Col de la Schlucht

Gebirgspass in Frankreich
Dies ist die gesichtete Version, die am 12. Juli 2024 markiert wurde. Es existiert 1 ausstehende Änderung, die noch gesichtet werden muss.

Der Col de la Schlucht (deutsch Schluchtpass) ist ein 1139 m hoher Pass in den Vogesen und eine wichtige Verkehrsachse zwischen den Regionen Elsass und Lothringen. Der Col de la Schlucht ist auch namensgebend für ein Skigebiet unterhalb des 1362 m hohen Hohneck.

Col de la Schlucht
Letzter Schnee im März
Letzter Schnee im März
Himmels­richtung Westen Osten
Passhöhe 1139 m
Département Vosges Haut-Rhin
Wasser­scheide Vologne Fecht
Talorte Xonrupt-Longemer Soultzeren
Ausbau asphaltierte Straße
Erbaut 1858–1861 1840–1845
Sperre Regelmäßiger Winterdienst (Schistation)
Gebirge Vogesen Hohneckmassiv
Profil
Bergwertung 2. Kategorie (Tour de France 2014)
Ø-Steigung 3,2  %
(412 m / 9,8 km)
4,2  %
(? m / 18 km)
Max. Steigung 7,4  % (auf km  4 – 4,5) 5,3  %
Karte (Vosges)
Col de la Schlucht (Grand Est)
Col de la Schlucht (Grand Est)
Koordinaten 48° 3′ 50″ N, 7° 1′ 22″ OKoordinaten: 48° 3′ 50″ N, 7° 1′ 22″ O

Im Verkehrsnetz

Bearbeiten

Die Landstraße D 417 (Route départementale 417) über den Col de la Schlucht verbindet die Städte Munster im Osten und Gérardmer im Westen. Am Col de la Schlucht kreuzt die Passstraße die Route des Crêtes, eine 77 km lange Höhenstraße, die vom Lac Blanc bis nach Cernay verläuft und sich dabei immer auf einer Höhe um die 1000 Meter bewegt. Ferner mündet die D 61 von Norden in den Pass und die D 430 stößt einige hundert Meter westlich vom Pass von Süden auf die D 417.

Ein Kilometer südwestlich der Passhöhe liegt an der Route des Crêtes die Quelle der Meurthe.

An einer kulturellen, religiösen und linguistischen Grenze

Bearbeiten

Der Col de la Schlucht bildet wie die meisten Pässe der Hochvogesen zuerst eine sehr alte Landesgrenze zwischen dem Herzogtum Lothringen und dem in einigen Territorien zersplitterten Elsass. Der direkte östliche Nachbar waren die Reichsabtei St. Gregor und die Reichsstadt Münster im Gregoriental, die der Landvogtei Hagenau unterlagen und die Reichsunmittelbarkeit genossen, sodass sich der Herzog Lothringens, der Reichsabt und der Gesandte der Talgemeinschaft auf den Reichstagen in verschiedenen Kollegien treffen konnten.

Mit der Einführung der Reformation[1] im Münstertal trotz der Schirmherrschaft der Benediktiner Äbte stellten die vogesischen Pässe in dieser Region weniger einen Übergangspunkt dar als eine deutliche, teilweise erwünschte Trennlinie zwischen zwei kulturell und geistig kontrastierenden, lange schlecht zu vereinbarenden Gemeinschaften. Damit eng verbunden war auch die jahrtausendealte Sprachgrenze, die den alemannischen Sprachraum von dem romanischen im Westen trennt. Wenn man den Col de la Schlucht von West nach Ost passierte, gelangte man in ein deutschsprachiges lutherisches Land mit enger Beziehung zu den Alpenländern u. a. der Schweiz und Westösterreich.[2] Dieser Kulturschock ist heute mit dem starken Rückgang der regionalen Mundart wie auch der religiösen Praxis kaum nachzuempfinden, wenn auch die architektonischen Landschaften beiderseits an zwei klar zu differenzierende Kulturgemeinschaften erinnern.

Die Passhöhe bildete von 1871 bis 1918 die Grenze zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich, und provisorisch wieder zwischen 1940 und 1945. Heute liegt der Pass im Gebiet der Gemeinde Le Valtin im Kanton Fraize in der Region Grand Est und trennt weiterhin die Départements Vosges (bis 2015 Teil der Region Lothringen) und Haut-Rhin (bis 2015 Teil der Region, seit 2021 der Europäischen Gebietskörperschaft Elsass).

