Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch

politische Partei in Deutschland

Die Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA) ist eine politische Vereinigung in Deutschland, die im Januar 2024 gegründet wurde und erstmals im Juni bei der Europawahl in Deutschland 2024 antrat. DAVA gilt als Erdoğan-nah.[1]

Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch
Logo
Partei­vorsitzender Teyfik Özcan
Gründung 2024
Website dava-eu.org

Das Apronym DAVA steht für Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch. Es ist gleichlautend mit dem vieldeutigen türkischen Wort dava,[2] das an den arabischen Begriff Daʿwa erinnert.[3] Wird das Wort in einem politischen Kontext verwendet, hat es einen starken religiösen Bezug. Der türkische Präsident Erdoğan verwendet es in der Bedeutung „der richtige Weg“[4] beziehungsweise „unsere Sache“.[5] Im Arabischen bezeichnet es unter anderem die Missionierung von Nichtmuslimen.[6] Da die Partei jedoch keinen arabischen Ursprung hat und in ihrem Parteiprogramm auch an keiner Stelle das Vorhaben erwähnt, Nichtmuslime missionieren zu wollen, ist ein Zusammenhang unklar.[7][8]

Gründung und politische Ausrichtung

Bearbeiten

Am 16. Januar 2024 veröffentlichte der Vorsitzende Teyfik Özcan auf Facebook eine Gründungserklärung mit den politischen Zielen der Vereinigung und möglichen Spitzenkandidaten für die Europawahlen 2024.

Die Vereinigung setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass „Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen“. Sie will Diskriminierung im Alltag, Ungleichbehandlung, Ausgrenzung sowie Kinder- und Altersarmut bekämpfen. Zudem positioniert sie sich gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus und bekennt sich zu Vielfalt und Toleranz.

Die DAVA wäre nach Angaben der Stiftung für Türkeistudien und Integrationsforschung nach dem Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit und der Allianz Deutscher Demokraten die dritte Partei aus dem „konservativ-nationalistischen und religiösen Milieu der türkischen Regierungspartei“. Laut jener Stiftung konzentriere sich die DAVA „vor allem auf Identitätsfragen“.[1]

Spitzenkandidaten und Verbindungen zur AKP

Bearbeiten

Bisher wurden der Parteivorsitzende und drei Spitzenkandidaten der DAVA bekannt gegeben. Alle vier sollen sich in der Vergangenheit für die türkische AKP oder deren Ableger engagiert haben. Zu den Spitzenkandidaten gehören der Hamburger Arzt Mustafa Yoldaş, Gründungsmitglied des European Tulips Club e.V. (Netzwerk und Entwickler interkultureller Strategien zur Verständigung)[9] sowie ehemaliger Vorsitzender der Schura Hamburg und der im Jahr 2010 verbotenen islamistischen Internationalen Humanitären Hilfsorganisation, und der Arzt Ali İhsan Ünlü, ehemaliger Generalsekretär der Organisation DİTİB. Der Solinger Rechtsanwalt Fatih Zingal und der Vorsitzende Teyfik Özcan waren früher Mitglieder der SPD.[10][11] Zingal bestreitet, dass die DAVA der „verlängerte Arm“ Erdoğans oder der AKP sei.[12]

Einordnung

Bearbeiten

Die Vereinigung wird als „Erdoğan-nah“ und „türkisch-islamistisch“ bezeichnet.[13]

Der Journalist Eren Güvercin sieht die Vereinigung als Instrument des türkischen Präsidenten Erdoğan zur politischen Einflussnahme in Deutschland und der EU. Er sieht in der Gründung einen weiteren Versuch Erdoğans, seine politische Agenda durch einen „Propagandalautsprecher“ im Europaparlament zu vertreten. Güvercin weist auf direkte Verbindungen der Gründungsmitglieder und EU-Kandidaten zu türkisch-nationalistischen und islamistischen Kreisen hin und fordert deutsche demokratische Parteien auf, eine klare Strategie zu entwickeln, um der türkischen Einflussnahme entgegenzutreten. Bisher bestehe dafür ein mangelndes politisches Bewusstsein.[14]

Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries warnte vor der potenziellen Partei und forderte die Sicherheitsbehörden auf, ihre Aktivitäten und ihre Verbindungen zur türkischen Regierung genau zu beobachten. Andere Politiker äußerten ähnliche Bedenken und warnten vor einer direkten Einflussnahme der türkischen Regierung auf die deutsche Politik durch die DAVA.[13]

Ali Ertan Toprak, CDU-Politiker und Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschlands, bezeichnet die DAVA als antidemokratisch, als deutschen Ableger der AKP und als türkische AfD.[6]

Wahlpotential und Einfluss

Bearbeiten

Durch das im Jahr 2024 verabschiedete Staatsangehörigkeitsmodernisierungsgesetz könnte die Vereinigung auf ein größeres Wählerpotenzial zurückgreifen. In Deutschland leben schätzungsweise zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Muslime, von ihnen sind etwa 2,5 Mio. türkeistämmig.[15] Würden diese die DAVA wählen, würde sie die Fünf-Prozent-Hürde bei den Bundestagswahlen überspringen. Das Parteipersonal von DAVA hat einen mehrheitlich türkischen Hintergrund.[16] Insbesondere in Großstädten mit einem hohen Anteil türkischstämmiger Wähler könnte die DAVA bei Kommunalwahlen eine Rolle spielen.[17][18] Laut der Stiftung für Türkeistudien und Integrationsforschung ist ein großer Teil der 1,5 Millionen deutschen Staatsbürger mit türkischer Abstammung „eher liberal orientiert“ und „politisch im Mitte-Links-Spektrum verortet“ und würde „eher nicht“ für die DAVA stimmen.[1] Auch Kurden, Aleviten und nicht-islamische Türken in Deutschland lehnen Erdoğan und damit die DAVA ab.[19] Jenseits der Deutsch-Türken möchte die Partei aber generell Migranten ansprechen; im Besonderen jene muslimischen Glaubens, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind.[20]

