Aerogele sind kolloidale Substanzen geringer Dichte und hoher Porosität. Sie bestehen nur zu circa einem bis fünfzehn Prozent aus einem Feststoff, während der Rest ihres Volumens durch das sie umgebende Gas bzw. auch Vakuum ausgefüllt wird.
Es gibt verschiedene Arten von Aerogelen, wobei zwar solche auf Silikatbasis am häufigsten sind, andere Formen beispielsweise auf Kunststoff- oder Kohlenstoffbasis jedoch ebenso ebenfalls Verwendung finden. Im Prinzip kann man jedwedes Metalloxid, Polymer und diverse andere Stoffe als Ausgangsbasis für die Aerogelsynthese mittels eines Sol-Gel-Prozesses heranziehen.
Eigenschaften und Struktur
BearbeitenAerogele weisen eine stark dendritische Struktur auf, also eine Verästelung von Partikelketten mit großen Zwischenräumen in Form von offenen Poren. Diesen Ketten sind durch viele Kontaktstellen gekennzeichnet, so dass sich letztendlich das Bild eines stabilen Netzes ergibt. Die einzelnen Partikel sind dabei rund ein bis zehn Nanometer groß, der Abstand zwischen den Ketten beträgt rund 10 bis 100 nm und die Poren besitzen einen Durchmesser von 3 nm bis 30 nm. Dies resultiert in einer sehr hohen spezifischen Oberfläche SV von grob 2•109 m2/m3.
Aufgrund dieser Struktur haben Aerogele mit näherungsweise 0,02 W/mK eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit, was ihnen bemerkenswerte Eigenschaften als Wärmeisolatoren verleiht. Silikat-Aerogele können nicht von flüssigen Metallen benetzt oder chemisch angegriffen werden, sie sind also ihnen gegenüber chemisch inert. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 1200 °C. Eine weitere Eigenschaft, welche sich ebenfalls hieraus ergibt, ist die geringe Schallgeschwindigkeit und damit verknüpft auch die geringe akustische Feldimpedanz innerhalb von Aerosolen, welche nach Messungen eines Labors der Universität Würzburg sogar noch unter den Werten der Luft liegen. Auch zeigt sich eine sehr hohe Zustandsdichte, was mit einer stark erhöhten spezifischen Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen verbunden ist. Die genauen Stoffeigenschaften hängen jedoch von der gewünschten Verwendung ab und können daher je nach Ausgangsmaterial und Herstellungsprozess stark voneiander abweichen.
Aerogele halten 15 Einträge im Guinness-Buch der Rekorde für Materialeigenschaften, inklusive „bester Isolator“ und „leichtester Feststoff“ bzw. Feststoff mit der geringsten Dichte (ca. 3 mg / cm³). Sie kann mehr als das 2000-fache seines Eigengewichtes an Auflast tragen ohne zu kollabieren.
Ein Silkat-Aerogel, das einzig derzeit auf dem Markt erhältliche Aerogel, erscheint vor dunklem Hintergrund milchig-blau, weil das Siliziumdioxid die kürzeren Wellenlängen (das heißt die blauen Anteile des weißen Lichts) mehr streut als die längerwellige Strahlung. Dieser Effekt lässt sich in Form der Rayleigh-Streuung auch beim Tageslicht in der Erdatmosphäre beobachten. Trotz seiner durchsichtigen Erscheinung fühlt sich das Aerogel wie harter Plastik-Schaum an. Aufgrund dieser Eigenschaft erscheinen sie matt bis durchsichtig (siehe Abbildungen rechts) und tragen daher auch die Beinamen „gefrorener Rauch“ oder „blauer Rauch“.
