Heinrich Hertz (Satellit)

deutscher Kommunikationssatellit

Heinrich Hertz (auch H2Sat) ist der Name eines deutschen Kommunikations- und Technologieerprobungssatelliten. Betreiber ist das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und unter Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). Gebaut wurde der Satellit durch OHB System in Bremen.[1]

Heinrich Hertz
Betreiber DLR
Startdatum 5. Juli 2023, 22:00 UTC
Trägerrakete Ariane 5 ECA+
Startplatz Centre Spatial Guyanais, ELA-3
COSPAR‑ID 2023-093A
Startmasse 3450 kg
Abmessungen 2000 × 1900 × 2550 mm
Hersteller OHB Technology
Satellitenbus SmallGEO
Stabilisation Dreiachsenstabilisation, Reaktionsräder
Lebensdauer 15 Jahre (geplant)
Wiedergabeinformation
Transponder S-Band, Ka-Band, Ku-Band
Transponderleistung 250 W, 300 W
Sonstiges
Elektrische Leistung 3,6 kW für die Nutzlast
Bodenstationen Köln, Bochum
Position
Erste Position 0,5° Ost GEO
Antrieb chemisch und elektrisch
Liste geostationärer Satelliten

Mit der Heinrich Hertz-Mission sollen in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Wissenschaftsinstituten und der Industrie neuartige Kommunikationstechnologien untersucht werden. Ein weiteres Ziel ist der Kompetenzaufbau im Bereich militärischer Satellitenkommunikation in Deutschland.[2] Mit dem Projekt wurde getestet, ob Unternehmen die Technologie und Voraussetzungen für die Fertigung in Deutschland besitzen. Der Satellit soll als Relaisstation dienen und verschiedene Technologien und Übertragungsverfahren testen. Daneben sollen verschiedene Technologien im Langzeitbetrieb getestet werden. Viele Komponenten sind programmierbar, sodass verschiedene Betriebsbedingungen ausgetestet werden können. Eine Reihe von Technologien sollen die In-Orbit-Verifikation durchlaufen. Die Entwicklung des Satelliten erfolgte in enger Zusammenarbeit von deutschen Forschungsinstituten und Industriepartnern. Die Mission gilt als Nachfolger der deutschen Fernmeldesatelliten DFS-Kopernikus, die bis 2002 aktiv waren. Die Nutzlasten des BMVg arbeiten unabhängig von den restlichen Nutzlasten und teilen nur gewisse Grundfunktionen wie die Stromversorgung und die Lageregelung.

Benannt ist die Mission nach dem deutschen Physiker Heinrich Hertz (1857–1894).

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie prüfte der Bremer Satellitenbauer OHB System AG in einer Vorstudie (Phase 0) die Machbarkeit des Projekts. Die Machbarkeitsuntersuchung (Phase A) wurde 2010 abgeschlossen. Gesamtverantwortlich war OHB-System mit dem Partner EADS Astrium. Auch die Satellitenbusverantwortung lag bei OHB System. Die Verantwortung für die Nutzlast lag bei Tesat-Spacecom. Von 2011 bis 2013 wurde die Planungsphase B durchgeführt. Am 28. Juni 2017 wurde der Vertrag für die Projektphasen C und D+Start geschlossen. Der Start des Satelliten war ursprünglich schon für das Jahr 2015 geplant, verzögerte sich aber bis zum Juli 2023.[3][4] Das Budget beträgt 310,5 Millionen Euro für Bau und Start[5][6] zuzüglich Entwicklungskosten von 11 Millionen Euro aus der Planungsphase B[7] und einer noch nicht bekannten Summe für 15 Jahre Betrieb.[8]

Satellitenbus

Bearbeiten

Als Plattform dient der Satellitenbus SmallGeo von OHB System in Bremen. Der Satellit mit Abmessungen von 2000 × 1900 × 2550 mm hat eine Nutzlast von 436 kg bei einer Gesamtmasse von 3450 kg.