Geschichte

Bearbeiten

Bau der ersten Straße

Bearbeiten
 
Roche du Diable

Der Pass wurde erst seit 1857 für den Durchgangsverkehr befahrbar, als eine Straße zwischen Soultzeren und dem Collet, später verlängert nach Gérardmer, gebaut wurde. Es war eigentlich eine nicht leicht zu passierende Engstelle an der Kammlinie der Hochvogesen, deren Zugang nur mit der moderneren Technologie des 19. Jahrhunderts an steilen felsigen Talflanken und Bergrücken möglich wurde. Andere leichter erreichbare, wenn auch steile Pässe wurden am Kammzug im Münsterer Land in Verbindung mit der lothringischen Flanke der Vogesen seit dem Mittelalter mit einem Saumpfad benutzt wie der Col de Calvaire, der Col de Falimont oder der Col du Herrenberg.

Wie der Name es klar sagt, war der Pass zuerst eine enge Schlucht abseits aller Verkehrs- oder Handelsstraßen bzw. -Wege. Dort stieß man früher lediglich auf Schmuggler und Holztransporter mit ihren Hornschlitten.[3] Die Münsterer mussten das Holz, das sie unterhalb der Schlucht um den Retournemer-See herum geschlagen hatten, auf Serpentinenwegen wieder hochtransportieren und von dort aus wegen der steilen felsigen Hänge auf elsässischer Seite mit den Hornschlitten hinuntertragen.

Das Gregoriental war längst kein Territorium des Heiligen Römischen Reichs mehr, als die industrielle Revolution in Münster einsetzte, insbesondere durch den Unternehmensgeist der Familie Hartmann aus Colmar. Der Bau einer Straße, wie übrigens auch der Münster-Schlucht-Zahnradbahn, ist in der Tat der lokalen Unternehmerdynastie Hartmann zu verdanken, die dem Münstertal zum technisch-wirtschaftlichen Aufschwung auf dem Gebiet der Textilindustrie, der Holzverarbeitung und der Energiebranche entscheidend verholfen hat.[4]

In diesem neuen Münstertal hielt sich Voltaire 1754 ein Jahr lang auf, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er genoss die Anonymität und die Schlichtheit des damaligen Lebens in dem Weiler Luttenbach-Fortschwihr.[5]

Zwei Bahnstrecken trafen sich an der Schlucht

Bearbeiten
Bahnhof La Schlucht der französischen Tramways de Gérardmer
Bahnhof Schlucht der deutschen Münsterschluchtbahn

Vor dem Ersten Weltkrieg erreichten zwei Schmalspurbahnen Col de la Schlucht, beide waren in Meterspur gebaut, beide elektrifiziert, aber sie waren wegen der deutsch-französischen Grenze nicht miteinander verbunden. Auf deutscher Seite war das die Münsterschluchtbahn, auf französischer Seite die Tramways de Gérardmer (TG). Erst als die französische Armee zu Beginn des Ersten Weltkriegs hier die Grenze überschritt, übernahm sie die deutsche Strecke und schloss sie an die französische an, konnte sie aber nur bis Altenberg nutzen, da der dahinter liegende Zahnstangenabschnitt mit Adhäsionsfahrzeugen nicht befahrbar war. Die ehemals deutsche Strecke wurde nach dem Krieg nicht mehr in Betrieb genommen, die französische dann im Zweiten Weltkrieg abgebaut.[6]

Das Sanatorium-Hotel Altenberg

Bearbeiten
 
Deutscher Zoll am Col de la Schlucht, vor 1914 (hinten rechts: Ein Triebwagen der Münsterschluchtbahn)
 
Das verlassene Hotel Altenberg im Juni 2019

Unweit des Col de la Schlucht auf elsässischer Seite hat das 1896 gegründete Sanatorium[7] und Wellness-Hotel Altenberg, das als heute verkommenes[8] Centre médico-social am 30. September 2011 geschlossen wurde,[9] bekannte Kurgäste empfangen wie Wilhelm II., die Königin der Niederlande Wilhelmina, den britischen Premierminister Lord Robert Cecil oder den französischen Staatspräsidenten Raymond Poincaré.[10]

Das Baedeker-Handbuch für Reisende Deutschland in einem Bande[11] von 1906 beschreibt das Kurhotel wie ein Haus im Schweizer Stil („Chalet“) auf deutschem Boden und eine gute Wirtschaft.

