Energiekrise in Kuba

Chronische Krise bei Energieerzeugung und -bereitstellung in Kuba

Seit dem Jahr 2021 herrscht eine chronische Energiekrise in Kuba, die sich für die Bevölkerung vor allem durch tägliche längere Stromabschaltungen bemerkbar macht. Am 18. Oktober 2024 kulminierte diese in einen landesweiten Stromausfall.

Hintergründe

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Kuba befindet sich seit den 2020er Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise, die mit der Covid-19-Pandemie begann. Hinzu kam eine verunglückte Währungsreform zum Jahreswechsel 2020/21, wo der Peso convertible durch die digitale Währung MLC ersetzt wurde. Dem Staat fehlt das Geld, um Roh- oder Heizöl zum Betreiben seiner Kraftwerke oder auch notwendige Ersatzteile bedarfsgerecht einzukaufen, um die Wartung der Kraftwerksanlagen ordnungsgemäß durchführen zu können. Zudem fehlen aufgrund Pensionierung und Emigration die nötigen Fachkräfte.[1] Auch Rohöl sowie Benzin und Diesel zum Betreiben der Kraftwerke und Generatoren kann wegen chronischer finanzieller Engpässe nur unzureichend importiert werden. Lediglich fünf Prozent des Energiebedarfs wird aus erneuerbaren Energien gedeckt.[2] Dies führt zu einer vermehrten Anzahl von Havarien wegen technischer Mängel oder Abschaltungen wegen Treibstoffmangels. Die Folge sind ein chronisches Defizit bei der Stromproduktion und oftmals stundenlange Stromabschaltungen in den kubanischen Haushalten. Stand Ende Oktober 2024 schwankte das tägliche Stromproduktionsdefizit um die 1000 Megawatt (MW). Einem Bedarf von rund 3000 MW stand ein Angebot von 2000 MW gegenüber, was einem Defizit von etwa 35 % entspricht und entsprechende geplante Stromabschaltungen zur Folge hat.[3]

Lange Zeit versuchte man, die Hauptstadt Havanna von geplanten Stromabschaltungen zu verschonen, doch dies gelang angesichts des stets wachsenden Stromdefizits ab Mitte 2024 immer weniger. Im November 2024 standen beispielsweise einem landesweiten Spitzenbedarf von 3100 Megawatt bei einer vorhandenen Leistung vom 1660 MW. Es wurde also nur gut die Hälfte des Stroms produziert, wie eigentlich benötigt wurde.[4] Aufgrund dessen musste in Havanna der Strom täglich für mehr als fünf Stunden abgeschaltet werden. In Santiago de Cuba gab es dagegen nur gut vier Stunden am Tag überhaupt Strom.[5]

Die Regierung versucht, die fehlende nationale Kraftwerkskapazität unter anderem auch durch ausländische Kraftwerksschiffe auszugleichen[6]. Stand Oktober 2024 war eines in der Bucht von Havanna und eines in der Bucht von Santiago in Betrieb.

Zwar macht die kubanische Regierung, wie in solchen Situationen üblich, das US-Embargo dafür verantwortlich, jedoch halten Experten dieses Argument für nur vorgeschoben. Die Kraftwerke seien nahezu alle sowjetischer Bauart und hätten mit dem Embargo nichts zu tun.[7] Gleichzeitig lehnt man angebotene Katastrophenhilfe aus den USA zur Überwindung der entstandenen Schäden meist offiziell ab, wie zum Beispiel nach dem großen Stromausfall um Oktober 2024.[8]

Die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Unión Eléctrica (UNE) gibt ein tägliches Bulletin über diverse Social-Media-Kanäle heraus, wo über die zu erwartende Menge des erzeugten Stroms, den voraussichtlichen Bedarf und den daraus folgenden Defizit informiert wird, sowie die Gründe aufzählt werden, warum der benötigte Strom nicht erzeugt werden kann.[9] So heißt es beispielsweise in der Mitteilung für Freitag, den 22. November 2024:[10]

  • Der Produktion von 1650 MW steht ein maximaler Bedarf von 3000 MW in den Abendstunden entgegen, was einem Defizit von 1350 MW entspricht.
  • Im Havarie-Stadium befinden sich die Einheit 5 des CTE Mariel, das CTE Matanzas sowie die Einheit 2 des CTE Felton
  • Aufgrund von Wartungsarbeiten stehen die Einheit 2 des CTE Santa Cruz, die Einheiten 3 und 4 des CTE Cienfuegos sowie die Einheit 5 des CTE Renté nicht zur Verfügung
  • Wegen Treibstoffmangels stehen 43 Kleinkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 213 MW nicht zur Verfügung, des Weiteren die Einheit 5 des CTE Nuevitas, das Schiffskraftwerk in Santiago mit 67 MW, vier Motoren des Schiffskraftwerks Melones mit 65 MW
  • Das maximale Defizit des Vortages ereignete sich um 18:20 Uhr mit 1471 MW. In den frühen Morgenstunden zwischen 2:24 Uhr und 4:38 Uhr gab es kein Defizit zwischen Stromerzeugung und -nachfrage