Der chemisch Zweistoff-Antrieb benutzt einen 400 N-Apogäumsmotor und zwölf 10 N-Triebwerke die vom Orbital Propulsion Center der ArianeGroup in Lampoldshausen stammen. Die Tanks kommen von der ArianeGroup aus Bremen. Der Antrieb benutzt SMA-Ventile (Shape Memory Alloy), die auch im Fall einer Kollision mit Weltraumschrott eine Explosion der Treibstoffe verhindern sollen. Der chemische Antrieb diente dazu, die Endposition einzunehmen, seither wird damit die Position in Ost-West-Richtung stabilisiert.

HEMPT 3050 Testergebnisse[9]
Schub 8-60 mN
Leistung 200 W - 1,5 kW
Betriebsspannung 400V - 1050V
Spezifischer Impuls 800s - 2400s
Gesamtimpuls 1.47 MNs
Getestete Lebensdauer

(für den Flug qualifiziert)

>9000 h

Zusätzlich gibt es einen elektrischen Antrieb. Der High Efficiency Multistage Plasma Thruster (HEMPT) 3050 Antrieb wurde von Thales entwickelt. Er dient zur Erhöhung der Flugbahn und um die Abweichungen in Nord-Süd-Richtung zu kompensieren. Dieser variable Antrieb verwendet starke Dauermagnete und soll besonders verschleißarm sein. Es kann dabei zwischen einem sehr präzisen Modus mit schwachem Schub und einem Modus mit hohem Schub gewechselt werden. Das Design ist sehr einfach aufgebaut und die Generation der Ionen ist getrennt von der Beschleunigungszone. Mehrere Sensosoren, darunter eine Langmuir-Sonde auf dem Satelliten sollen die langfristigen Auswirkungen des Plasmas auf den Satelliten dokumentieren. Nach den Prognosen ist der der Ionenantrieb nahezu verschleißfrei und soll mehr als 18 Jahre Betriebsdauer erreichen.

Für die Stromversorgung gibt es zwei Solarpanele in den Abmessungen 2,22 m × 8,20 m, die Solarzellen dafür stammen von Solarzellen AZUR SPACE Solar Power GmbH. Die Bordspannung ist 50 V.

Die Lageermittlung erfolgt mit einem Sternensensor ASTRO APS (für Active Pixel Sensor) von Jena-Optronik. Dieser Sensor arbeitet besonders genau und kann den Standort des Satelliten mit der Genauigkeit einer Euromünze auf vier Kilometern Entfernung erkennen“, ist kompakt und energieeffizient und wiegt 2 kg. Soll eine Lebensdauer von mehr als 18 Jahren haben.[10]

als zusätzliche Systeme gibt es Gyroskope und 12 Sonnensensoren.

Das innovative System war erstmals 2013 mit dem Kommunikationssatelliten Alphasat ins All gestartet und ist auch mit an Bord des im August 2019 ins All gestarteten Relaissatelliten EDRS-C. Beide Satelliten sind Teil des Europäischen Daten Relaissystems EDRS und nutzen die hochgenaue Lagebestimmung des Sternsensors, um die Genauigkeit der Laserverbindungen mit den im niedrigen Erdorbit fliegenden Erdbeobachtungssatelliten zu unterstützen.

Der Satellit ist dreiachsenstabilisiert mit Reaktionsrädern von Collins Aerospace.

Kommunikationseinrichtungen

Bearbeiten

Als Kommunikationseinrichtungen hat der Satellit mehrere Systeme, verschlüsselte Sender im S-Band für LEOP und Notfallbetrieb und einen Ku-Band für GEO und diverse Neuartige Antennen (CFK / Multibeam) H2KAR und GeReLEO aus neuen Materialien und Fertigungsverfahren, die auch für künftigen Einsatz in noch höheren Frequenzen geeignet sein sollen.

250 W Ka-Band Verstärker und ein 300 W Ku-Band Verstärker. Dabei wird eine neue flexible Hardware eingesetzt. Mit diesen Technologien lassen sich die Frequenzumsetzer, Filter, Multiplexer nachträglich neu anpassen und künftige Anpassung der Signale und der Signalverarbeitung umsetzen. Dazu gehören weitere Technologien wie flexible Bandbreitenbelegung und unterschiedliches Routing der Daten, Kombination von mehreren Kanälen zur gleichzeitigen Datenübertragung etc.

