Marko Feingold
Marko Max Feingold[1] (geboren 28. Mai 1913 in Neusohl, Königreich Ungarn; gestorben 19. September 2019 in Salzburg[2]) war bis zum Frühjahr 2019 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und betreute die Salzburger Synagoge. Er war mit 106 Jahren der zuletzt älteste Holocaust-Überlebende Österreichs.
Leben
BearbeitenMarko Feingold wuchs mit seinen drei Geschwistern in der Wiener Leopoldstadt auf. Nach einer Lehre als kaufmännischer Angestellter fand er Arbeit in Wien. Im Jahr 1932 wurde er arbeitslos und ging gemeinsam mit seinem Bruder Ernst nach Italien, wo er erfolgreich als Vertreter für Bohnerwachs und Flüssigseife arbeitete.[3][4]
Kurz nach dem „Anschluss“ 1938 wurde er während eines kurzen Aufenthalts in Wien verhaftet.[5] Er floh zuerst nach Prag, wurde nach Polen ausgewiesen und kehrte mit falschen Papieren nach Prag zurück, wo er im Mai 1939 erneut festgenommen, inhaftiert und schließlich in das KZ Auschwitz deportiert wurde.[6] Über die Konzentrationslager Neuengamme und Dachau kam er schließlich 1941 ins KZ Buchenwald, wo er bis zur Befreiung interniert war.
Durch Zufall ließ er sich 1945 in Salzburg nieder, wo er seither wohnte. Zwischen 1945 und 1948 half er jüdischen Überlebenden, die in DP-Lagern in Salzburg lebten, und organisierte mit der jüdischen Flüchtlingsorganisation Bricha die (illegale) Durchreise von 100.000 Juden aus Mittel- und Osteuropa nach Palästina. 1948 wurde er Inhaber eines Modegeschäftes (Wiener Moden) in Salzburg. Er war in dieser Zeit zunächst Mitglied der SPÖ, trat aber in den Fünfzigerjahren aus der Partei aus, nachdem er dort Intrigen und antisemitische Politiker, namentlich Karl Renner, erlebt hatte. Später wurde Feingold Ehrenmitglied der SPÖ.[7] Aus seiner Familie hat er als Einziger die KZs überlebt. Feingold war zweimal verheiratet.[8]
Wirken
BearbeitenSchon von 1946 bis 1947 war Feingold Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Nach seiner Pensionierung 1977 wurde Feingold amtierender Vizepräsident und 1979 wieder Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg.[9] Seither entfaltete er auch eine ausgedehnte Vortragstätigkeit, insbesondere als Zeitzeuge in Schulen und Pfarrgemeinden, über den Holocaust, seine Erlebnisse in den Konzentrationslagern und das Judentum. Er war auch aktiver Teilnehmer im interreligiösen Dialog.
Seit 2007 war Marko Feingold Ehrenmitglied von Alpine Peace Crossing. Die APC-Friedenswanderung führt jedes letzte Wochenende im Juni entlang der von Marko Feingold und Viktor Knopf ausgemachten Route über den 2634 Meter hohen Krimmler Tauern nach Südtirol.[10] Über 5000 Insassen des DP-Lagers Givat Avoda (Hügel der Arbeit) in Saalfelden verließen auf dieser hochalpinen Route[11] Österreich, wobei er selbst auch viele Gruppen zu Fuß über diesen Pfad führte.
In der Spielzeit 2013/2014 wirkte er bei der Zeitzeugenproduktion Die letzten Zeugen von Doron Rabinovici und Matthias Hartmann am Wiener Burgtheater mit. Die Produktion bezog sich auf die Novemberpogrome 1938, erlangte hohe Wertschätzung seitens Publikum und Presse und wurde zum Berliner Theatertreffen und ans Staatsschauspiel Dresden eingeladen. Oben stehendes Foto zeigt die stehenden Ovationen des Publikums am Schauspiel Frankfurt, wo das Burgtheater mit dieser Produktion am 7. Februar 2015 gastierte.
Anlässlich seines 105. Geburtstages stellte er positiv fest, dass Salzburg „anders“ geworden sei als früher.[12] Im Rahmen der Feierlichkeiten nahm er bei der Fußball-Integrationsweltmeisterschaft, an der 40 Nationen teilnahmen, den Anstoß vor.[13]
Marko Feingold starb am 19. September 2019 im Alter von 106 Jahren in Salzburg.[2][5]
Veröffentlichungen
Bearbeiten- (Hrsg.): Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg. Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Weimar 1993, ISBN 978-3-205-98109-1.
- Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte. Picus Verlag, Wien 2000, ISBN 3-85452-441-2. Neuauflage: Otto Müller Verlag, Salzburg 2012, ISBN 978-3-7013-1196-5.