Wichtige singuläre Ereignisse

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Großbrand im Öl-Großtanklager in Matanzas (2022)

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Am 5. August 2022 sorgte ein Blitzeinschlag für eine Brandkatastrophe in einem Öl- und Treibstofflager in Matanzas. Das Feuer griff schnell auf weitere Großtanks über und kostete zahlreichen Brandbekämpfern das Leben Das Großtanklager ist eines der wichtigsten Versorgungszentren für Rohöl und Treibstoffe in Kuba. Sein Ausfall ist ein schwerer Schlag für die Sicherheit der Energieversorgung in Kuba.[11][12]

Landesweiter Stromausfall durch Hurrikan Ian (2022)

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Am 27. September 2022 zog der Hurrikan Ian über die westliche Provinz Pinar del Río hinweg und richtete schwere Schäden an der Infrastruktur an, darunter am Stromnetz. Zunächst kam es nur in den westlichen Provinzen zu einem Stromausfall, begünstigt durch einen Ausfall des wichtigen Kraftwerks Antonio Guiteras kam es jedoch gegen 18 Uhr Ortszeit dieses Tages zu einem kompletten Zusammenbruch des labilen kubanischen Stromnetzes. In weiten Teilen des Landes dauerte der Stromausfall über 24 Stunden.[13][14]

Havarie bei Hochspannungsleitungen (2023)

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Am 21. Februar 2023 kam es zu einer Havarie im Netz der 220-Kilovolt-Hochspannungsleitungen. Die Linien Matanzas – Santa Clara sowie Matanzas – Cienfuegos waren ausgefallen. Diese bewirkte einen Stromausfall in neun der fünfzehn Provinzen Kubas. Es war der dritte innerhalb von nur neun Tagen. Nur wenige Tage zuvor provozierte ein „menschlicher Fehler“ im Hochspannungsleitungsnetz einen über sechs Stunden andauernden massiven Stromausfall.[15]

Landesweiter Stromausfall im Oktober 2024

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Am 18. Oktober 2024 kam es gegen 11 Uhr Vormittags Ortszeit zu einem landesweiten Stromausfall. Ursache war der Ausfall des Kraftwerks Antonio Guiteras.[16] Erschwerend kam noch der Durchzug des Hurrikans Oscar, der bei Baracoa auf kubanisches Land traf. In dieser Region tauchten auch die größten Schäden auf, die auch die Wiederherstellung der Stromversorgung in dieser Region verzögerten.

Beim Versuch der Wiederherstellung der nationalen Stromversorgung gab es einige Rückschläge, wodurch die Stromversorgung abermals komplett zusammenbrach. Nach mehr als zwei Tagen gelang es der für das Stromnetz verantwortlichen Unión Eléctrica, alle Teile des Landes wieder an das nationale Stromnetz anzuschließen. Mit etwas Verzögerung wurden auch die Privathaushalte in den jeweiligen Provinzen wieder mit Strom versorgt. Am generellen Produktionsdefizit nebst mehr oder weniger regelmäßigen Stromabschaltungen für die Bevölkerung ändert dies jedoch nichts.[17]

Landesweiter Stromausfall durch Hurrikan Rafael (2024)

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Am 6. November 2024 kam es beim Durchzug von Hurrikan Rafael, wie vom staatlichen Stromversorger UNE vermeldet, um 14:48 Uhr Ortszeit erneut zu einem landesweiten Stromausfall.[18] Der Hurrikan selbst richtete noch dazu vor allem in der Provinz Artemisa schwere Schäden sowohl am überregionalen Hochspannungsleitungsnetz als auch am regionalen Stromnetz an.[19] Die Wiederherstellung gestaltete sich auch in den nicht vom Hurrikan betroffenen Gebieten schwierig. Erst in der Nacht zum 8. November gelang es, weite Teile des Landes wieder mit Strom zu versorgen.[20][21] Teile von Havanna waren aber auch zwei Tage später noch ohne Strom. Nach Protesten wegen des Stromausfalls kam es zu mehreren Festnahmen.[22]

Geplante Wege aus der Krise

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Um der chronischen Krise zu entkommen und gleichzeitig die Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe zu reduzieren, plant man den Anteil erneuerbarer Energien deutlich auszubauen.

