Gleitbombe
Die Gleitbombe ist eine Abwurfwaffe. Im Gegensatz zur nur vertikal fallenden Bombe kann sie wegen ihrer horizontalen Antriebskomponente Ziele in größerer Distanz zum Flugzeug erreichen. Sie besitzt also eine höhere effektive Reichweite.
Funktionsweise
BearbeitenDie Steigerung der Reichweite gegenüber einer reinen Abwurfwaffe, z. B. einer konventionellen Fliegerbombe, wird mit einer aerodynamischen Konstruktion erreicht, die entweder integraler Bestandteil der Gleitbombe ist oder als separate Baugruppe an einer konventionellen Fliegerbombe angebracht wird. So kann das Trägerflugzeug möglichst weit weg vom Bodenziel und somit von gegnerischem Abwehrfeuer bleiben. Zusätzlich besteht bei einer gesteuerten Gleitbombe die Möglichkeit, die Waffe ins Ziel zu steuern.
Dagegen muss das Trägerflugzeug nach dem Abwurf einer reinen Fliegerbombe das Bodenziel überfliegen und ist dabei dem gegnerischen Abwehrfeuer ausgesetzt.
Außer in der aerodynamischen Konstruktion und der Steuerung unterscheiden sich Gleitbomben in der Zielsuche und im Sprengkopf. Auch gibt es Gleitbomben mit Antrieb, um die Reichweite oder die Endgeschwindigkeit zu erhöhen. Aerodynamische Flugkörper mit dauerhaft arbeitendem Triebwerk bezeichnet man dagegen als Marschflugkörper.
Gesteuert wird über Funk, früher über Draht. Mangels Informationsverarbeitungstechnik im Zweiten Weltkrieg wurde damals das Ziel manuell gesucht, meistens mit dem Zieldeckungsverfahren. Dabei werden Ziel und Gleitbombe aus der Sicht des Bombenschützen in Deckung gehalten. Die Gleitbombe verfügte dazu meist über ein optisches Signalfeuer. Ausnahmen sind die amerikanische Bat, die über eine autonome radargelenkte Steuerung verfügte, und die japanische Yokosuka MXY-7, die bemannt war. Je nach Ziel wurden konventionelle Sprengköpfe, Hohlladungssprengköpfe oder Lufttorpedos verwendet.
Geschichte
BearbeitenBereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten ab 1910 die USA, ab 1912 Italien und Großbritannien mit der Entwicklung von Lufttorpedos, den Vorläufern der Gleitbomben, begonnen.[1][2] 1912 erhielt Bradley A. Fiske, Kapitän zur See der US-Navy, ein Patent.[3] Erstmals zum Einsatz kam ein Lufttorpedo am 28. Juli 1914, als der spätere britische Air Chief Marshall Arthur Longmore, als RNAS-Pilot, einen offiziellen Testabwurf nahe der Royal Naval Air Basis in Calshot (Hampshire) unternahm.[4] Der britische Pilot Charles Gordon Bell (1889–1918) hatte am Abend zuvor einen inoffiziellen Test geflogen.[5]
Im Deutschen Kaiserreich wurde ab 1914 der Lufttorpedo Siemens-Torpedo-Gleiter entwickelt. Die Erprobung begann ab 1915, mit Luftschiffen als Trägersystemen. Das Kriegsende 1918 verhinderte das Vorhaben, den Bomber Siemens-Schuckert R.VIII mit dem Siemens-Torpedo-Gleiter auszurüsten.[6]
Mit der Fritz X entwickelte der Elektroingenieur und promovierte Aerodynamiker Max Kramer die erste deutsche Gleitbombe. Er hatte bereits seit 1938 die Entwicklung funkgesteuerter Waffen betrieben und wirkte, seit 1940 beim Rüstungskonzern Ruhrstahl dienstverpflichtet, an raketengetriebenen Luft-Luft-Lenkwaffen (X-4 und X-1) mit.[7]
Beispiele für Gleitbomben
BearbeitenBeispiele für Gleitbomben im Zweiten Weltkrieg:
- Fritz X (auch wenn es sich hierbei nur um eine gesteuerte Freifallbombe handelt, kann diese dennoch, bedingt durch die Steuerung, als Gleitbombe gesehen werden)
- Henschel Minengleitbombe Hs 293, Hs 294, Hs 295, mit Raketenantrieb
- Blohm & Voss BV 143, mit Raketenantrieb
- Blohm & Voss BV 246
- Bat, erste radargesteuerte und autonome Gleitbombe (Fire-and-Forget).
- Yokosuka MXY-7, einzige im Einsatz bemannte Gleitbombe
Beispiele für moderne Gleitbomben:
Literatur
Bearbeiten- F.A. Brockhaus Wiesbaden, Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden, Ausg. 22, Verlag Brockhaus, 1966. ISBN 978-3-7653-0028-8
- Hugh Cecil, Peter Liddle: Facing Armageddon: The First World War Experience, Pen & Sword Books Ltd, London 1996. ISBN 978-0-85052-525-0
- Chris Chant: The World`s Great Bombers, Grange Books Ltd (New edition), Rochester (Kent), 2000. ISBN 978-0-7607-2012-7
- Hubert Faensen, Leo Seidel: Hightech für Hitler: die Hakeburg – vom Forschungszentrum zur Kaderschmiede, Ch. Links Verlag, 2001. ISBN 978-3-86153-252-1
- Bill Gunston: Illustrated Encyclopedia of the World’s Rockets and Missiles, Smithmark Publishers, New York 1987. ISBN 978-0-8317-7415-8
- Steven Wentworth Roskill: Documents relating to the Royal Naval Air Service 1908–18, Navy Records Society, London 1969. ISBN 978-1-911423-42-3
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Chant, 2000
- ↑ Roskill, 1969
- ↑ Patent US1032394A: Method of and apparatus for delivering submarine torpedoes from airships. Angemeldet am 12. April 1912, veröffentlicht am 16. Juli 1912, Erfinder: Bradley A. Fiske.
- ↑ Cecil, Liddle, 1996, p.202
- ↑ Keith Isaacs: Australian Naval Aviation – Part 1, in: Naval Historical Review, Dezember 1972 (Naval Historical Society of Australia)
- ↑ Zeitschrift für Flugwissenschaften, Bd. 5–6, Jahrgang 1957–58, S. 135–36
- ↑ Sven Felix Kellerhoff: Als die Wehrmacht die erste schlaue Bombe warf in: Die Welt, 9. September 2013