Geschichte
BearbeitenBei den Aerogelen handelt es sich um eine recht junge Gruppe von Stoffen, die durch ihre besonderen Eigenschaften und insbesondere deren große Spannweite je nach Ausgangsmaterial, Herstellungsprozess und den dabei herrschenden Bedingungen in den Fokus der Materialforschung gerückt sind. Mit der Entdeckung des Lotuseffektes und seiner Erforschung durch die Bionik erschienen in den 90er Jahren völlig neue Werkstoffe mit gerade revolutionär neuen Eigenschaften denk- und auch realisierbar. Da sich deren Eigenschaften gezielt beeinflussen lassen spricht man auch von einem Materialdesign, wobei dieser Begriff im Falle der Aerogele außerordentlich zutreffend ist.
Die Geschichte der Grundlagenforschung zu den Aerogelen liegt jedoch länger zurück als deren Entdeckung
Herstellung
BearbeitenAerogele werden hergestellt, indem ein Gel aus einem gallertartigem Stoff, meist Silikon, unter extremen Bedingungen getrocknet wird. Die erstmalige Synthese von Silikat-Aerogelen gelang Steven Kistler in den Jahren 1931/32. Er entwickelte als Erster eine Methode um Gele zu trocken, ohne das diese dabei eine Schrumpfung aufwiesen.
Silikat-Aerogel nach Kistler
BearbeitenKistler nutzte Natriumsilicat, das er mit Wasser vermischte und so eine Lösung herstellte. Nach der Zugabe der als Katalysator wirkenden Salzsäure fielen mit der Zeit Teilchen aus, welche sich bedingt durch die Brownsche Molekularbewegung unkoordiniert in der Lösung verteilten und dabei auch zusammenstießen. Durch die allmähliche Haftung aggregierten sich diese Teilchen mit der Zeit und binnen ungefähr eines Tages resultierte ein Gel mit netzwerkartigen Struktur. Aus diesem wurden die Säurereste mit Wasser ausgespült (Aquagel) und es folgte eine Versetzung mit Alkohol (Alkogel). Dieser Schritt ist notwendig, da das Wasser ansonsten im weiteren Prozessverlauf die Gelstruktur wieder zerstören würde. Verdunstet der Alkohol langsam, so bilden sich aufgrund der wirkenden Oberflächenkräfte Menisken aus, welche sich hiernach in das Gel „eingraben“ und in diesem eine gangartige Struktur bedingen. Damit verbunden wäre eine Schrumpfung des Gels und als Ergebnis ein poröses Gefüge mit ungefähr 50 % Porenanteil, was es jedoch gerade zu vermeiden galt. Kistler nutzte zur Trocknung daher einen Autoklaven und erhöhte Temperatur und Druck über den kritischen Punkt, sodass ein überkritisches Fluid entstand. Die Phasengrenze zwischen Gas und Flüssigkeit war damit aufgehoben, Oberflächenkräfte, welche im anderen Fall zur Bildung von Menisken geführt hätten, existierten nicht mehr. Das überkritische Fluid wurde dann aus dem Autoklaven abgeblasen, wodurch das Produkt trocknete und schließlich zum Aerogel geworden war. Dabei hatte das Aerogel die Größe und Form des ursprünglichen Gels behalten, wobei die von Kistler hergestellten Silikat-Aerogele eine Dichte von rund 30 bis 300 kg/m3 und eine Porosität im Bereich zwischen 86 und 98 % aufwiesen. Die Herstellungsmethode nach Kistler hatte jedoch den Nachteil lang und aufwendig zu sein, was besonders den Lösungsmittelaustausch vor dem Verdampfen des Alkohols betraff.
Verfahren nach Teichner - der Sol-Gel-Prozess
BearbeitenStanislas Teichner versuchte in den 1960ern Kistlers Verfahren an der Universität Lyon zu reproduzieren, wobei er jedoch Wochen brauchte um kleinere Aerogelproben herzustellen. Als Alternative entwickelte er 1968 den heute als Standardverfahren genutzten Sol-Gel-Prozess, welcher zudem 1986 nochmals verbessert wurde. Ausgangsstoff ist hier das giftige Tetramethylorthosilikat (TMOS), das nach der unten stehenden Reaktionsgleichung mit einer definierten Menge Wasser und nach der Zugabe eines Katalysators langsam zu Orthokieselsäure und Methanol hydrolysiert.
