Hannöversch
Hannöversch bezeichnet eine in der Stadt Hannover gesprochene, historische Umgangssprache mit mundartlich gefärbten Redensarten. Hannöversch ist „weder Hochsprache noch Dialekt im eigentlichen Sinne, sondern [ein] Nebeneinander von Dialekten, Soziolekten und der Standardsprache.“[1]
Geschichte
BearbeitenAls Wurzeln des Hannöverschen gilt die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Hannover durchaus noch gesprochene niederdeutsche Sprache, hier gebildet aus Elementen
- des Plattdeutschen und
- seiner Unterform, dem sogenannten „Calenberger Platt“,
- des in Deutschland angeblich „reinsten“ Hochdeutschen
- sowie einer zwischen den beiden letzteren stehenden Verkehrssprache,[1]
„die den Formelementen nach Hochdeutsch ist, deren Wortschatz aber eine starke Beeinflussung durch das Plattdeutsche erfahren hat.[2]“
Das Hannöversche wurde, historisch bedingt, insbesondere während der sogenannten „Franzosenzeit“, durch französische Sprachelemente ergänzt und „bereichert“.[1]
In den 1920er Jahren machte sich der Hochschullehrer Theodor Lessing auf humorvolle Weise um eine Darstellung der Eigentümlichkeiten der Aussprache des Hannöverschen verdient, vor allem mit seinen Humoristischen hannoverschen Sitten- und Sprachstudien (siehe Literatur).[1]
Begriffe, Redensarten, Spezialitäten (erste Auswahl)
Bearbeiten- Bellawuppdich; stand sowohl für die Vergnügungsstätte Bella Vista als auch für „Wuppdich“ = ein heftiger (Tanz-)Schwung;[1]
- Brägen; steht für Gehirn oder auch für Kopf (Kölschen, Tünsel)[1]
- Braunkohl; die auch „niederdeutsche Palme“ genannte und vor allem in Schrebergärten angebaute spezielle Grünkohlsorte sollte erst nach dem ersten Frost geerntet und wird in Hannover vor allem mit Brägenwurst serviert.[1]
- Buttjer; „einer von draußen beziehungsweise vom Lande, aber auch dreister Bursche, Lümmel“;[1]
- Calenberger Pfannenschlag, ein speziell gewürztes Rinderwurstgericht;[1]
- dipsen bezeichnete in einem beinahe ausgestorbenen Straßenspiel den „Schuss“ sogenannter „Türkische Bohnen“ mit dem hervorschnellenden Zeigefinger in einen zuvor markierten Bereich[1]
- Lüttje Lage[1]
- Pindopp, ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem ein Kreisel oder kleiner Kegel zum Drehen gebracht wird (abgeleitet vom Pinn (Nagel), der in den Dopp (Kegel) geschlagen wird);[1]
- Puttappel (Bratapfel)[1]
- Schemisett bezeichnete ein Vorhemd (vom Französischen chemisette);[1]
- Stadtjapper; abwertende Bezeichnung für Jungen aus der Stadt, im Gegensatz zu den sogenannten Gartenkosaken;[1]
- Übern Deister (auch: Hinterm Deister) steht für „über alle Berge“, fort, weg, verschwunden, aber auch für eine anstehende Genesung von einer Krankheit;[1]
- Unterm Schwanz; Redewendung für den Treffpunkt „unter dem Schwanz des Pferdes“ vom Ernst-August-Denkmal;[1]
- Welfenspeise; gelbe Weinschaumsoße auf fester, glatter Creme, serviert in höheren Schalen oder Gläsern, um die gelb-weißen Farben der Welfen sichtbar werden zu lassen;[1]
- Krökeln; von Krökel für Eisenstange, steht für Tischfußball
Literatur
Bearbeiten- Theodor Lessing: „Jäö“. Humoristische hannoversche Sitten- und Sprachstudien. Gersbach, Bad Pyrmont 1924.
- Neudruck als Theodore Le Singe: „Jäö“ oder wie ein Franzose auszog, um in Hannover das „raanste“ Deutsch zu lernen. Schmorl und von Seefeld, Hannover [o. J., 1979]
- Nachdruck Schmorl und von Seefeld Medienhandelsgesellschaft, Hannover 2002, ISBN 3-93683605-1.
- Georg Ludewig: Stadthannoversches Wörterbuch. Bearbeitet und hrsg. von Dieter Stellmacher (= Name und Wort. Göttinger Arbeiten zur niederdeutschen Philologie. Band 10). Wachholtz, Neumünster 1987, ISBN 3-529-04614-0.
- Hans Joachim Toll: Hannoversches Wörterbuch. Die Hannoversche Umgangssprache. Neu bearbeitet und ergänzt von Friedrich Wilhelm Netzel. Leuenhagen und Paris, Hannover 2009, ISBN 978-3-923976-68-3.
- Dirk Böttcher: Hannöversch. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 252.