Mit dem Ewigen Landfrieden vom 7. August 1495[1] wurde unter dem deutschen König und späteren Kaiser Maximilian I. im Heiligen Römischen Reich das definitive und unbefristete Verbot des mittelalterlichen Fehderechts auf dem Reichstag zu Worms verkündet. Eine Begründung, die zum allgemeinen Landfrieden führte, war, dass er notwendige Voraussetzung für einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich sei. Tatsächlich wurden aber im Reichsgebiet noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein ungeachtet des formalen Verbotes weiterhin Fehden geführt.
Inhalt
BearbeitenDer ewige Landfriede schloss die Entwicklung der Landfriedensbewegung ab, die nach ersten Ansätzen im 12. Jahrhundert ihren ersten bedeutsamen Niederschlag im Mainzer Landfrieden von 1235 fand. Er zielte vorrangig auf die kleineren Adligen ab, die im Prozess der Bildung von herrschaftlichen Territorien nicht mitgehalten hatten. Deren „Fehdefreudigkeit“ widersprach zunehmend der Absicht der Reichsfürsten und Reichsstädte, ihre Territorien zu befrieden und zu konsolidieren.
Ansprüche sollten fortan nicht mehr im Kampf, sondern auf dem Rechtsweg geltend gemacht werden. Beschlossen wurde das Reichsgesetz am 7. August 1495 auf dem Reichstag zu Worms. Damit war theoretisch an die Stelle der Gewalt der Rechtsweg vor die Instanzen des Reiches und der Territorien getreten, auch wenn die Durchsetzung dieses Prinzips noch mehrere Generationen brauchte. Im modernen Sinne formulierte der Ewige Landfriede das Gewaltmonopol des Staates beziehungsweise der öffentlichen Hand.
Die Formulierung des Ewigen Landfriedens passte sich in „parallele“ Entwicklungen in anderen europäischen Ländern zu dieser Zeit ein, in denen ebenfalls das Gewaltmonopol der öffentlichen Hand durchgesetzt wurde, denn Konflikte sollten verrechtlicht werden. Dies wurde durch die Bündelung der Herrschaftsmacht bei den jeweiligen Monarchen begleitet. In diesen Ländern war der Prozess der Staatsbildung insoweit abgeschlossen, dass man diesen Ländern eindeutige äußere Grenzen bescheinigen kann.
Die privatrechtliche Fehde wurde im Inneren verboten und kriminalisiert, nach außen hin führten die werdenden Nationalstaaten Krieg.
Neben der Monopolisierung der Gewalt durch die öffentliche Hand ist der Ewige Landfriede noch in anderer Hinsicht bedeutsam. Er war allgemein und überall gültig und Verstöße sollten unbedingt und überall geahndet werden. Punktuelle oder zeitlich begrenzte Beschränkungen des Fehderechtes gab es bereits im Mittelalter, so wurden beispielsweise während einiger Kreuzzüge Auseinandersetzungen für die Zeit der Abwesenheit des Kaisers aus dem Reich ausgesetzt oder verboten. Nun aber trat an die Stelle der fürstlichen Konfliktschlichtung und -entscheidung im Einzelfall die für jedermann verbindliche Rechtsnorm, das Gesetz für alle.
Zur Durchsetzung des Landfriedens bedurfte es einer funktionierenden Justiz im Reich. Zur Wahrung des Ewigen Landfriedens wurde deshalb als oberste Rechtsinstanz das Reichskammergericht in Frankfurt am Main geschaffen, das später nach Speyer und nach Wetzlar verlegt wurde. Mit der Durchsetzung des ewigen Landfriedens in den einzelnen Regionen waren ab 1500 die neu geschaffenen Reichskreise betraut. Der Schutz des Friedens im Reich war, da das Kammergericht und die Reichskreise ständisch besetzt beziehungsweise von den Reichsständen gebildet wurden, nun nicht mehr ein Monopol des Königs.
