Frank Bsirske

deutscher Politiker (B90/Grüne), Gewerkschafter, ehem. ver.di-Vorsitzender, MdB

Frank Bsirske (* 10. Februar 1952 in Helmstedt) ist ein deutscher Politiker und früherer Gewerkschaftsfunktionär. Er war von 2001 bis 2019 Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di und ist seit 1987 Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2021 ist er Bundestagsabgeordneter.

Frank Bsirske, 2018
Unterschrift von Frank Bsirske
Frank Bsirske, 2010

Bsirske ist der Sohn eines Arbeiters bei der Volkswagen AG und einer Krankenschwester. Sein Vater war Anhänger der KPD. Nach der Mittleren Reife (1967) holte er im Jahr 1971 sein Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium in Wolfsburg nach. In der Zeit war Bsirske Mitglied der SPD, wurde jedoch im Jahr 1970 aus der Partei ausgeschlossen, da ihm parteischädigendes Verhalten vorgeworfen wurde, weil er Unterschriften für die Deutsche Kommunistische Partei gesammelt hatte, damit diese zur Landtagswahl in Niedersachsen zugelassen wird.[1][2]

Bsirske studierte von 1971 bis 1978 Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Von 1978 bis 1987 war er als Bildungssekretär im Bezirk Hannover der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken tätig. Im Jahr 1987 wurde er Fraktionsmitarbeiter der Grünen Alternativen Bürgerliste im Rat der Stadt Hannover, 1989 Sekretär der Kreisverwaltung der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) in Hannover. 1990 stieg Bsirske zum stellvertretenden Geschäftsführer der ÖTV-Kreisverwaltung und 1991 zum stellvertretenden Bezirksvorsitzenden des ÖTV-Bezirks Niedersachsen auf. In den Jahren 1997 bis 2000 führte er als Stadtrat das Personal- und Organisationsdezernat der Stadt Hannover.[3]

Dort begann er einige Reformprojekte (etwa kundenfreundliche Bürgerämter), sorgte allerdings auch für den Abbau von fast 1.000 Stellen unter den damals 16.000 Beschäftigten der Landeshauptstadt. Seit März 2010 ist Bsirske Kuratoriumsmitglied des Deutschen Familienverbandes. Er war im Mai 2012 Mitorganisator der ersten erfolgreichen Europäischen BürgerinitiativeWasser ist ein Menschenrecht!“. Er ist Präsident der UNI-Europa und war im Jahr 2020 Gründungsmitglied des Rats der Arbeitswelt.

Im August 2020 kündigte Bsirske an, 2021 im Wahlkreis Helmstedt – Wolfsburg für den Deutschen Bundestag kandidieren zu wollen.[4][5] Am 31. Oktober 2020 wurde Bsirske dort mit 44 von 66 Stimmen der Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis zum Kandidaten seiner Partei gewählt.[6] Er zog 2021 über die Landesliste in den Deutschen Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2025 kandidiert er nicht erneut.[7]

Gewerkschaftsarbeit

Bearbeiten

Im November 2000 wurde Frank Bsirske als Nachfolger von Herbert Mai Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die unter seiner maßgeblichen Mitarbeit im Jahr 2001 in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) aufging. Bsirske war vom 20. März 2001 bis September 2019 ver.di-Vorsitzender.

Am 2. Oktober 2007 wurde Bsirske auf dem ver.di-Bundeskongress in Leipzig mit 94,3 Prozent der Delegiertenstimmen zum dritten Mal in das Amt des ver.di-Vorsitzenden gewählt. Bsirske ist Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Deutsche Bank AG, des Energiekonzerns RWE AG, der Lufthansa AG und der Postbank. Bei der Lufthansa wurde er im Jahre 2003 nach einem Streikaufruf als Aufsichtsratsmitglied nicht entlastet. Der Streik soll das Unternehmen mehrere Millionen Euro gekostet haben.[8] Bsirske ist außerdem Mitglied im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

