Johann Scheerer
Johann Wilhelm Karl Jakob Scheerer (* 6. November 1982 in Henstedt-Ulzburg) ist ein deutscher Schriftsteller, Musiker und Musikproduzent aus Hamburg. Bekannt wurde er durch Produktionen für Bands wie Omar Rodríguez-López, Bosnian Rainbows, At the Drive-In, Pete Doherty, Faust, Stella oder 1000 Robota.
Leben und Wirken
BearbeitenJohann Scheerer wurde als Sohn von Ann-Kathrin Scheerer und Jan Philipp Reemtsma geboren, wuchs in Hamburg auf und besuchte das Christianeum[1] bis zum Abitur.
Mit 16 Jahren gewann er mit der Schülerband „Am kahlen Aste“ einen Talentwettbewerb, dessen Preis ein Treffen mit den damals erfolgreichen Musikproduzenten Berman Brothers (Caught in the Act, Hanson) war. Es folgte ein Plattenvertrag bei Epic/Sony und die Veröffentlichung von drei Singles und einem Album unter dem Bandnamen Score!. Der Erfolg blieb allerdings hinter den Erwartungen der Plattenfirma zurück; nach Kündigung des Vertrags löste sich die Band etwa zwei Jahre später auf.
Vertragsfrei begann Johann Scheerer, die Aufnahmen der Band selbst in die Hand zu nehmen. Es folgte die Einrichtung des Tonstudios „RekordBox“ in zwei übereinander stehenden Baucontainern auf einem besetzten Platz des Gartenkunstnetzes in der Eifflerstraße in Hamburg.
2004 zog er gemeinsam mit Henning Schmidt (Plemo) in das Tonstudio Phonraum im ehemaligen Taz-Gebäude in der Chemnitzstraße ein. Nach mehreren Demoproduktionen endete die Zusammenarbeit mit Schmidt. 2006 eröffnete Scheerer mit Thies Mynther das komplett analoge Tonstudio Clouds Hill Recordings in Hamburg.[2] Es folgten nationale und internationale Produktionen. 2008 schloss sich Chris von Rautenkranz mit dem Soundgarden Mastering den Räumen der Clouds Hill Recordings an.
Später im Jahr 2008 rief Scheerer das Projekt Taka-Takaz ins Leben. Zwölf seiner Songs wurden mit den Musikern Omar Rodriguez Lopez (At the Drive-In, The Mars Volta), Marco Haas (T.Raumschmiere), Jessica Drosten (Das Bierbeben), Thies Mynther (Phantom/Ghost, Stella), Bubi Blacksmith (Zed Yago), Mense Reents (Die Vögel, Stella), Sebastian Nagel (Mocambo/The Ape) und Albrecht Schrader vertont und als zwei 10″-EPs Leslie White und Leslie Black veröffentlicht.
2009 gründete Scheerer zusammen mit seinem Bandkollegen Sebastian Nagel das Label Clouds Hill Ltd., das zunächst im gleichnamigen Studio aufgenommene und auf 500 Stück limitierte 7″-Singles veröffentlichte. Nach den Veröffentlichungen der Alben Fukui der Hamburger Band Stella und Beauty der Freiburger Band Kraków Loves Adana etablierte sich das Label auch mit 10″-EPs und 12″-Longplayern.[3]
2010 wechselte Scheerer mit Clouds Hill Ltd. zu dem international aufgestellten Vertrieb Roughtrade Distribution. Im Herbst 2010 erreichte die Band Stella mit der Remix-12″ „Office & Store“ Platz 7 der deutschen Clubcharts (DCC).
Die 2012 erschienene …live-at-Clouds-Hill-Vinylbox enthält sieben Künstler, die ein Konzert im Clouds Hill Recordings gespielt hatten, unter ihnen Faust & Omar Rodriguez Lopez, Gallon Drunk, Bosnian Rainbows, The Ape und Léonore Boulanger.
2012 produzierte er unter anderem das Debüt-Album des Berliner Künstlers ALLIE und das erste Album von Rodriguez Lopez’ neuer Band Bosnian Rainbows, das im Mai 2013 bei Clouds Hill erschien. 2014 traf er auf Pete Doherty, der ihn bat, sein Soloalbum zu produzieren. „Der Typ hat mein Leben gerettet“, äußerte Doherty kurz darauf.[4] Für das von ihm produzierte Soloalbum Dohertys, das 2016 erschien, wurde Scheerer für den Hamburger Musikpreis „Hans“ nominiert. 2016 veröffentlichte Scheerers Label Clouds Hill eine limitierte 12"-Single mit je einem exklusiven Song von Peter Doherty und James Johnston zum Record Store Day 2016.