Der sogenannte ewige Landfriede gehört mit der Goldenen Bulle von 1356 zu den ersten Grundgesetzen des Reichs, denn mit seinem Gebot zur Einhaltung des Rechtsweges schuf er die entscheidenden Grundlagen für die Entwicklung des Reiches zu einer echten Rechtsgemeinschaft. Das höchste zuständige Gericht, das Reichskammergericht, wurde vom Hof des Königs losgelöst. Damit hatte der König seine letzte Zuständigkeit nunmehr auch für alle Landfriedenssachen abgegeben. Dem Kammerrichter unterlag die Ächtungsgewalt. Für alle Veränderungen am Kammergericht oder in der Gerichtsordnung war der Reichstag zuständig. Hieran ist sehr deutlich der starke Einfluss der Reichsstände zu erkennen. Von allen vorangegangenen Landfriedensordnungen unterscheidet sich der Ewige Landfriede dadurch, dass der König an der Herstellung und Verwirklichung des öffentlichen Friedens nur durch den hoheitlichen Akt der Gesetzgebung teilhat. Die Durchführung des Friedens in Gericht und Exekution ist innerhalb der Territorien uneingeschränkt den territorialen Gewalten überlassen, deren Institutionen von der Verfügungsgewalt des Königs losgelöst sind. Der König hat damit nur mehr die Friedenshoheit inne, übt aber keine reale Friedensgewalt mehr aus.
Der ewige Landfrieden von 1495 war die Grundlage einer Landfriedensgesetzgebung, die das Reich mehrmals bis 1548 erneuerte und ergänzte. Den Abschluss brachte der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der sich als ein „beständiger, beharrlicher, unbedingter, für und für ewig-währender Friede“ bezeichnete.
Paragraphen
Bearbeiten§ 1 Niemand, gleich welcher gesellschaftlicher Stellung, darf jemand anderen bekriegen oder sonstiges Leid zufügen.
§ 2 Alle bestehenden Fehden werden aufgehoben.
§ 3 Jeder, der dieses Verbot bricht, wird, gleich welchen Standes, mit der Reichsacht belegt.
§ 4 Jeder ist verpflichtet, einen des Friedbruches Verdächtigen zu stellen oder zu melden.
§ 5 Wer gegen § 4 verstößt, verliert selber jegliche Vorrechte.
§ 6 Kammerrichter und Reichstag unterstützen die durch Fehden Geschädigten.
§ 7 Reisige Knechte sollen als gefährliche Elemente nirgends geduldet werden.
§ 8 Verbrecher gegen die geistlichen Gesetze sollen wie Verbrecher gegen das weltliche Gesetz bestraft werden.
§ 9 Dieser Landfriede soll durch spätere Gesetze nicht außer Kraft gesetzt werden können.
§ 10 Wer nicht zum Wohle des Friedens beiträgt, verliert all seine Privilegien und Rechte.
§ 11 Niemand darf diesen Frieden aufgrund irgendeines Privilegs, seines Standes oder aus irgendeinem anderen Grund missachten.
§ 12 Dieser Friede soll keine anderen, bereits bestehenden Gesetze aufheben.
Gegenwart
BearbeitenDer Schutz des Landfriedens ist auch heute noch ein hohes Gut der Rechtsordnung. Landfriedensbruch ist nach dem Strafgesetzbuch (§ 125 dStGB bzw. § 274 öStGB, Art. 260 chStGB) strafbar. Der Staat erkennt ein Recht der Durchsetzung eigener Rechte unter Gewaltanwendung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen (z. B. Notwehr) an. Das Gewaltmonopol des Staates hat eine Wurzel in der Landfriedensbewegung, die sich im 15. Jahrhundert durchsetzte.
Literatur
Bearbeiten- Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe: Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 5: Heinz Angermeier (Bearb.): Reichstag von Worms 1495. 3 Teilbände. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981, ISBN 3-525-35406-1.
- Mattias G. Fischer: Reichsreform und „Ewiger Landfrieden“. Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495. Scientia, Aalen 2007, ISBN 978-3-511-02854-1 (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. NF 34), (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 2002).
- Axel Gotthard: Das Alte Reich. 1495–1806. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15118-6 (Geschichte kompakt – Neuzeit).
- Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.): Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1495–1815. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, ISBN 3-534-01959-8 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit 13).
- Elmar Wadle: Der Ewige Landfriede von 1495 und das Ende der mittelalterlichen Friedensbewegung. In: Claudia Helm, Jost Hausmann (Red.): 1495 – Kaiser, Reich, Reformen. Der Reichstag zu Worms. (Ausstellung des Landeshauptarchivs Koblenz in Verbindung mit der Stadt Worms zum 500-jährigen Jubiläum des Wormser Reichstags von 1495). Landeshauptarchiv, Koblenz 1995, ISBN 3-931014-20-7, S. 71–80 (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz).
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Klaus Herbers, Helmut Neuhaus: Das Heilige Römische Reich: Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806). Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2005, ISBN 978-3-4122-3405-8, S. 187 f.