Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit

nationales Forschungszentrum
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Das Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) ist ein nationales Forschungszentrum, das 2024 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gegründet wurde, um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu fördern und die medizinische Versorgung und Forschung in Deutschland zu verbessern. Der Forschungsverbund umfasst sieben führende Standortpartner in Berlin, Göttingen, Greifswald/Rostock, Hamburg, Leipzig/Dresden, München und Ulm. Durch die Zusammenarbeit von Universitätskliniken, Universitäten, außeruniversitären Einrichtungen wie Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten, Helmholtz- und Leibniz-Zentren sowie weiteren Partnerinstitutionen wird umfassende Expertise gebündelt und eine schnelle Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Praxis ermöglicht​.

Hintergrund und Gründung

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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit 2009 Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) zu unterschiedlichen Schwerpunktbereichen. Allen gemeinsam ist das Ziel, optimale Forschungsbedingungen zur Bekämpfung von Volkskrankheiten zu schaffen, indem wichtige gesundheitsrelevante Fragen adressiert, innovative Ansätze entwickelt und die Translation von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis gefördert werden.[1]

Die Gründung des DZKJ erfolgte vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphasen, in denen die Weichen für lebenslange Gesundheit gestellt werden. Da Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, erfordert ihre Gesundheitsförderung sowie die medizinische Behandlung und Versorgung eine spezifisch angepasste Herangehensweise. Dies schließt die Entwicklung kindgerechter Medikamente, Behandlungen und Therapien ein, die gezielt auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt sind.[2] Gesundheit ist zudem ein Kinderrecht, das in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert ist.[3][4] Um den speziellen Anforderungen der kindlichen und jugendlichen Gesundheit gerecht zu werden, hat die Bundesregierung im Jahr 2018 die Einrichtung des DZKJ beschlossen.[5] In einem kompetitiven Auswahlverfahren wurden von einem internationalen Gutachtergremium aus über 20 Bewerbungen sieben Partnerstandorte ausgewählt, die am 10. März 2021 im Rahmen einer Pressekonferenz durch die damals amtierende Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, offiziell bekannt gegeben wurden.[6] Laut Karliczek bedeutet der Aufbau des DZKJ einen weiteren Schub für die internationale Spitzenposition des Forschungsstandorts Deutschland und wird wichtige Impulse für die zukünftige Kinder- und Jugendmedizin setzen. Nach der Konzeptentwicklungsphase 2021/22 und einer erneuten Begutachtung durch ein internationales Expertengremium befindet sich das DZKJ seit Juni 2024 im Aufbau.[7][8][9] Die zweijährige Aufbauphase ist mit einer Förderung von 30 Millionen Euro ausgestattet. Im Anschluss ist eine langfristige institutionelle Förderung vorgesehen, um das DZKJ als festen Bestandteil der deutschen Forschungsinfrastruktur zu etablieren​.

Bedeutung der Forschung im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit

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Die Förderung der Forschung in diesem Bereich ist essenziell, da die Kindheit und Jugend entscheidende Entwicklungsphasen darstellen, die die Grundlage für ein gesundes Leben bilden.[10][11] Krankheiten, die in diesen Lebensphasen erkannt und behandelt werden, können nicht nur unmittelbares Leid lindern, sondern auch langfristige Krankheitsrisiken reduzieren. Zudem trägt diese Forschung zu einer evidenzbasierten Weiterentwicklung von Präventions- und Therapiekonzepten bei und adressiert spezifische Herausforderungen, die durch sozioökonomische und gesellschaftliche Veränderungen entstehen. Sie ist daher ein zentraler Baustein für eine gesunde Zukunft unserer Gesellschaft.[12][13]

Ziele und Forschungsschwerpunkte des DZKJ

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Das DZKJ verfolgt das Ziel, eine exzellente Forschungsbasis für die Erkennung, Prävention und Therapie von Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter zu schaffen. In einem translationalen Ansatz verzahnt das Zentrum Grundlagenforschung und klinische Forschung, um personalisierte Therapien und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.[14] Der Fokus liegt auf sieben Forschungsschwerpunkten, die die gesamte Bandbreite der Kinder- und Jugendgesundheit adressieren und auf die spezifischen Herausforderungen dieser Altersgruppen eingehen:

Seltene Genetische Erkrankungen

Seltene genetische Erkrankungen stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie oft schwer zu diagnostizieren und zu behandeln sind. Trotz ihrer vermeintlichen Seltenheit betrifft eine erhebliche Anzahl von Kindern und Jugendlichen solche Erkrankungen.[15] Forschung in diesem Bereich ermöglicht nicht nur eine bessere genetische Diagnostik, sondern auch die Entwicklung präziserer, personalisierter Therapien. Fortschritte in der Genomik und molekularen Medizin sind hier von zentraler Bedeutung.

