Marjoß

Stadtteil von Steinau an der Straße

Marjoß ist ein Stadtteil von Steinau an der Straße im osthessischen Main-Kinzig-Kreis.

Marjoß
Koordinaten: 50° 15′ N, 9° 31′ OKoordinaten: 50° 15′ 27″ N, 9° 30′ 56″ O
Höhe: 250 m ü. NHN
Fläche: 5,56 km²[1]
Einwohner: 738 (30. Juni 2022)[2]
Bevölkerungsdichte: 133 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Postleitzahl: 36396
Vorwahl: 06660
Marjoß (2017)
Marjoß (2017)

Geografische Lage

Bearbeiten

Marjoß liegt an der Jossa, einem Zufluss der Sinn, auf einer Höhe von 253 m über NN im Nordosten des Main-Kinzig-Kreises, etwa 7 km südöstlich des Zentrums von Steinau, an der Grenze zu Bayern.

Weitere Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung von Marjoß sind die Barackenhöfe und der Rohrbacherhof.

Geschichte

Bearbeiten
Historische Namensformen

In erhaltenen Urkunden wurde Marjoß unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1] Jazaha (1167), Jazah (1270). Jazza (1311), Mergenjossa (1422). Margasza (1443) und Marjoß (1587).

Auch wird vertreten, dass der Name eine Kurzform von Marienjossa sei.[3]

Mittelalter

Bearbeiten

Die älteste erhaltene Erwähnung des Ortes stammt aus dem Jahr 1167.[1] Damals besaß das Kloster Schlüchtern in Marjoß die Kirche mit dem Zehnten und alle Besitzungen, mit Wiesen, Wald, Gewässern und allen Rechten. Das Kloster Schlüchtern gehörte im Spätmittelalter zum Einflussbereich der Herrschaft Hanau (ab 1429: Grafschaft Hanau). 1311 wurde ein Gemeindepfarrer von Marjoß erwähnt. Die Kirche gehörte zum Bistum Würzburg. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat Karlstadt. 1422 stritten die von Hutten erfolgreich mit denen von Thüngen um Marjoß. Das Kloster Schlüchtern begab sich 1457 endgültig in die Schutzherrschaft der Grafschaft Hanau (seit 1458: Grafschaft Hanau-Münzenberg). Dort war Marjoß dem Amt Schlüchtern zugeordnet, einem Lehen des Bischofs von Würzburg.

Frühe Neuzeit

Bearbeiten

Die Grafschaft Hanau-Münzenberg schloss sich in der Reformation zunächst der lutherischen Konfession an, ab 1597 war sie reformiert. Die Kirche von Marjoß gehört jetzt zum Dekanat Schlüchtern. Die Eigenschaft als Würzburger Lehen führte nach der Reformation zu Spannungen zwischen der nun evangelischen Grafschaft Hanau-Münzenberg und dem weiter römisch-katholischen Bistum Würzburg. Ein langjähriger Prozess vor dem Reichskammergericht dauerte von 1571 bis 1624 und endete mit einem Restitutionsmandat über das Amt Schlüchtern zugunsten Würzburgs. 1628–1631 war es deshalb von Würzburg besetzt, im Zuge des Dreißigjährigen Krieges 1631–1637 wieder von Hanau und ab 1637 erneut von Würzburg. 1656 kam es zu einem Vergleich zwischen Hanau und Würzburg, wobei Hanau das Amt Schlüchtern – und damit auch Marjoß – erhielt und dem Bistum dafür Orb überließ.[4]

Mit dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., fiel Marjoß 1736 mit der ganzen Grafschaft Hanau-Münzenberg an die Landgrafschaft Hessen-Kassel, aus der 1803 das Kurfürstentum Hessen wurde.

Während der napoleonischen Zeit stand Marjoß ab 1806 unter französischer Militärverwaltung, gehörte 1807–1810 zum Fürstentum Hanau und dann von 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt, Departement Hanau. Anschließend fiel es wieder an das Kurfürstentum Hessen zurück. Nach der Verwaltungsreform des Kurfürstentums Hessen von 1821, im Rahmen derer Kurhessen in vier Provinzen und 22 Kreise eingeteilt wurde, gehörte Marjoß zum Landkreis Schlüchtern. 1866 wurde das Kurfürstentum nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von Preußen annektiert. Marjoß wurde preußisch und nach dem Zweiten Weltkrieg Bestandteil des neu formierten Bundeslandes Hessen.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Zum 31. Dezember 1971 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Marjoß im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis in die Stadt Steinau als Stadtteil eingemeindet.[5] Für den Stadtteil Marjoß wurde, wie für die anderen Stadtteile von Steinau, ein Ortsbezirk eingerichtet.[6] Mit der Hessischen Gebietsreform wurde der Landkreis Schlüchtern im Jahr 1974 aufgelöst und Marjoß liegt seit dem im Main-Kinzig-Kreis. Am 1. Januar 1978 wurde die Stadt Steinau amtlich in Steinau an der Straße umbenannt.[7]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Bearbeiten

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Marjoß angehört(e):[1][8]

Wirtschaftsgeschichte

Bearbeiten

Erste Belege für das am Ort ansässige Töpferhandwerk stammen aus dem Jahre 1391.