Der alternative Fernwanderweg des GR 5

Bearbeiten

Der alternative GR 5, rotes Rechteck mit weißem Streifen in der Mitte, geht an der Kammlinie entlang und führt deshalb von Gipfel zu Gipfel mit einer Aussicht auf lothringische und elsässische Seite. Anstatt nach Mittlach hinunterzuwandern, kann man den GR 5 am Col de Herrenberg wieder erreichen, indem man auf der First bleibt.

 
Rainkopf

Verlauf des alternativen GR 5

Aussichtspunkt Belvédère du Spitzenfels und andere Ziele

Bearbeiten
  • Knapp 1 km östlich gibt es etwas nördlich der D 417 den Aussichtspunkt Belvédère du Spitzenfels, von dem man einen umfassenden Blick auf den Klettersteig Sentier des Roches sowie auf die drei höchsten Berge der Vogesen hat, nämlich den Großen Belchen im Süd-Südosten in zirka 20 Kilometern Entfernung, etwas westlich davon in ungefähr gleicher Entfernung den Storkenkopf und im Süd-Südwesten in zirka vier Kilometern Entfernung den Hohneck.
  • Im Osten von Col de la Schlucht, an der D 61, liegt das Ausflugslokal „Auberge Gazon du Faing“ in einer Höhe von 1300 m, zwischen dem Lac Blanc und dem Col de la Schlucht. (Lage)
  • Zwischen diesem Punkt und dem Col de la Schlucht liegt der Lac vert, für gute Wanderer auf verschlungenem Pfad nach etwa 1.000 m Entfernung von der D 61 zu erreichen.
Aussicht vom Belvédère de Spitzenfels nach Süden. Im Osten die Oberrheinische Tiefebene, dahinter der Schwarzwald, im Süden der Große Belchen mit Radarstation und der Hohneck mit Hütte, im Westen der Pass.
Standortkoordinaten: 48° 3′ 52,2″ N, 7° 1′ 57″ O

Tour de France

Bearbeiten

Die Erstbefahrung des Col de la Schlucht bei der Tour de France erfolgte im Rahmen der 25. Austragung im Jahr 1931. Der Pass war Teil der 20. Etappe die von Belfort nach Colmar (209 km) führte. Obwohl die Passhöhe nur rund 40 Kilometer von der Ziellinie entfernt war, brachte die Westauffahrt des Col de la Schlucht damals keine nennenswerten Veränderungen in der Gesamtwertung.[12]

Nach einer längeren Pause kehrte der Pass im Jahr 1957 im Rahmen der 7. Etappe ins Programm der Tour de France zurück. Zwischenzeitlich war die Bergwertung eingeführt worden und die erneut befahrene Westauffahrt wurde als Anstieg der 3. Kategorie klassifiziert. Wie bereits bei der Erstbefahrung ging die Etappe in Colmar zu Ende. Mit dem Col du Wettstein (882 m) wurde jedoch ein neuer Schlussanstieg befahren. Mit Louis Bergaud überquerte ein Franzose den Col de la Schlucht als Erster.[13]

Im Jahr 1961 erfolgte die erste Ostauffahrt von Munster, ehe die Tour de France 1969 wieder über die Westauffahrt führte. Beide Anstiege wurden als Bergwertungen der 3. Kategorie klassifiziert. Ab den Jahren 1970 und 1973 wird am Ende der Westauffahrt eine Bergwertung der 2. Kategorie abgenommen. Die Tour de France 1976 überquerte zwar die Passhöhe des Col de la Schlucht, führte jedoch zuvor über den Col du Calvaire (1144 m) und das Plateau der D61, sodass keine Bergwertung auf dem Col de la Schlucht abgenommen wurde. Im Jahr 1992 wurde erstmals auch die Ostauffahrt von Soultzeren als Bergwertung der 2. Kategorie klassifiziert. Bei der Tour de France 2005 diente der Col de la Schlucht als Schlussanstieg, ehe die Etappe im nahegelegenen Gérardmer zu Ende ging. Mit Andreas Klöden sicherte sich erstmals ein deutscher Fahrer die Bergwertung auf der Passhöhe. Die beiden letzten Auffahrten erfolgten in den Jahren 2009 und 2014, die jeweils über die Westauffahrt führten.[14]

