, Probleme, Methoden. 2. unveränderte Auflage, Athenaion, Wiesbaden 1981, ISBN 3-7997-7032-1.
  • Hilkert Weddige: Heldensage und Stammessage: Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung. (= Hermaea Neue Folge Band. 61). Max Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-15061-0 , ISSN 0440-7164.
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Einzelnachweise

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  1. Titelblatt einer Vorlesung der Uni Göttingen im Wintersemester 2008/09
  2. Jakob Grimm: Deutsche Mythologie, Band 1, Göttingen, 1854, Dieterichsche Buchhandlung, S.332
  3. Res Gestae Saxonicae, Kapitel 9 (IX.) bis 13 (X.III) des ersten Buches, lateinische Sprache
  4. Buchbesprechung von Klaus Graf über "Hilkert Weddige, Heldensage und Stammessage. Iring und der Untergang des Thüringerreiches in Historiographie und heroischer Dichtung"
  5. a b c Germanisch-Romanische Monatsschrift, 2. Ausgabe 1910, S.12-13
  6. Nibelungenlied auf der Website der Badischen Landesbibliothek, Vers 2083 ff.
  7. Felix Genzmer: Vier altdeutsche Heldenlieder. Darmstadt, 1953, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 1953