Immunsystem, Entzündungen und Infektionen

Das kindliche Immunsystem unterscheidet sich grundlegend von dem eines Erwachsenen. Das Verständnis von Entwicklungsprozessen des Immunsystems, von der Reaktion auf Infektionen und von Mechanismen chronisch-entzündlicher Erkrankungen bildet die Basis für neue Therapien und Impfstrategien, die speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind.

Entwicklung des Zentralnervensystems und Neurologische Erkrankungen

Die Entwicklung des zentralen Nervensystems (ZNS) ist ein äußerst komplexer Prozess, der anfällig für Störungen ist, die das gesamte Leben eines Menschen nachhaltig beeinflussen können. Die Forschung in diesem Bereich hat das Ziel, neurologische Entwicklungsstörungen und Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter besser zu verstehen und innovative Therapieansätze zu entwickeln. Dabei wird berücksichtigt, dass das ZNS eng mit allen Organsystemen des Körpers interagiert. Dadurch sollen langfristige Beeinträchtigungen und Behinderungen vermieden und die Grundlage für ein gesundes Leben geschaffen werden.

Adipositas und Stoffwechselerkrankungen

Adipositas und stoffwechselbedingte Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Diese Erkrankungen erhöhen nicht nur die Gesundheitsrisiken im Erwachsenenalter, sie können auch die Lebensqualität bereits in jungen Jahren beeinträchtigen. Ziel der Forschung ist es, frühzeitige Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Altersgruppe abgestimmt sind.

Frühe Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit

Die Entwicklung von Kindern wird durch eine Vielzahl innerer und äußerer (Umwelt-)Einflüsse geprägt, die nachhaltigen Einfluss auf die Gesundheit und das Krankheitsrisiko im späteren Leben haben. Ziel ist es, die Gesundheitsrisiken zu verstehen, die sich aus dem Zusammenspiel genetischer Veranlagungen und einer sich wandelnden Umwelt ergeben. Dabei sollen sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren identifiziert und die zugrunde liegenden Mechanismen entschlüsselt werden. Diese Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Ursachen für Volkskrankheiten, deren Ursprung oft in der Kindheit liegt, besser zu verstehen und frühzeitig wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung zu entwickeln.

Psychosoziale Gesundheit und Mentale Gesundheit

In Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) widmet sich das DZKJ der Erforschung psychosozialer und mentaler Herausforderungen bei Kindern und Jugendlichen. Dabei liegt der Schwerpunkt insbesondere auf den psychosozialen und psychischen Aspekten, die mit körperlichen Erkrankungen verbunden sind. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit werden die komplexen Wechselwirkungen zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit untersucht. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis dieser Zusammenhänge zu gewinnen und darauf aufbauend innovative Ansätze für Prävention, Therapie und die langfristige Förderung der Gesundheit zu entwickeln.

Community Medicine

Community Medicine untersucht die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Gesundheit, einschließlich epidemiologischer Analysen zu Morbidität, Risiko- und Schutzfaktoren sowie versorgungsepidemiologischer Aspekte wie Versorgungsbedarf und Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Der Forschungsbereich berücksichtigt zudem soziale Gerechtigkeit, Teilhabe sowie psychosoziale und sozioökonomische Faktoren, mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung für alle Kinder und Jugendlichen gerechter zu gestalten und langfristige gesundheitliche Verbesserungen zu erreichen.

Standorte, Partnerinstitutionen und Mitglieder

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Jeder der sieben Standorte des DZKJ bringt spezifische Forschungsschwerpunkte ein. Die Standorte kooperieren sowohl untereinander als auch mit weiteren Forschungseinrichtungen, um den interdisziplinären Austausch und die Entwicklung innovativer Behandlungsmethoden zu fördern. Die Leitung des DZKJ obliegt den Direktorinnen und Direktoren der sieben Standorte (Board of Directors). Sie werden standortübergreifend von einem Wissenschaftlichen Beirat (Scientific Advisory Board) begleitet, der aus international führenden Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendgesundheit, Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Öffentlichkeit sowie einer Patientenvertretung besteht.

