Kapillarelektrometer

historisches Mess- und Anzeigeinstrument

Ein Kapillarelektrometer ist ein historisches Gerät zur Messung von elektrischer Ladung beziehungsweise von elektrischer Spannung. Es ist eine besondere Bauform des Elektrometers, die die Ladungsabhängigkeit der Oberflächenspannung als Messprinzip ausnutzt. Der Messbereich des Geräts ist klein: Es ist nur für Spannungen mit einem Betrag zwischen 0 und 0,9 V geeignet.[1] Es galt aber im 19. Jahrhundert als sehr empfindliches Messgerät, da Spannungen im Millivoltbereich oder kleiner gemessen werden konnten, und es wurde z. B. 1882 für das erste Elektrokardiogramm genutzt.

Das von Gabriel Lippmann gebaute Kapillarelektrometer von 1872

Aufbau und Funktionsweise

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Das Kapillarelektrometer besteht aus einer Quecksilber­säule in einem Kapillarröhrchen, die mit verdünnter Schwefelsäure bedeckt ist. Um eine Spannung (oder genauer gesagt die elektrische Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten) zu messen, werden die beiden Punkte mit den beiden Elektroden des Kapillarelektrometers verbunden: Eine Elektrode hat Kontakt mit der Säure, die andere mit dem Quecksilber. Die Berührungsfläche zwischen Quecksilber und Schwefelsäure ist eine Grenzfläche, deren Oberflächenladung durch einen elektrischen Strom geändert wird. Das Gerät nutzt nun die Eigenschaft aus, dass sich bei einer Änderung der Oberflächenladung auch die Oberflächenspannung der Quecksilberkuppe ändert, und dass sich diese dann in einer engen Kapillare verschiebt(steigt oder fällt).[1] Man beobachtet also eine Verschiebung des Meniskus, d. h. der Wölbung der Oberfläche der Quecksilbersäule. Es können damit kleine Spannungsänderungen schon ab 25 µV gemessen werden.

Gabriel Lippmann hatte verschiedene Kapillarelektrometer gebaut. Eines davon bestand aus einem 1 m hohen, 7 mm weiten, vertikalen Glasrohr, welches unten in ein 10 mm langes, nach oben umgebogenes Kapillarrohr ausgezogen war; letzteres tauchte in ein oben offenes Glasgefäß, welches verdünnte Schwefelsäure und darunter Quecksilber enthält.[2]

Um das Ablesen des Messergebnisses zu verbessern wurde der Meniskus mit geeigneten optischen Methoden verfolgt. Lippmann benutzte ein Kathetometer oder ein Mikroskop mit 220facher Vergrößerung[3]. Auch für ein 1896 gebautes Elektrometer wurde ein Mikroskop benutzt.[1] Alternativ dazu wurde der vergrößerte Schatten des Meniskus auf Film projiziert und das Profil anschließend analysiert.

Quantitative Beschreibung

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Nach der Lippmann-Gleichung, auch Helmholtz-Lippmann-Gleichung genannt[4], gilt folgender Zusammenhang zwischen der Oberflächenspannung γ, dem Potential φ und der Oberflächenladungsdichte σ (σ = Q/A = Ladung/Fläche):[5]

 

Eine kleine Änderung   des Potentials führt demnach zu einer kleinen Änderung der Oberflächenspannung  , deren Betrag gemäß   umso größer ist, je größer die Oberflächenladungsdichte σ der Oberfläche ist.

Geschichte

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Entwicklung des Kapillarelektrometers

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Das Kapillarelektrometer wurde 1872 von Gabriel Lippmann in Heidelberg entwickelt.[3][6] Lippmanns Interesse an der Oberflächenspannung von Quecksilber war durch den Physiologen Wilhelm Kühne geweckt worden, der ihm 1871 in Heidelberg das „schlagende Quecksilberherz“ vorgeführt hatte.[3][7] 1875 promovierte Lippmann mit seiner im Labor von Gustav Robert Kirchhoff durchgeführten[3] Arbeit über den Zusammenhänge zwischen Elektrizität und Kapillarkräften.[8]

Anwendung in der Kardiographie

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1876 benutzte der französische Physiologe Étienne-Jules Marey den Apparat, um die elektrische Aktivität des Herzens aufzuzeichnen. Dies war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Elektrokardiographie.[9] 1887 konnte der Physiologe Augustus Desiré Waller erstmals Herzströme mit Hilfe eines Kapillarelektrometers aufzeichnen.

Einzelnachweise

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  1. a b c Pierandrea Malfi: Elettrometro di Lippmann. In: Museo di Fisica "Antonio Maria Traversi" > Museo virtuale di Fisica > Elettroscopi ed elettrometri > Elettrometri. Abgerufen am 25. April 2019.
  2. Eintrag in Meyers Konversations-Lexikon, 1888, siehe Weblinks
  3. a b c d Gabriel Lippmann: Beziehungen zwischen den capillaren und elektrischen Erscheinungen. In: Johann Christian Poggendorff (Hrsg.): Annalen der Physik und Chemie. 225 (Pogg. Ann. 149), Nr. 8. Johann Ambrosius Barth, 1873, ISSN 1521-3889, S. 546–561, doi:10.1002/andp.18732250807 (online bei Gallica, Bibliothèque nationale de France).
  4. Elektrokapillarität. In: Lexikon der Physik. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 25. April 2019.
  5. Gerd Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 5. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 3-527-31066-5, 2.7.8 Die Elektrokapillarität, S. 442.
  6. Gabriel Lippmann: Relation entre les phénomènes électriques et capillaires. Physique. In: Académie des sciences / Bachelier (Hrsg.): Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académie des sciences. Band 76. Gauthier-Villars, Paris Januar 1873, S. 1407–1408 (französisch, online bei Gallica, Bibliothèque nationale de France [abgerufen am 25. April 2019] knappe Zusammenfassung seiner Ergebnisse): « La surface d'une goutte de mercure [...] baignée par de L'acide sulfurique […] »
  7. Andrea Sella: Lippmann’s electrometer. In: Opinion > Andrea Sella. Chemistry World, The Royal Society of Chemistry, 28. August 2015, abgerufen am 25. April 2019.
  8. Gabriel Lippmann: Relations entre les phénomènes électriques et capillaires. Thèse présentée à la faculté des sciences de Paris. Gauthier-Villars, Paris 1875, OCLC 490702474 (französisch, Online [abgerufen am 25. April 2019] bei der Universität Pierre und Marie Curie UPMC (seit 2018: Sorbonne Université)): « mesure des forces électromotoriques »
  9. Geschichte der Elektrokardiographie (Memento vom 11. Juni 2009 im Internet Archive) Ergänzungsmaterial zur Vorlesung von Privat-Dozent J. M. Davis, Universität München
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