DAVA wurde Ende März 2024 von der Bundeswahlleiterin zur Europawahl 2024 zugelassen.[21] Der Wahlausschuss prüfte bei der Zulassung nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vereinigung, sondern lediglich, ob die formellen Anforderungen für die Zulassung zur Wahl erfüllt waren.[22] Neben Fatih Zingal traten Ali Ihsan Ünlü, ehemaliger Vorstand der DITIB in Niedersachsen, und Mustafa Yoldaş, der sich für die islamistische Vereinigung Millî Görüş engagierte, als Kandidaten zur Europawahl an.[23] Die Partei erhielt bundesweit 148.496 Stimmen, was einem Anteil von 0,4 % entspricht. Damit verfehlte sie einen Sitz im Europaparlament.[24]

Verweise

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c Katrin Elger: Migrationsforscher über Erdoğan-nahe Vereinigung in Deutschland: »Ich würde Dava nicht wählen« In: Der Spiegel, 1. Februar 2024, abgerufen am 1. Februar 2024 (Bezahlschranke)
  2. dava. In: Langenscheidt Türkisch-Deutsch Wörterbuch, abgerufen am 24. Februar 2024.
  3. Teresa Peters: Türkeistämmige Wähler im Blick: DAVA auf Stimmenfang in Hessen. In: Hessenschau, 22. Februar 2024, abgerufen am 30. März 2024.
  4. Christian Parth: Wie viel Erdoğan steckt in der neuen Partei?. In: Die Zeit, 30. Januar 2024, abgerufen am 24. Februar 2024.
  5. Timur Tinç: DAVA will enttäuschte Migranten erreichen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 24. Februar 2024.
  6. a b Lotte Laloire: Über neue Partei Dava: „Das ist eine türkische AfD“. In: taz, 30. Januar 2024, abgerufen am 30. Januar 2024.
  7. Parteiprogramm 2024 zur Europawahl. In: Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch. Abgerufen am 20. August 2024 (deutsch).
  8. Arnd Henze, Susanne Petersohn, Hüseyin Topel, WDR: Was im Programm von DAVA steht. In: Tagesschau. 5. Februar 2024, abgerufen am 20. August 2024.
  9. Registerportal der Länder - VR 39313B, Amtsgericht Charlottenburg. Abgerufen am 3. Februar 2024.
  10. CDU warnt vor Erdoğans neuer Partei in Deutschland. In: Zeit Online. 28. Januar 2024, abgerufen am 29. Januar 2024.
  11. DAVA will enttäuschte Migranten erreichen. Mit Interview des Vorsitzenden des SPD-OV Dreieich zu Tevfik Özkan. Abgerufen am 8. Februar 2024.
  12. Tobias Schrörs: DAVA-Kandidat Zingal | „Wir sind nicht der verlängerte Arm von Erdoğan“. In: faz.net. 12. Februar 2024, abgerufen am 15. April 2024.
  13. a b Politiker warnen vor Erdogan-naher Partei in Deutschland. In: welt.de. 29. Januar 2024, abgerufen am 29. Januar 2024.
    Erkan Pehlivan: Wie Erdogan seinen Einfluss in Deutschland und Europa ausbauen möchte. In: Frankfurter Rundschau. 17. Januar 2024, abgerufen am 29. Januar 2024.
  14. Eren Güvercin: Erdogans Stellvertreter in Deutschland. In: Jüdische Allgemeine, 8. Februar 2024, abgerufen am 14. April 2024
  15. Islam in Deutschland. In: Bundesministerium des Innern und für Heimat. Abgerufen am 20. August 2024.
  16. Dava - DEMOKRATISCHE ALLIANZ FÜR VIELFALT UND AUFBRUCH. Abgerufen am 7. Mai 2024 (deutsch).
  17. Alexandra Heidsiek: Warnungen vor Erdogan-naher Partei in Deutschland: „Das Letzte, was wir brauchen“. In: Frankfurter Rundschau. 29. Januar 2024, abgerufen am 30. Januar 2024.
  18. Hugo Müller-Vogg: „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ - Erdogan-Jünger wollen bei uns Politik machen. In: Cicero Online. 30. Januar 2024, abgerufen am 30. Januar 2024.
  19. Reiner Burger: DAVA ohne Sitz im Parlament. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juni 2024, S. 4.
  20. Andreas Herteux: Parteineugründung DAVA: Wie erfolgreich kann eine Migrantenpartei werden? In: focus.de. 2. Februar 2024, abgerufen am 19. Februar 2024.
  21. 2024: Der Bundeswahlausschuss lässt 35 Parteien und sonstige politische Vereinigungen zu. In: Die Bundeswahlleiterin, Pressemitteilung Nr. 14/24, 29. März 2024, abgerufen am 30. März 2024.
  22. Dava, Letzte Generation und BSW dürfen zur Europawahl antreten. In: Die Zeit, 29. März 2024, abgerufen am 30. März 2024.
  23. Fragen und Antworten: Was hat es mit der DAVA auf sich?. In: NDR, 19. Februar 2024, abgerufen am 30. März 2024.
  24. Bundeswahlleiterin: Europawahl 2024, Deutschland – Endgültiges Ergebnis. 10. Juni 2024, abgerufen am 3. Juli 2024.