Der Satellit soll als Relaisstation dienen und die Signale von anderen Satelliten in niedrigeren Umlaufbahnen empfangen und an die Bodenstationen weiterleiten. Die Kontaktzeiten können dadurch bei jedem Umlauf von wenigen Minuten auf bis zu 40 Minuten verlängert werden, damit lässt sich auch die übertragbare Datenmenge erheblich steigern.

Gesteuert werden die Kommunuikationsanlagen vom Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP). Der FOBP ist flexibel programmierbar für die digitale Signalverarbeitung an Bord von Satelliten. Er kann von der Erde aus an neue Kommunikationsstandards angepasst werden und dient so als Testumgebung für neue und künftige Technologieen.[11]

Geplante Nutzlasten

Bearbeiten

Aus etwa 30 Entwicklungen bestand die Auswahl an möglichen Technologien:

  • LISA: Intersatelliten-Antenne im Ka-Band mit elektronischer Schwenkung
  • MEDUSA: Mehrpunkt-Antenne im Ka-Band zur Reduzierung der Komplexität
  • VERSA: Verteilnetzwerk zur Reduzierung der Komplexität mit syntaktischem Metallschaum als Trägermaterial
  • KERAMIS: Keramische Mikrowellenschaltkreise auf Basis der LTCC-Mehrlagentechnologie
  • LIQUIDA: Flüssigkristall-gesteuerte Phasenschieber
  • TWTA: Mini-Verstärkerröhre (Ka-Band)
  • MPM: V6-Microwave Power Module zur Realisierung von bis zu 500 W HF-Leistung
  • FDOC: Linearisierter Ku-Band-Röhrenverstärker
  • FOBP: Fraunhofer On-Board-Prozessor, ein vollständig im Orbit rekonfigurierbarer Prozessor[11]
  • NEXT: Mehrere neue Fehlerkorrekturverfahren (Netzwerk-Codierung, Mehrteilnehmer-Detektion, Fountain Code)[12]
  • GeReLEO-SMART: Geostationäre Relaisstation für Ka-Band-Kommunikation mit LEO-Satelliten[13]
  • HSB: Hybrid Sensor Bus, Kombination aus elektrischem und faseroptischem Sensorsystem[14]

Auch am Boden sollen neue Technologien erprobt werden, so etwa:

  • SANTANA: Ka-Band-Terminal mit digitaler Strahlformung (englisch beamforming)
  • MoSaKa: Mobile Satellitenkommunikation (Ka-Band) für Nutzung im Katastrophenfall

Ausgewählt wurden davon mehr als 20 verschiedene Technologien und Experimente. Für die Nutzlasten stehen insgesamt 3,6 kW elektrischer Energie zur Verfügung.

Start und Missionsverlauf

Bearbeiten

Zu Beginn des Projekts war ein Start im Jahr 2016 geplant. Die Mission startete am 5. Juli 2023 mit der letzten Ariane 5-Trägerrakete zusammen mit dem französischen Militärsatelliten Syracuse 4B. Am 21. Juli 2023 erreichte er seine geostationäre Position 0,5° Ost in einer Höhe von ungefähr 36.000 km.

Im März 2024 wurde die Integrierte, entfaltbare Leichtbau Manpack Komplett-Antenne (ILKA) getestet. Diese tragbare KU-Band-Antenne für den Einsatz in Extremsituationen wurde vom Münchner Raumfahrtspezialisten HPS GmbH entwickelt. Im Feldversuch wurde die Antenne auf einem Gebäudedach aufgestellt und die Verbindung mit dem Satelliten aufgenommen.[15]

Bodensegment

Bearbeiten

Die Steuerung erfolgt durch DLR. Es gibt zwei Kontrollzentren, eines in Bonn und eines als Referenz in Bochum, dazu kommt die MIL Missionskontrolle für die militärische Nutzung in Rheinbach. Für die Kommunikation gibt es mehrere Antennen am Boden: In Köln gibt es drei Antennen: 7,3 m Ku-Band TT&R eine 9,2 m Ka-Band W/T, eine 13 m S-Band TT&R Antenne. In Neustrelitz sind zwei 7,3 m Ku-Band Antennen für TT&R und für W/T. Aufbau und Betrieb der Empfangsanlagen sind in Verantwortung von SCISYS Deutschland, dazu gehört auch die Kommunikation mit den militärischen Nutzlasten.[10] Somit sind mehrere verschiedene Antennen in verschiedenen Frequenzbändern und unterschiedlichen Orten für die Steuerung und für Tests und Experimente gleichzeitig einsetzbar. Eigens entwickelt wurde für den Betrieb die Softwaresuite PLENITER, die hohe Anforderungen im Bereich Cybersicherheit erfüllen kann.

