Lobsang Sangay

indischer Jurist und Politaktivist

Lobsang Sangay (tibetisch བློ་བཟང་སེང་གེ་ Wylie blo bzang seng ge; * 1968 in Darjeeling, Westbengalen, Indien) ist Jurist und Völkerrechtler sowie Politiker.

Lobsang Sangay, Wien 2012

Er arbeitete an der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts, bis er Ende April 2011 als Nachfolger von Lobsang Tendzin zum Ministerpräsidenten der tibetischen Exilregierung gewählt wurde. Seither bezeichnet er Dharamsala als Zentrum seines Lebens.

Sangay wuchs in einer tibetischen Siedlung in Indien auf und besuchte die Zentrale Schule für Tibeter in Sonada und Darjeeling. Er erwarb seinen BA (Honors) im Fach Englische Literatur und den LLB an der Delhi University. 1992 wurde er als jüngstes Vorstandsmitglied des Tibetan Youth Congress (CENTREX) gewählt, einer vom Staatsrat der Volksrepublik China im Zuge der tibetischen Unruhen 2008 als „terroristische Organisation“ bezeichneten Gruppierung.[1]

Als Fulbright-Stipendiat erwarb er 1996 den Master- und 2004 den Doktor-Titel in Rechtswissenschaften an der Harvard Law School. Er war der erste Tibeter, der dort diesen Titel erhielt[2] und seine Dissertation Democracy and History of the Tibetan Government-in-Exile from 1959–2004 („Demokratie und Geschichte der tibetischen Exilregierung von 1959 bis 2004“) wurde mit dem Yong K. Kim '95 Prize[3] des East Asian Legal Studies (EALS)-Studienprogramms an der HLS ausgezeichnet.[4] 2005 wurde ihm durch das Bildungsministerium der Vereinigten Staaten ein Waiver gewährt, um seine wissenschaftlichen Arbeiten in den USA fortsetzen zu können.

2007 wurde er von der Asia Society zu einem der Young Leaders of Asia (Jungen Führungspersönlichkeiten Asiens)[5] sowie zum Delegierten des World Justice Forums in Wien (Österreich) gewählt, worin sich Top-Juristen und -Richter aus der ganzen Welt versammeln.

2008 sagte er als Experte vor dem United States Senate Foreign Relations Subcommittee on East Asian and Pacific Affairs (Unterausschuss des Senats für auswärtige Beziehungen zu Ostasien und dem Pazifikraum) aus, zusammen mit John Negroponte, dem damaligen Vizeaußenminister der Vereinigten Staaten.

Lobsang Sangay ist verheiratet und hat ein Kind. In Tibet selbst ist er bislang nicht gewesen.[6] Sangay spricht Tibetisch, Englisch, Hindi, Nepali sowie etwas Tshangla (im Pemakö-Dialekt) und Chinesisch.[7]

Politische Karriere

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Nachdem der Dalai Lama angekündigt hatte, sich von seinen politischen Aufgaben zurückziehen zu wollen, galt Lobsang Sangay als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Regierungschefs der tibetischen Exilregierung in Dharamsala (Indien).

Vor der Wahl im April 2011 präsentierte sich Lobsang Sangay als Experte für Internationales Recht, Demokratischen Konstitutionalismus und Konfliktlösung. Er wies darauf hin, dass er unter anderem zwei Treffen zwischen dem Dalai Lama und chinesischen Wissenschaftlern in den Jahren 2003 und 2009 an der Harvard University organisiert hatte.[8] Nach Mitteilung der Wahlkommission wurde er mit 55 Prozent der Stimmen zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.[9] Am 8. August 2011 wurde Lobsang Sangay in Anwesenheit des Dalai Lama offiziell in sein Amt eingeführt.[10] Sangay wurde 2016 für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt.[11]

Schriften (Auswahl)

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  • Lobsang Sangay: Human rights and Buddhism: cultural relativism, individualism & universalism. Harvard Law School, 1996.
  • Lobsang Sangay: Tibet: Exiles’ Journey. In: Journal of Democracy. Band 14, Nr. 3, 2003, S. 119–130.
  • Lobsang Sangay: Democracy in distress: is exile polity a remedy?: a case study of Tibet’s government in exile. Harvard Law School, Juni 2004.
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Commons: Lobsang Sangay – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. Mu Xuequan: China publishes evidences of Dalai clique’s masterminding of riots Xinhua - abgerufen am 26. April 2011;
    Tibetologists consider „Tibetan Youth Congress“ a terrorist pro-independence spearhead China Daily - abgerufen am 26. April 2011;
    „Tibetan Youth Congress“ is pure terrorist organization (Memento vom 24. Oktober 2012 im Internet Archive) Xinhua - abgerufen am 26. April 2011.
  2. Nach tibet.org.tw (Memento des Originals vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tibet.org.tw - abgerufen am 26. April 2011 - nicht nur von sechs Millionen Tibetern, sondern aus der Himalaya-Region, darunter Bhutan, Nepal und die Mongolei.
  3. vgl. news.harvard.edu (Memento vom 5. September 2006 im Internet Archive) bzw. blogs.law.harvard.edu@1@2Vorlage:Toter Link/blogs.law.harvard.edu (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.: Der Preis wird dem Autor mit der besten Schrift zur Rechtsgeschichte oder Justizgeschichte der Nationen und Völker Ostasiens oder Rechtsfragen betreffende Themen der Beziehungen zwischen den USA und Ostasien ausgezeichnet.
  4. vgl. William P. Alford (en.wikipedia)
  5. vgl. asiasociety.org
  6. Terrorist poised to rule „Tibetan government in-exile“? english.peopledaily.com.cn; abgerufen am 26. April 2011
  7. Dr. Lobsang Sangay. (Memento vom 31. Oktober 2010 im Internet Archive) kalontripafortibet.org; abgerufen am 26. April 2011
  8. kalontripa.org: Dr. Lobsang Sangay - Candidate (Memento des Originals vom 26. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kalontripa.org - Kandidatenvorstellung (Kalön Thripa) - abgerufen am 26. April 2011 - Dieser Kandidatenvorstellung zufolge besucht er regelmäßig Dharamsala und interagiert mit tibetischen Regierungsbeamten aller Ebenen, hielt zahlreiche Vorträge, veranstaltete Workshops in und um Dharamsala, besuchte viele der tibetischen Flüchtlingssiedlungen, Klöster und Schulen in Indien und koordiniert ein Tibetan Nutritional Project, das Dutzenden von Schulen in Indien hilft.
  9. vgl. Neues politisches Oberhaupt der Exil-Tibeter – Ein Harvard-Professor als Hoffnungsträger (Memento vom 30. April 2011 im Internet Archive) bei tagesschau.de, 27. April 2011 (aufgerufen am 27. April 2011).
  10. Neuer Chef der tibetischen Exilregierung vereidigt Neue Zürcher Zeitung, 8. August 2011
  11. Central Tibetan Administration Tibetische Exilregierung (aufgerufen am 10. Juni 2020)