C4H12O4Si + 4 H2O → H4SiO4 + 4 CH3OH
Aus der Kieselsäure spaltet sich in der Folge Wasser ab und es entstehen SiO2-Tetraeder. Diese vernetzen sich in der Folge zu einem Gel. Die Trocknung des so entstandenen Alkogels erfolgt wiederum gleich zum Verfahren Kistlers, wobei das Methanol kritische Werte von 239,4 °C und 80,9 bar aufweist. Die Eigenschaften des sich so bildenden Aerogels, insbesondere Struktur und Dichte, können durch die Wahl des Katalysators, des pH-Wertes oder des Mengenverhältnisses der eingesetzen Substanzen, insbesondere des Methanols, gesteuert werden. Anwendung findet das Verfahren heute am DESY und in Lund.
Andere Verfahren
BearbeitenIn einem anderen Verfahren fertigt eine Forschergruppe unter Arlon Hunt an der University of California in Berkeley Aerogelstücke statt aus dem giftigen TMOS aus Tetraethoxysilan (TEOS). Zudem ersetzt man das explosive Ethanol durch Kohlenstoffdioxid, was jedoch sehr zeitaufwendig ist. Ein Vorteil ist die mit 31 °C relativ niedrige kritische Temperatur des Kohlenstoffdioxids, wodurch der Trocknungsprozess wesentlich erleichtert wird.
Ein weiteres Verfahren findet in Ludwigshafen bei BASF Anwendung, wo insbesondere Aerogelkügelchen (Granulat) mit rund einem bis sechs Millimetern Durchmesser und einer Dichte von ungefähr 200 kg/m³ hergestellt werden. Hierzu bringt man Schwefelsäure und Natriumsilicat zur Reaktion, indem man sie mit einer Mischdüse auf einen Kolben aufsprüht. Dabei kommt es zur Bildung von Alkalisalzen, die durch eine Nachbereitung ausgewaschen werden müssen. Der Vorteil dieses Prozesses liegt dabei in den vergleichsweise geringeren Kosten, der Nachteil ist den schlechteren insbesondere optischen Eigenschaften des Granulats zu sehen.
Verwendung
BearbeitenBedingt durch ihre hohe Porösität entwickelte man Aerosole zunächst in der Absicht Speichermöglichkeiten für Gase und Feststoffe zu erhalten. Da der Brechungsindex der Aerosole in einem Bereich liegt, den weder Gase noch Flüssigkeiten aufweisen, haben sich diese hier als wertvolle Detektoren für die Tscherenkow-Strahlung erwiesen.
Besonders Silikat-Aerologele zeigen eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit und werden daher gerne als Dämmstoff für Spezialanwendungen (z.B. als Transparente Wärmedämmung) verwendet.
Kohlenstoff-Aerogele mit hoher elektrischer Leitfähigkeit und Stabilität spielen eine große Rolle in der Materialforschung für Elektrodenmaterial in Primär- und Brennstoffzellen, Fahrzeugkatalysatoren sowie in Superkondensatoren.
Durch ihre Feinstruktur sind Aerosole auch als Auffangmatrix für kleinste Staubpartikel einsetzbar, weshalb diese auch an Bord der „Kometenstaub-Raumsonde“ Stardust verwendet wurden.
Weblinks
Bearbeiten- Sammlung von Weblinks zum Thema Aerogel.
- Sol-Gel Gateway (engl.)
- Doktorarbeit von Georges Reber zum Thema: Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von Aerogelfenstern im Vergleich mit konventionellen sowie evakuierten Fenstern.
- Seite des Lawrence Berkeley National Laboratory über die thermischen Eigenschaften von silikatischen Aerogelen (engl.)
- Lawrence Berkeley National Laboratory: Entwicklung der Aerogele (engl.)