Im südlichen Bereich des Ortes lag die Hintere (Henner) Mühle (stillgelegt 1968), am nordöstlichen Rand die Untere (Önner) Mühle (stillgelegt 1958). Beide Wassermühlen wurden durch einen von der Jossa abgeleiteten Betriebsgraben versorgt.

Bevölkerung

Bearbeiten

Einwohnerstruktur 2011

Bearbeiten

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Marjoß 798 Einwohner. Darunter waren 9 (1,1 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 138 Einwohner unter 18 Jahren, 363 waren zwischen 18 und 49, 162 zwischen 50 und 64 und 132 Einwohner waren älter.[11] Die Einwohner lebten in 285 Haushalten. Davon waren 60 Singlehaushalte, 78 Paare ohne Kinder und 117 Paare mit Kindern, sowie 27 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 51 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 192 Haushaltungen leben keine Senioren.[11]

Einwohnerentwicklung

Bearbeiten
Quelle: Historisches Ortslexikon[1]
• 1587: 18 Schützen, 11 Spießer
• 1632: 33 Dienstpflichtige
• 1753: 70 Haushaltungen mit 328 Personen
• 1812: 90 Feuerstellen, 489 Seelen
• 1821: 90 Häuser[12]
Marjoß: Einwohnerzahlen von 1812 bis 2022
Jahr  Einwohner
1812
  
489
1834
  
792
1840
  
806
1846
  
842
1852
  
832
1858
  
837
1864
  
859
1871
  
810
1875
  
779
1885
  
743
1895
  
689
1905
  
634
1910
  
673
1925
  
653
1939
  
658
1946
  
979
1950
  
937
1956
  
769
1961
  
728
1967
  
713
1970
  
750
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2008
  
830
2011
  
798
2015
  
782
2022
  
738
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; Stadt Steinau[13][2]; Zensus 2011[11]

Historische Religionszugehörigkeit

Bearbeiten
• 1885: 727 evangelische (= 97,85 %), 16 katholische (= 2,15 %) Einwohner[1]<
• 1961: 648 evangelische (= 89,01 %), 66 katholische (= 9,07 %) Einwohner[1]<

Für Marjoß besteht ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[6] Der Ortsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern. Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 48,9 %. Alle Kandidaten gehören der SPD an.[14] Der Ortsbeirat wählte Markus Harzer zum Ortsvorsteher.[15]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bearbeiten

In Marjoß gibt es zahlreiche Vereine und Ortsgruppen, die zusammen die Arbeitsgemeinschaft Marjoßer Vereine bilden. Das sind die Freiwillige Feuerwehr Marjoß, der SV Marjoß, der Taubenverein, der Förderverein Kindergarten, die Wohnstätten (Behindertenheim Altes Forsthaus), der Dorfverein, Geselligkeitsverein Gut Schluck, den Angelverein und die Mitglieder des Ortsbeirates.

In Marjoß finden jedes Jahr Sommerbiathlonwettkämpfe im Rahmen des Hessencups statt. Dabei müssen die Läufer einen Naturpfad, der zum 25-jährigen Thronjubiläum Kaiser Wilhelms II. und des 100-jährigen Jubiläums der Völkerschlacht bei Leipzig 1913 angelegt wurde, bewältigen.

Naturräume

Bearbeiten
  • Neben dem NaturschutzgebietKirschenwiesen“ ist ein als Bannwald ausgewiesenes Naturreservat – die Jossa-Aue zwischen Marjoß und Mernes mit schilfbestandenen Teichen – ein Lebensraum des Bibers. Im Rahmen von Exkursionen lassen sich mit etwas Glück diese Tiere beobachten.

Radwanderwege

Bearbeiten

Infrastruktur und Wirtschaft

Bearbeiten

Zum Schuljahresbeginn 2019/2020 wurde die in Marjoß bis dahin bestehende Zwergschule, wegen zu geringer Schülerzahl geschlossen. Seitdem besuchen die Marjosser Kinder die Hans-Elm-Schule im Ortsteil Altengronau der Nachbargemeinde Sinntal. Es ist eine Grund-, Haupt- und Realschule[16][17].

Weiterführende Schulen gibt es in Schlüchtern mit dem Ulrich-von-Hutten-Gymnasium, in Wächtersbach mit der Friedrich-August-Genth-Schule (Kooperative Gesamtschule), in Gelnhausen dem Grimmelshausen-Gymnasium und in Bad Soden-Salmünster der Henry-Harnischfeger-Schule (Integrierte Gesamtschule).