Laut Berechnungen des zuständigen Ministers für Energie und Bergbau aus dem Jahre 2022 benötige Kuba für eine Stromerzeugung aus 100 % erneuerbaren Energien 10.000 MW Solarenergie, 1800 MW aus Windenergie und 612 MW aus Biomasse, welche aus Abfällen der Forstwirtschaft und Zuckerindustrie stammen könne.[23]

Im März 2024 wurde der Bau von insgesamt 92 Solarparks bis zum Jahr 2028 angekündigt. Jeder einzelne soll dabei eine Kapazität von 21 MW haben, was einer Gesamtleistung von zwei Gigawatt entsprechen würde. Die Hälfte der Anlagen soll dabei schon bis Mitte 2025 entstehen. Auch zwei Windparks mit einer Gesamtleistung von insgesamt 150 MW sind geplant oder stehen kurz vor Inbetriebnahme. Ob Kuba diese Investitionen, die offiziellen Angaben zufolge aus eigenen Mitteln erfolgen soll, tatsächlich stemmen kann, bleibt allerdings unklar.[2][24]

Einzelnachweise

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  1. «Kuba bräuchte gerade jetzt mehr Unterstützung». In: SRF. 1. November 2024, abgerufen am 2. November 2024.
  2. a b Edwin Schuh: Nur 5 Prozent des Stroms in Kuba kommen aus erneuerbaren Energien. In: Germany Trade & Invest. 3. Mai 2024, abgerufen am 21. November 2024.
  3. Cuba prevé apagones simultáneos en hasta el 35% del país este lunes. In: infobae. 30. Oktober 2024, abgerufen am 31. Oktober 2024 (spanisch).
  4. La Unión Eléctrica pronostica una afectación de 1 510 MW para el horario pico nocturno. In: Cubadebate. 16. November 2024, abgerufen am 16. November 2024 (spanisch).
  5. Cuba sufrió un nuevo apagón generalizado, en medio de su peor déficit energético del año. In: Infobae. 19. November 2024, abgerufen am 20. November 2024 (spanisch).
  6. Neues schwimmendes Kraftwerk in Kuba eingetroffen. In: Deutsches Büro zur Förderung von Handel und Investitionen in Kuba. AHK Kuba, 6. Februar 2023, abgerufen am 2. November 2024.
  7. Knut Henkel: Nach dem Stromausfall kam der Sturm. In: taz. 21. Oktober 2024, abgerufen am 23. Oktober 2024.
  8. Díaz-Canel rejects aid from the United States following the general blackout and the passage of Hurricane Oscar. In: Cibercuba. 23. Oktober 2024, abgerufen am 23. Oktober 2024 (englisch).
  9. Unión Eléctrica (UNE). In: Cubadebate. Abgerufen am 22. November 2024 (spanisch).
  10. UNE pronostica afectación de 1 420 MW durante pico nocturno de este viernes. In: Cubadebate. 22. November 2024, abgerufen am 22. November 2924 (spanisch).
  11. Andreas Knobloch: Großbrand verschärft Kubas Energiekrise. In: DW. Deutsche Welle, 10. August 2022, abgerufen am 25. Oktober 2024.
  12. Mehr als 100 Verletzte bei Mega-Brand in Kuba. In: Deutsche Welle. 7. August 2022, abgerufen am 25. Oktober 2024.
  13. Kuba: Hurrikan Ian verursacht landesweiten Stromausfall. In: Blickpunkt Lateinamerika. 28. September 2022, abgerufen am 26. Oktober 2024.
  14. Stromausfall in ganz Kuba nach Hurrikan «Ian». In: Watson. 28. September 2022, abgerufen am 26. Oktober 2024.
  15. Cuba sufre un tercer apagón masivo en nueve días. In: swissinfo. 23. Februar 2023, abgerufen am 2. November 2024 (spanisch).
  16. Kubas Energiekrise auf neuem Höhepunkt. In: ORF. 19. Oktober 2024, abgerufen am 20. Oktober 2024.
  17. UNE pronostica afectación de 946 MW durante pico nocturno de este viernes. In: Cubadebate. 25. Oktober 2024, abgerufen am 25. Oktober 2024 (spanisch).
  18. Cuba hit by second nationwide blackout as Hurricane Rafael approaches. In: The Guardian. 6. November 2024, abgerufen am 6. November 2024 (englisch).
  19. Huracán Rafael destruyó torres de alta tensión en autopista Habana-Artemisa. In: CiberCuba. 7. November 2024, abgerufen am 7. November 2024 (spanisch).
  20. Cuba tras el paso de Rafael y actualización sobre el restablecimiento del Sistema Electroenergético Nacional. In: Cubadebate. 7. November 2024, abgerufen am 8. November 2024 (spanisch).
  21. Actualización sobre el proceso de recuperación y el sistema electronergético nacional en Cuba. In: Cubadebate. 8. November 2024, abgerufen am 8. November 2024 (spanisch).
  22. Festnahmen nach Demonstration wegen zweitägigen Stromausfalls auf Kuba. In: Zeit Online. 10. November 2024, abgerufen am 10. November 2024.
  23. Ernesto Emil: Millones insuficientes: el dinero ruso no alcanza para encender Cuba. In: El Toque. 19. November 2024, abgerufen am 22. November 2024 (spanisch).
  24. Kuba kündigt den Bau weiterer Solarparks an. In: Deutsches Büro zur Förderung von Handel und Investitionen in Kuba. AHK, 18. Juni 2024, abgerufen am 21. November 2024.