Fraktion (Bundestag)

Zusammenschluss von mindestens fünf Prozent der Bundestagsmitglieder

Die Fraktionen des Deutschen Bundestages sind Zusammenschlüsse von mindestens 5 % der Bundestagsmitglieder (vgl. § 10 Abs. 1 GoBT). Sie stellen zentrale Handlungseinheiten des Bundestages dar[1] und sind das politische Gliederungsprinzip für dessen Arbeit.[2]

Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages ist nach Fraktionen aufgeteilt.

Rechtsgrundlagen

Bearbeiten

Fraktionen bilden sich aus Parlamentariern derselben Partei oder aus Parteien, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in den einzelnen Bundesländern nicht miteinander konkurrieren.[3] Falls die Parteien einer Fraktion miteinander konkurrieren, dann kann die Bildung dieser Fraktion nur mit der Zustimmung des Bundestages erfolgen.[4] Die gesetzlichen Regelungen über Fraktionen finden sich nicht im Grundgesetz, wo der Rechtsbegriff nur einmal in Art. 53a GG im Zusammenhang des Gemeinsamen Ausschusses genannt wird. Die Bedingungen ihrer Bildung, ihre Aufgaben und Rechte sind im Abgeordnetengesetz in den §§ 53 bis 54 AbgG geregelt. Weitere Regelungen finden sich gemäß § 53 Abs. 2 AbgG nachrangig in der Geschäftsordnung des Bundestages (vgl. § 10 und § 11 GOBT).

Eine Gruppierung von mindestens drei Abgeordneten, die weniger als 5 % der Sitze hält, wird als Gruppe anerkannt. Ihnen stehen weniger Rechte als den Fraktionen zu, sie haben jedoch Antrags-, Mitgliedschafts- und Rederechte in den Ausschüssen. Einzelpersonen oder Personen aus Gruppierungen, die nicht als Gruppe anerkannt sind, gelten als fraktionslose Abgeordnete.

Die Rechtsstellung der Fraktionen des Deutschen Bundestages ist in § 54 AbgG geregelt. Danach sind sie rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten (Abs. 1) und können klagen und verklagt werden (Abs. 2); sie sind nicht Teil der öffentlichen Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus (Abs. 3). Siehe auch (Teil-)Rechtsfähigkeit.

Fraktionen genießen zahlreiche Rechte: Ihnen steht ein Sitzungszimmer in den Räumen des Deutschen Bundestags zu, sie stellen Mitglieder des Ältestenrates und erhalten zusätzliche Finanzmittel für die Fraktionsführung.

Als teilrechtsfähiger Verband können Fraktionen Parlamentsrechte des Bundestages im eigenen Namen geltend machen. Ihnen steht etwa das Recht zu, Große Anfragen zu stellen oder eine Aktuelle Stunde zu beantragen.

Die Mitglieder der Bundestagsausschüsse sowie der Untersuchungsausschüsse werden von den Fraktionen entsandt, auch die Redezeit der Abgeordneten des Bundestages wird maßgeblich über sie organisiert. Durch ihre Kompetenzen in Bezug auf die Karriere- und Profilierungsmöglichkeiten der Abgeordneten wird in Deutschland gelegentlich eine zu hohe Fraktionsdisziplin beklagt, die dem freien Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstehe.

Finanzierung

Bearbeiten

Die Fraktionen des Deutschen Bundestags werden aus öffentlichen Mitteln finanziert. Rechtsgrundlage ist ein entsprechender Ansatz im Bundeshaushaltsplan. Die Mittel werden zum großen Teil für Löhne und Gehälter der Fraktionsmitarbeiter verwendet. Der Zuschuss setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag, den jede Fraktion erhält, und einem Zuschlag entsprechend der Stärke der jeweiligen Fraktion. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 119,4 Mio. € an die Fraktionen des Deutschen Bundestags gezahlt.[5] Die geprüften Rechnungen der Fraktionen werden alljährlich (im August) als Drucksache des Bundestags bekannt gemacht.[6]

Fraktionen aus unterschiedlichen Parteien

Bearbeiten

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein Beispiel für eine Fraktion, deren Mitglieder verschiedenen Parteien angehören. Die CSU kann nur in Bayern gewählt werden und die CDU nur in den restlichen Bundesländern. Die beiden Parteien konkurrieren nicht miteinander.

Die Linksfraktion bestand bis zum Beitritt der WASG zu der Linken aus Mitgliedern der PDS und der WASG und einigen Parteilosen. Die beiden Parteien traten jedoch zur Bundestagswahl bundesweit nirgends im Wettbewerb gegeneinander an, sondern jeweils als eine gemeinsame Wahlliste. Die WASG-Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und Berlin waren jedoch in ihren Bundesländern bei Landtags- bzw. Abgeordnetenhauswahlen gegen die jeweiligen PDS-Landesverbände angetreten. Es gab Bedenken, dass dieses Vorgehen der gemeinsamen Bundestagsfraktion die Grundlage der Existenz hätte entziehen können.

Im ersten Bundestag gab es ab Dezember 1951 mit der Föderalistischen Union eine weitere Fraktion mehrerer nicht konkurrierender Parteien: Bayernpartei, Zentrumspartei und SSW.

Fraktionen können auch Abgeordnete anderer Parteien oder parteilose Abgeordnete als Gäste aufnehmen. Es besteht kein Fraktionszwang.

Archive der Fraktionen

Bearbeiten

Die Unterlagen der Fraktionen des Deutschen Bundestages werden in den Archiven der Parteinahen Stiftungen aufbewahrt.