2017 startete Scheerer mit seinem Label Clouds Hill und Warner Music Central Europe eine Kooperation zum Aufbau von Nachwuchstalenten. Die Kooperation schließt ein, dass etablierte Künstler die professionelle Infrastruktur des Hamburger Majors nutzen.
Scheerers Produktion des Alice-Phoebe-Lou-Songs She landete auf der Shortlist für den Oscar 2018 in der Kategorie Bester Filmsong.[5]
Am 1. März 2018 veröffentlichte Johann Scheerer das autobiografische Buch Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung.[6] Darin schildert er die Entführung seines Vaters 1996 aus Sicht der Familie.[7] Es landete in der ersten Verkaufswoche auf Platz 19 der Spiegel-Bestsellerliste und war für den aspekte-Literaturpreis 2018 nominiert.[8] Das von Scheerer gesprochene Hörbuch wurde für den Deutschen Hörbuchpreis vorgeschlagen.[9] Der Kinostart des im Frühjahr 2021 von Hans-Christian Schmid verfilmten Buches fand am 3. November 2022 statt. Scheerer wird hierin von Claude Heinrich dargestellt. Scheerers autobiographischer Roman Unheimlich nah, der vom Erwachsenwerden in der ständigen Gegenwart von Personen- und Objektschützern erzählt, erschien im Januar 2021.
Musikstil
BearbeitenScheerers Stil reicht von Pop über Indie bis zu Avantgarde-Klangexperimenten.[10]
Diskographie (Auswahl)
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Rocko Schamoni & L’Orchestre Mirage
Peter Doherty / James Johnston
Taka-Takaz
Karamel[11]
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Phantom/Ghost (Engineering/Mix)
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Sion Hill
The Ape[13]
Dutch Uncles
Frank Spilker (Co Produktion/Engineering)
Michaela Meise (Engineering/Mix)
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Bücher
Bearbeiten- Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung. Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-05909-1.
- Unheimlich nah. Roman. Piper, München 2021, ISBN 978-3-492-05915-2.
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Johann Scheerer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Johann Scheerer bei Discogs
- Clouds Hill Recordings
- Clouds Hill Ltd.
- Desaster Live, 2008
- Clouds Hill Vinylbox #2 – Analog Love In Digital Times
- „Was bedeutet ‚cool‘?“ Johann Scheerer im Interview mit Leif Gütschow, In: www.taz.de, 23. April 2018
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Johann Scheerer: Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung. Piper, München 2018, u. a. S. 124, 175, 193.
- ↑ Clouds Hill Recordings Studio.
- ↑ Interview mit Mainstage Musikmagazin. 2009 ( vom 21. August 2011 im Internet Archive).
- ↑ Jörg Bockem: Pete Doherty in Hamburg: Drogenstar in der Hafenbar. In: Spiegel Online, 26. Mai 2014.
- ↑ 70 Original Songs vie for 2017 Oscar, oscars.org, 18. Dezember 2017, abgerufen am 27. Februar 2021.
- ↑ Interview bei Deutschlandfunk Nova vom 18. März 2018, gesehen am 24. März 2021
- ↑ Volker Weidermann: Mein Vater, die Geisel. In: spiegel.de, 24. Februar 2018.
- ↑ Sechs Romandebüts stehen im Finale, boersenblatt.net, 7. September 2018, abgerufen am 5. Oktober 2018
- ↑ Nominiert für den Deutschen Hörbuchpreis 2019 in der Kategorie „Bestes Sachhörbuch“. In: deutscher-hoerbuchpreis.de. Abgerufen am 25. August 2022.
- ↑ Birgit Reuther: Clouds Hill: Wo der Klang zu Hause ist. In: Hamburger Abendblatt, 4. Dezember 2012.
- ↑ Besprechung im Musikexpress. 2009.
- ↑ Gallon Drunk Produktion review, 2014.
- ↑ The Ape im Musikexpress, 2010.
Personendaten | |
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NAME | Scheerer, Johann |
ALTERNATIVNAMEN | Scheerer, Johann Wilhelm Karl Jakob (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller, Musiker und Musikproduzent |
GEBURTSDATUM | 6. November 1982 |
GEBURTSORT | Henstedt-Ulzburg |