Bei der Tour de France 2023 wurde auf der 20. Etappe erneut die Westauffahrt absolviert. Diesmal führte die Strecke jedoch über den Col des Feignes (954 m), sodass auf dem Col de la Schlucht nur eine Bergwertung der 3. Kategorie abgenommen wurde.[15]

Sieger der Bergwertung bei der Tour de France
Jahr Etappe Bergwertung Erster am Gipfel Auffahrt
1957 07. Etappe 3. Kategorie Frankreich  Louis Bergaud West
1961 06. Etappe 3. Kategorie Belgien  Jef Planckaert Ost
1969 05. Etappe 3. Kategorie Spanien  Maríano Diaz West
1970 09. Etappe 2. Kategorie Italien  Silvano Schiavon West
1973 05. Etappe 2. Kategorie Frankreich  Charly Grosskost West
1992 11. Etappe 2. Kategorie Italien  Fabio Roscioli Ost (Soultzeren)
2005 08. Etappe 2. Kategorie Deutschland  Andreas Klöden Ost
2009 13. Etappe 2. Kategorie Spanien  Rubén Pérez West
2014 09. Etappe 2. Kategorie Frankreich  Thomas Voeckler West
2023 20. Etappe 3. Kategorie Italien  Giulio Ciccone West (Col des Feignes)

In der Literatur

Bearbeiten

Der Roman Das Gasthaus im Elsaß (Le Relais d'Alsace) von Georges Simenon aus dem Jahr 1931 spielt am Col de la Schlucht in einem fiktiven Gasthaus.

Literatur

Bearbeiten
  • Alban Fournier: Les Vosges du Donon Au Ballon d'Alsace, Est Libris, 1994, Kapitel V, Teil IV (fr) (Reproduktion der Erstausgabe von 1901, Louis Geisler, Raon-L'Etape)
  • Ralf Bernd Herden: La première Rencontre des Francs-Maçons au Col de La Schlucht (1907) et extraits de son historique. Annuaire de la Société d’Histoire du Val de de la Ville de Munster 2022, Tome LXXVI (26). ISSN 1146-7363 / ISBN 978-2-911993-46-6. F-68140 Munster (France) 2022, Pages 67–80.
Bearbeiten
Commons: Col de la Schlucht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Tramway de Gérardmer au Hohneck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Siehe z. B. Homepage "Auf den Spuren des evangelischen Kulturerbes im Elsass", Rundwege, (de) itinerairesprotestants.fr
  2. Siehe Hauptartikel über die Reichsstadt Münster
  3. Alban Fournier, Les Vosges du Donon Au Ballon d'Alsace, EST Libris, 1994, S. 403, 5. Teil, Kap. 4
  4. Offizielle Homepage der Gemeinde Munster (de) vallee-munster.eu (Memento des Originals vom 15. Juli 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.vallee-munster.eu
  5. Alban Fournier, Les Vosges du Donon au Ballon d'Alsace, Est Libris, 1994, S. 413–417.
  6. Eisenbahnatlas Frankreich. Bd. 1: Nord – Atlas ferroviaire de la France. Tome 1: Nord. Schweers + Wall, Aachen 2015. ISBN 978-3-89494-143-7, Taf. 55, A3.
  7. Wird im Baedeker von 1942 erwähnt: "Das Elsass, Strassburg und die Vogesen: Reisehandbuch", Baedeker, Karl, Leipzig, 1942 – Seite 126
  8. Artikel auf der Website des Fernsehsenders FRANCE 3 france3-regions.francetvinfo.fr (fr)
  9. Artikel der Zeitung L'ALSACE vom 6. September 2011.
  10. Offizielle Homepage der Gemeinde Munster
  11. Deutschland in einem Bande: Handbuch für Reisende, Verlag von Karl Baedeker, 1906 – 452 Seiten
  12. 1931 Tour de France by BikeRaceInfo. Abgerufen am 13. Dezember 2022.
  13. 44ème Tour de France 1957 - 7ème étape. Abgerufen am 13. Dezember 2022.
  14. Le col de la Schlucht dans le Tour de France depuis 1947. Abgerufen am 13. Dezember 2022.
  15. Tour de France 2023 Stage 20 results. Abgerufen am 24. Juli 2023.