Insgesamt engagieren sich an den sieben Standorten mehr als 150 Principal Investigators (PIs) und derzeit 20 Institutionen:

Berlin (Standortdirektor: Marcus A. Mall)

Göttingen (Standortdirektorin & DZKJ-Sprecherin: Jutta Gärtner)

Greifswald/Rostock (Standortdirektorin: Neeltje van den Berg)

Hamburg (Standortdirektorin: Ania C. Muntau)

Leipzig/Dresden (Standortdirektorin: Antje Körner)

München (Standortdirektor: Christoph Klein)

Ulm (Standortdirektor & stellv. DZKJ-Sprecher: Klaus-Michael Debatin)

Nachwuchsförderung und DZKJ Akademie

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Ein wesentlicher Fokus des DZKJ liegt auf der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie von Medical und Clinician Scientists, die eine Brücke zwischen Klinik und Forschung schlagen. In der eigens dafür eingerichteten DZKJ Akademie werden spezifische Programme zur Weiterbildung und Karriereentwicklung angeboten. Gleichzeitig dient die Akademie als Plattform für interdisziplinären Austausch und ermöglicht eine enge Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg. Durch diese Maßnahmen wird die Wettbewerbsfähigkeit von Forschungseinrichtungen sowie der Wissenschaftslandschaft auf nationaler und internationaler Ebene nachhaltig gestärkt.[16]

Patientenpartizipation und Empowerment von Kindern und Jugendlichen

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Das DZKJ legt Wert auf partizipative Forschung: Auch die Bedürfnisse und Perspektiven von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Eltern werden einbezogen und berücksichtigt. Das Zentrum verfolgt dafür innovative Partizipationsmodelle, um Patientinnen und Patienten als Expertinnen und Experten in eigener Sache von der Planung über die Durchführung bis zur Kommunikation der Ergebnisse in den Forschungsprozess zu integrieren.​ Ergänzt wird das Programm durch verschiedene lokale Beteiligungsformate an den einzelnen DZKJ-Standorten, die speziell auf Kinder, Jugendliche und ihre Familien zugeschnitten sind.[17] Während sich bisherige Partizipationsansätze vorwiegend an erwachsene Patientinnen und Patienten richten, gibt es für Kinder und Jugendliche kaum spezifische Angebote.[18][19] Das DZKJ möchte diese Lücke schließen und als Vorreiter für andere Institutionen dienen.

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Einzelnachweise

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  1. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung. Abgerufen am 17. Dezember 2024 (dt).
  2. G.F. Hoffmann et al.: Pädiatrie – Grundlagen und Praxis. Fünfte, vollständig überarbeitete Auflage. Spinger, Berlin 2020.
  3. Deutsches Kinderhilfswerk: UN-Kinderrechtskonvention. Abgerufen am 4. Dezember 2024.
  4. Bundesministerium für Gesundheit: Wegweiser zum gemeinsamen Verständnis von Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. 2018, abgerufen am 17. Dezember 2024.
  5. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Startschuss für zwei neue Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung. Pressemitteilung. 2018, abgerufen am 29. Oktober 2024.
  6. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Karliczek: Neue Impulse für die Forschung zur psychischen Gesundheit und zur Kinder- und Jugendgesundheit. 2021, abgerufen am 4. Dezember 2024.
  7. Bundesministerium für Bildung und Forschung: DZKJ - Entwicklung eines wissenschaftlichen Konzeptes für das Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit. Abgerufen am 24. Dezember 2024.
  8. aerzteblatt.de: Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit neues Mitglied der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Abgerufen am 4. Dezember 2024.
  9. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ): Endlich: Gemeinsam forschen für die Kindergesundheit! Abgerufen am 5. Dezember 2024.
  10. KiGGS: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Abgerufen am 24. Oktober 2024.
  11. KIDA: Kindergesundheit in Deutschland aktuell. Abgerufen am 24. Oktober 2024.
  12. Ärzte Zeitung: Forschende Pädiatrie soll sichtbarer werden. Heft 32-33/2024, S. 24–26.
  13. J. Gärtner: Neues Zentrum: Ein gesundes Leben von Anfang an. In: SYNERGIE. Forschen für Gesundheit. 2024, abgerufen am 5. Dezember 2024.
  14. J. Gärtner, R. Berner, K.M. Debatin, C. Klein, A. Körner, M. Mall, A. Muntau, N. van den Berg: Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit. Interdisziplinäre Forschung für eine gesunde Zukunft von Kindern und Jugendlichen. In: Monatsschrift Kinderheilkunde. Ausgabe 8/2024, S. 704–710.
  15. Bundesministerium für Gesundheit: Seltene Erkrankungen. Abgerufen am 11. Dezember 2024.
  16. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Zielpositionen für Clinician Scientists – Perspektiven in der Universitätsmedizin. Empfehlungen der Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung. Bonn 2024.
  17. HNA: Einblicke in Forschung: Schüler arbeiten in Göttinger Medizin-Zentrum mit. 27. August 2024, abgerufen am 5. Dezember 2024.
  18. J. Bauer et al.: Teilhabe im Kinderkrankenhaus: Formate zur Verwirklichung des Rechts auf Partizipation von jungen Patientinnen und Patienten. In: Gesundheitswesen. Nr. 86(11), 2024, S. 712–714.
  19. Council of Europe: Guide to children’s participation in decisions about their health. 2024, abgerufen am 5. Dezember 2024.