Außerdem kann eine 13-m S-Band Antenne für TT&R in Kiruna im Bedarfsfall für die Steuerung des Satellitenbusses genutzt werden.

Literatur

Bearbeiten
  • Siegfried Voigt: The German Heinrich Hertz Satellite Mission in: Antennas and Propagation (EuCAP), 2010 Proceedings of the Fourth European Conference on, Barcelona, ISBN 978-1-4244-6431-9, 2010
  • Martin Schallner, Bernd Friedrichs und Frank Ortwein: Verification of new technologies as main task of the communication payload of the Heinrich-Hertz mission in: CEAS Space Journal, Bd. 2, Nr. 1–4, 67–73, Dezember 2011, doi:10.1007/s12567-011-0010-1
  • Siegfried Voigt und Anke Pagels: Mission Heinrich-Hertz. In: Countdown 11, Aktuelles aus der DLR Raumfahrt-Agentur 3/09. DLR, November 2009, S. 3–7. PDF
Bearbeiten
  • Heinrich-Hertz-Mission auf ohb-system.de
  • DLR
  • Björn Gütlich: Heinrich-Hertz-Mission, Pioneering Satellite Communication. Hrsg.: Deutsche Raumfahrtagentur im DLR, Satellitenkommunikation. Bonn (dlr.de [PDF]).

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. DLR: Deutsche Satellitenkommunikations-Mission "Heinrich Hertz" wird realisiert, 28. Juni 2017
  2. DLR: Deutsche Satellitenkommunikations-Mission Heinrich Hertz erreicht nächste Phase, 11. Mai 2012, abgerufen am 25. Juli 2017.
  3. 2020 Archive. In: HPS GmbH – The Team to Trust. Abgerufen am 12. Oktober 2021.
  4. Bella Richards: Goodbye to the Ariane 5, the ‘Swiss Knife’ of Europe’s launch industry. nasaspaceflight.com, 5. Juli 2023, abgerufen am 6. Juli 2023 (englisch).
  5. HPS antenna for space mission Heinrich Hertz passes meticulous test. In: HPS GmbH – The Team to Trust. 2020, abgerufen am 12. Oktober 2021.
  6. Caleb Henry: Germany’s long-awaited Heinrich Hertz satellite now expected to launch in 2021, spacenews.com vom 21. Juli 2017, abgerufen am 25. Juli 2017 (englisch).
  7. Peter B. de Selding: Germany Moves Ahead with Heinrich Hertz Demo Satellite, spacenews.com vom 10. Mai 2012, abgerufen am 25. Juli 2017 (englisch).
  8. Peter B. de Selding: German Heinrich Hertz satellite shows military reluctance to expand commercial satcom, spaceintelreport.com vom 18. Juli 2017, abgerufen am 25. Juli 2017 (englisch).
  9. Ernst Bosch: EPIC-Workshop 2017 - Madrid. Hrsg.: HEMPT-NG Consortium. Madrid 25. Oktober 2017 (hempt-ng.eu [PDF]).
  10. a b h2Sat – Die Raumfahrt. Abgerufen am 3. Dezember 2024 (deutsch).
  11. a b Fraunhofer On-Board-Prozessor. Abgerufen am 3. Dezember 2024.
  12. Schneller und effizienter: Neue Übertragungsverfahren in der Satellitenkommunikation, DLR, 30. Juli 2012
  13. GeReLEO-SMART
  14. Siehe HSB, DLR
  15. Erstes Kommunikationsexperiment mit Heinrich-Hertz-Satellit erfolgreich durchgeführt. Abgerufen am 3. Dezember 2024 (deutsch).