In den Jahren 2011 und 2015 wurde er bei den jeweiligen ver.di-Bundeskongressen für eine vierte bzw. fünfte Amtszeit wiedergewählt; 2011 erhielt er 94,7 %[9] und 2015 waren es 88,5 %.[10] Am 24. September 2019 wurde Frank Werneke auf dem ver.di-Bundeskongress in Leipzig zu Bsirkes Nachfolger gewählt, nachdem sich dieser nicht mehr zur Wiederwahl gestellt hatte.[11]

Einkünfte

Bearbeiten

Aus der Aufsichtsrat-Tätigkeit bei der Lufthansa erhielt er 2010 insgesamt 175.000 Euro[12], als Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Postbank mehr als 18.000 Euro[13] und aus der Tätigkeit als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beim Energiekonzern RWE noch einmal 234.000 Euro im Jahr 2010.[14] Als Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank erhielt Bsirske für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 insgesamt rund 529.000 Euro[15].

Einem Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 5. August 2008 zufolge hatte Bsirske sein Einkommen schon vor langer Zeit offengelegt. Nach Angaben seines Sprechers verdiente er damals 175.000 Euro im Jahr. Von seinen Vergütungen als Aufsichtsrat bei der Lufthansa und RWE in Höhe von insgesamt 427.000 Euro im Jahr behielt er laut seinem Sprecher 50.900 Euro.[16] Diese Aussage steht jedoch in Widerspruch zum Beschluss des DGB-Bundesausschusses vom 10. Oktober 2000 zu den Abführungsverpflichtungen von Arbeitnehmervertretern, die als Mitglied einer DGB-Gewerkschaft in einen Aufsichtsrat gewählt wurden. Dieser Beschluss erlaubt einfachen Aufsichtsratsmitgliedern einen maximalen Eigenbehalt von 4600 Euro und stellvertretenden Aufsichtsratsmitgliedern einen Eigenbehalt von maximal 6900 Euro. Die überschießenden Beträge sind an die Hans-Böckler-Stiftung oder andere gewerkschaftsnahe Einrichtungen abzuführen.[17] Im zuvor angeführten Artikel der Frankfurter Rundschau ist ebenfalls erwähnt, dass Bsirske die Tantiemen für sein drittes Aufsichtsratsmandat komplett abführt. Damit genügt er § 10 Nr. 2 der ver.di-Satzung, nach dem alle bei ver.di hauptamtlich Beschäftigten verpflichtet sind, die ab dem dritten Aufsichtsratsmandat erhaltenen Vergütungen vollständig abzuführen.[18]

Im Sommer 2008 wurde Bsirske öffentlich kritisiert, weil er eine private First-Class-Flugreise mit der Lufthansa nach Los Angeles unternommen hatte, während die Fluggesellschaft zeitgleich durch ver.di bestreikt wurde. Als Mitglied des Aufsichtsrates der Lufthansa wurden ihm solche Freiflüge gewährt. Nach heftiger Kritik aus den Medien, von Politikern der Unionsparteien und FDP sowie auch aus dem Gewerkschaftslager selbst erklärte sich Bsirske bereit, den Flugpreis selbst zu tragen.[19][20]

Im Jahr 2010 war Bsirske im Spiegel-TV-Film Unter Linken von Jan Fleischhauer zu sehen. Fleischhauer fragt ihn in der Ver.di-Bundesverwaltung, ob er sich bei den beiden Polizisten entschuldigt hätte, die auf einer Demonstration, zu der verschiedene Ver.di-Bezirke aufgerufen hatten, durch einen Sprengsatz schwer verletzt worden waren.[21] Bsirske verneint und wendet ein, dass Organisationen, die zu einer Demonstration aufrufen, keine Verantwortung für dort begangene Straftaten tragen würden. Nachdem Bsirske weggeht und Fleischhauer nachhakt, greift Bsirske Fleischhauer am Jackett. Fleischhauer gab später an, Bsirske hätte ihn fast verprügelt.[22]