Verkehrsanbindung

Bearbeiten

Die Landesstraße L 3197, durchquert den Ort und verbindet ihn mit Mernes im Südwesten und weiter über die Landesstraße L 3196 mit dem Hauptort Steinau im Norden.

Der nächste Bahnhof befindet sich in Steinau an der Bahnstrecke Fulda–Frankfurt. Der nächste behindertengerechte Bahnhof liegt in Wächtersbach. Anschluss an Intercity (IC), Intercity-Express (ICE) gibt es in Fulda, Hanau und Frankfurt am Main.

Nahverkehr

Bearbeiten

In Marjoß verkehren die Buslinien MKK-94 und MKK-99 der KVG[18]. Sie schaffen öffentliche Verkehrsanschlüsse zu Ortsteilen der Gemeinde Steinau an der Straße, aber auch zu den Nachbargemeinden Bad Soden-Salmünster und Sinntal. Es gilt der Tarif des Rhein-Main-Verkehrsverbundes.

Persönlichkeiten

Bearbeiten

Söhne und Töchter der Gemeinde

Bearbeiten
  • Heinz Lotz (* 1954), Politiker (SPD), Abgeordneter des Hessischen Landtags

Literatur

Bearbeiten
  • Thomas Klein: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1845. Reihe A: Preußen. Band 11: Hessen-Nassau einschließlich Vorgängerstaaten. Marburg 1979.
  • Willi Klein: Zur Geschichte des Mühlenwesens im Main-Kinzig-Kreis = Hanauer Geschichtsblätter 40. Hanau 2003, S. 411f.
  • Matthias Nistahl: Studien zur Geschichte des Klosters Schlüchtern im Mittelalter. Diss. Darmstadt u. Marburg, 1986, S. 282 (Register).
  • Heinrich Reimer: Historisches Ortslexikon für Kurhessen. Marburg 1926, S. 263.
  • Literatur über Marjoß nach GND In: Hessische Bibliographie
  • Literatur über Steinau-Marjoß nach GND In: Hessische Bibliographie
Bearbeiten
Commons: Marjoß – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

Bearbeiten

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Durch den Reichsdeputationshauptschluss.
  3. Infolge der Napoleonischen Kriege.
  4. Infolge der Beschlüsse des Wiener Kongresses.
  5. Trennung von Justiz (Justizamt Steinau (Assistenzamt Schlüchtern)) und Verwaltung.
  6. Infolge des Deutschen Krieges.
  7. Infolge des Zweiten Weltkriegs.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Marjoß, Main-Kinzig-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 24. Juni 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Haushalt 2024. (PDF; 33 MB) Einwohnerstatistik Stadt Steinau an der Straße. Abgerufen im August 2024.
  3. Thomas Klein, S. 115.
  4. Dersch Wilhelm: Hessisches Klosterbuch. Quellenkunde zur Geschichte der im Regierungsbezirk Cassel, der Provinz Oberhessen und dem Fürstentum Waldeck gegründeten Stifter, Klöster und Niederlassungen von geistlichen Genossenschaften. Marburg 1915. S. 108f.
  5. Gemeindegebietsreform in Hessen: Zusammenschlüsse und Eingliederungen von Gemeinden vom 29. November 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 48, S. 1917, Punkt 1571; Abs. 2. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,1 MB]).
  6. a b Hauptsatzung. (PDF; 367 kB) § 5. In: Webauftritt. Stadt Steinau an der Straße, abgerufen im August 2024.
  7. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 376, 277 und 385 (Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
  8. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  9. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 208 (online bei Google Books).
  10. Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 76.
  11. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 30 und 84, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2021;.<
  12. Thomas Klein: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1845. Reihe A: Preußen. Band 11: Hessen-Nassau einschließlich Vorgängerstaaten. Marburg 1979, S. 115
  13. 2008:Übersicht, Einwohnerzahlen (- ca. 60 Nebenwohnungen). In: Webauftritt. Gemeinde Steinau an der Straße, archiviert vom Original; abgerufen im Februar 2021.
    2015:Übersicht, Einwohnerzahlen (- ca. 50 Nebenwohnungen). In: Webauftritt. Gemeinde Steinau an der Straße, archiviert vom Original; abgerufen im Februar 2021.
  14. Ortsbeiratswahl Marjoß. In: Votemanager. Stadt Steinau an der Straße, abgerufen im August 2024.
  15. Bürgerinfosystem Steinau an der Straße. Abgerufen am 26. August 2024.
  16. Grundschule Marjoß wird geschlossen - Vorsprung Online
  17. Hans-Elm-Schule, aufgerufen am 5. April 2022
  18. RMV-Gesamtlinienplan Main-Kinzig-Kreis, (PDF/12MB), abgerufen am 26. August 2024