Aktuelle und ehemalige Fraktionen

Bearbeiten

Fraktionen und Gruppen im Deutschen Bundestag seit 1949

Schmale Balken kennzeichnen Gruppen.

Föderalistische UnionDeutsche Gemeinschaft (Deutschland)Deutsche Konservative Partei – Deutsche RechtsparteiWirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Partei)Deutsche ZentrumsparteiBayernparteiKommunistische Partei DeutschlandsGesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und EntrechtetenFreie VolksparteiDeutsche ParteiBündnis Sahra WagenknechtFraktion Die Linke im BundestagAfD-Fraktion im Deutschen BundestagBundestagsfraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion der Freien DemokratenSPD-BundestagsfraktionCDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Für die Bildung einer Fraktion waren bis zum Dezember 1951/Januar 1952 zehn Abgeordnete, danach 15 Abgeordnete notwendig. Mit Beginn der 6. Wahlperiode wurde am 27. März 1969 diese Hürde auf 5 % der Mitglieder des Bundestages erhöht. Dies waren 26 Abgeordnete, ab dem 3. Oktober 1990 34 Abgeordnete, von 2002 bis 2009 31 Abgeordnete, von 2009 bis 2017 32 Abgeordnete und von 2017 bis 2021 36 Abgeordnete. Im 20. Bundestag sind seit 2021 zur Fraktionsbildung 37 Abgeordnete erforderlich. Diese Anzahl von Abgeordneten bildet(e) die jeweilige Fraktionsmindeststärke,[4] häufig auch als Fraktionsstärke bezeichnet („Die Zahl der Abgeordneten der Partei X im Bundestag erreicht Fraktionsstärke“); gleichzeitig wird der Begriff der Fraktionsstärke auch für die Anzahl der Abgeordneten einer Fraktion verwendet („Die Fraktionsstärke von X beträgt Y Sitze.“).[7]

Aktuelle Fraktionen

Bearbeiten
  • CDU/CSU-Fraktion seit September 1949
    • Oktober 1990 bis Dezember 1990 CDU/CSU/DSU-Fraktion
  • SPD-Fraktion seit September 1949
  • FDP-Fraktion September 1949 bis Oktober 2013 und seit September 2017
  • Fraktion Bündnis 90/Die Grünen seit Oktober 1994
    • Fraktion Die Grünen März 1983 bis Oktober 1990
    • Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 Oktober 1990 bis Dezember 1990
    • Gruppe Bündnis 90/Die Grünen, Dezember 1990 bis Oktober 1994
  • AfD-Fraktion seit September 2017

Ehemalige Fraktionen

Bearbeiten
  • Fraktion Die Linke September 2005 bis 6. Dezember 2023 (aufgelöst durch Beschluss)
    • Gruppe der PDS Oktober 1990 bis September 1998
    • PDS-Fraktion September 1998 bis September 2002 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
    • Gruppe Die Linke seit 2. Februar 2024
  • DP-Fraktion September 1949 bis Juli 1960 (Fraktionsstatus verloren)
    • Dezember 1951 bis Dezember 1952 DP/DPB-Fraktion
    • März 1957 bis September 1957 DP/FVP-Fraktion
    • DP-Gruppe, Juli 1960 bis Mai 1961 (aufgelöst nach Parteifusion mit GB/BHE zur GDP)
  • FVP-Bundestagsfraktion Juni 1956 bis März 1957 (Fusion mit DP-Fraktion)
    • März 1956 Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten
    • März 1956 bis Juni 1956 Demokratische Arbeitsgemeinschaft
  • KPD-Fraktion, September 1949 bis Dezember 1951 (Fraktionsstatus verloren)
    • Gruppe der KPD Januar 1952 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
  • Fraktion der Föderalistischen Union, Dezember 1951 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
  • Fraktion des Zentrums, September 1949 bis Dezember 1951 (Fusion zur Fraktion der Föderalistischen Union)
  • BP-Fraktion September 1949 bis Dezember 1951 (Fusion zur Fraktion der Föderalistischen Union)
  • WAV-Fraktion, September 1949 bis Oktober 1950 (Fraktionsstatus verloren, teilweiser Übertritt zur BHE/DG-Gruppe)
    • Gruppe der WAV, Oktober 1950 bis Dezember 1951 (teilweiser Übertritt zur DP/DPB-Fraktion) und April 1953 bis September 1953 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
  • GB/BHE-Fraktion September 1953 bis September 1957 (aus dem Bundestag ausgeschieden)
    • Deutscher Gemeinschaftsblock der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE/DG), Oktober 1950 bis März 1952 (Übertritt zu DP/DPB-Fraktion)

Siehe auch

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Paul Kevenhörster: Fraktion, In: Uwe Andersen/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 7. aktualisierte Auflage Heidelberg: Springer 2013.
  2. BVerfGE 80, 188
  3. Der Präsident des 6. Deutschen Bundestages Kai-Uwe von Hassel: § 10 Absatz 1 Satz 1 2. Halbsatz Bekanntmachung der Neufassung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 22. Mai 1970. In: Website https://www.bgbl.de. 6. Deutscher Bundestag, 22. Mai 1970, abgerufen am 20. September 2023.
  4. a b Geschäftsordnung des Bundestages §10 Abs. 1
  5. Geldleistungen an die Fraktionen. In: Datenhandbuch. Deutscher Bundestag, 2021, abgerufen am 26. September 2021.
  6. Eine aktuelle Drucksache erschließt: BT-Drs. 18/2380.
  7. Fraktionsstärke – Schreibung, Definition, Bedeutung, Beispiele. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 30. Juli 2024.