Schriften

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Frank Bsirske – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Katharina Schuler: „In meinem Alter ist die Frage: Legt man jetzt die Füße hoch?“ Interview mit Frank Bsirske. In: www.zeit.de. Die Zeit, 20. Oktober 2021, abgerufen am 13. Februar 2023.
  2. Alfons Frese: Der Dienstmeister: Verdi-Chef Bsirske geht in Rente. In: www.tagesspiegel.de. Tagesspiegel, 22. September 2019, abgerufen am 13. Februar 2023.
  3. Verdi: Vita Frank Bsirske – Verdi Vorsitzender Website von Verdi
  4. Ex-Ver.di-Chef Bsirske will für die Grünen in den Bundestag. In: Der Spiegel. 17. August 2020, abgerufen am 19. August 2020.
  5. Reinhard Bingener: Eisbrecher für die Grünen? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. August 2020, abgerufen am 19. August 2020.
  6. Wolfsburger Nachrichten, Wolfsburg Germany: Wolfsburg: Grüne bestätigen Frank Bsirske als Bundestagskandidat. In: www.wolfsburger-nachrichten.de. 2. November 2020, abgerufen am 3. November 2020 (deutsch).
  7. Alfons Frese: Frank Bsirske zieht sich zurück: Ex-Verdi-Chef kandidiert nicht mehr für den Bundestag. In: tagesspiegel.de. 17. September 2024, abgerufen am 29. November 2024.
  8. Stern: ver.di-Chef im Visier der Lufthansa-Aktionäre; Bericht auf www.stern.de vom 18. Juni 2003.
  9. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft: Frank Bsirske als ver.di-Vorsitzender wiedergewählt; Pressemitteilung vom 19. September 2011.
  10. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft: Frank Bsirske als ver.di-Vorsitzender wiedergewählt; Pressemitteilung vom 20. September 2015.
  11. Nachfolger von Bsirske: Frank Werneke ist neuer Verdi-Chef. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 25. September 2019]).
  12. Lufthansa AG: Geschäftsbericht 2010. (PDF; 5,26 MB) In: investor-relations.lufthansagroup.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Januar 2017; abgerufen am 30. Juli 2018.
  13. Vergütung des Aufsichtsrats (Memento vom 26. März 2012 im Internet Archive) auf der Internetpräsenz der Postbank, abgerufen am 14. März 2012
  14. Vergütung des Aufsichtsrats auf der Internetpräsenz von RWE, abgerufen am 26. Februar 2012
  15. Deutsche Bank: Vergütungsbericht Deutsche Bank 2017 & 2018. In: Website Deutsche Bank. Deutsche Bank AG, 2018, abgerufen am 24. Januar 2020 (deutsch).
  16. Eva Roth: Was Gewerkschafts-Chefs verdienen. Frankfurter Rundschau vom 5. August 2008, abgerufen am 11. Mai 2012. (Memento vom 30. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  17. Peter Hanau: Die Verpflichtung zur Abführung von Aufsichtsratsvergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung. Rechtsgutachten, Arbeitspapier 254 der Hans-Böckler-Stiftung (PDF-Datei; 1,19 MB), S. 9 f, abgerufen am 11. Mai 2012
  18. Satzung der Gewerkschaft ver.di zitiert nach Peter Hanau: Die Verpflichtung zur Abführung von Aufsichtsratsvergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung. Rechtsgutachten, Arbeitspapier 254 der Hans-Böckler-Stiftung (PDF-Datei; 1,19 MB), S. 13 f, abgerufen am 11. Mai 2012
  19. First Class in die USA: Ver.di-Chef Bsirske entschuldigt sich für Lufthansa-Freiflug; Bericht bei Spiegel online vom 4. August 2008
  20. Richard Rother: Die vermeintlichen Skandale der Bild: Fliegender Verdi-Chef in der Kritik; Bericht auf taz.de vom 1. August 2008
  21. Svenja Bergt: Protest gegen schwarz-gelbes Sparpaket: Böller sprengt Demo. In: Die Tageszeitung: taz. 14. Juni 2010, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 12. März 2021]).
  22. Ulf Poschardt: Jan Fleischhauer: Vom Ver.di-Chef wurde er fast verprügelt. In: DIE WELT. 22. September 2010 (welt.de [abgerufen am 11. März 2021]).