Auszeichnungen und Ehrungen
Bearbeiten- 1977: Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs
- 1985: Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- 1985: Bürgerbrief der Stadt Salzburg
- 1988: Wappenmedaille der Stadt Salzburg in Gold
- 1988: Goldenes Verdienstzeichen des Landes Salzburg
- 1991: Ernennung zum Hofrat
- 1993: Ehrenbecher des Landes Salzburg
- 1998: Goldenes Ehrenzeichen des Landes Salzburg
- 2003: Ring der Stadt Salzburg
- 2008: Ehrenbürger der Stadt Salzburg[14]
- 2010: Kurt-Schubert-Gedächtnispreis
- 2012: Ehrenring in Gold der Universität Salzburg
- 2015: Otto-Bauer-Plakette[15]
- 2017: Verdienstkreuz des Österreichischen Roten Kreuzes
- 2018: Toleranzpreis der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste[16]
- 2019: Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland[17]
Feingold war Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (EASA)[18] Class VII: Religions of the World,
Seit 2013 vergeben Land Salzburg und Stadt Salzburg gemeinsam mit der Universität Salzburg den Marko-Feingold-Preis für eine Dissertation, die sich mit der materiellen Kultur, dem Leben und/oder der Arbeit der jüdischen Bevölkerung, deren Wirken und Einfluss auf Kultur, Wissenschaft, Literatur der jeweiligen Gesellschaft und Zeitepoche oder deren Verfolgung, Vertreibung, Exil- und/oder Diasporaerfahrungen in den unterschiedlichsten Weltregionen und historischen Zeitkontexten auseinandersetzt.[19] Erster Preisträger war der Historiker Jacob Eder von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der den Preis für seine Untersuchung über die Reaktionen westdeutscher Politiker und Diplomaten auf die zunehmende Auseinandersetzung der US-amerikanischen Gesellschaft mit der Geschichte des Holocausts seit den 1970er Jahren erhielt.[20]
Im Mai 2021 wurde in der Stadt Salzburg der Makart-Steg über die Salzach in Marko-Feingold-Steg umbenannt.[21] Im Juni 2024 wurde eine auf dem Steg installierte und den Sommer 2024 andauernde Freiluftausstellung über jüdisches Leben in Salzburg eröffnet, die dem langjährigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde gewidmet ist.[22]
Literatur
Bearbeiten- Marko M. Feingold: Überlebender und nimmermüder Mahner. In: Johannes Hofinger: Nationalsozialismus in Salzburg. Opfer. Täter. Gegner, 2. Auflage. Studien-Verlag, Innsbruck u. a. 2018 (Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; 5) (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg; 44), ISBN 978-3-7065-5211-0, S. 376–378.
Filme
Bearbeiten- Ein jüdisches Leben von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer (2021).[23][24]
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Marko Feingold im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Marko Feingold: Lebenslauf. Bearbeitet von Gustav Gschossmann. Website „Alpine Peace Crossing“, 22. Juni 2009 (PDF; 161 kB)
- Alexander Behr: Ein Leben nach dem Holocaust. Vier KZs überlebt. orf.at, 10. Oktober 2017
- Reinhold Bidner: Morzinplatz. „Hörspuren“ – Audio-Guides Wien 1938 (mp3-Audio; 27:05 Minuten; 24,7 MB): Marko Feingold schildert seine Haftbedingungen im Gestapo-Hauptquartier Wien.
- Thomas Trenkler: „Das ist deutsche Hygiene!“ Interview. derStandard.at, 2. November 2012
- David Baum: Max „Marko“ Feingold: „Selbst bei den Sozialisten hieß es: Saujud, schleich Dich!“ stern.de, 17. Februar 2018
- Lebensgeschichtliche Interviews mit Marko Feingold zum Nachhören im Online-Archiv Österreich am Wort der Österreichischen Mediathek
- Alexandra Föderl-Schmid: Die Rettung – Marko Feingold ist der älteste Holocaustüberlebende Österreichs. Der 105-Jährige verhalf einst 100.000 Juden zur Flucht nach Palästina, Süddeutsche Zeitung, 9./10. Juni 2018
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Sabine Adler: Tod des Holocaust-Überlebenden Marko Feingold: Kampf für die historische Wahrheit. Hörfunkbeitrag. Deutschlandfunk, 21. September 2019, abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ a b Ältester Holocaust-Zeitzeuge Marko Feingold verstorben. In: kurier.at. 20. September 2019, abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ Alexandra Föderl-Schmid: Marko Feingold gestorben: Der Retter. In: sueddeutsche.de. 20. September 2019, abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ Der Aufklärer aus der Leopoldstadt. In: wienerzeitung.at. 28. Mai 2016, abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ a b Marko Feingold ist tot. In: orf.at. 20. September 2019, abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ Albert Lichtblau: Interviews mit Opfern des Nationalsozialismus aus Österreich: Marko Feingold. Sammlung Lichtblau in der Österreichischen Mediathek, 9. Mai 1999, abgerufen am 17. Februar 2018 (Feingold erzählt von seiner Deportation nach Auschwitz; Audio 6:11 Minuten).
- ↑ Max „Marko“ Feingold: „Selbst bei den Sozialisten hieß es: Saujud, schleich Dich!“ In: stern.de. 17. Februar 2018, abgerufen am 27. Februar 2018.
1. SPÖ-Präsident „war lange als Antisemit bekannt“. In: krone.at. 3. Juni 2018, abgerufen am 5. Juni 2018. - ↑ Mit 100 Jahren mitten im Beruf, kurier.at, 22. Mai 2013
- ↑ Marko M. Feingold: Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. S. 277–279.
- ↑ Friedenswanderung. ( des vom 4. Mai 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: alpinepeacecrossing.org. Abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ Alexandra Föderl-Schmid: Marko Feingold: Holocaust-Überlebender und Zeitzeuge. Abgerufen am 12. März 2020.
- ↑ Feingold: Auch Gefangene wollen sich nicht erinnern. In: salzburg24.at. 30. Mai 2018, abgerufen am 30. Mai 2018.
- ↑ Harald Saller: Integrations-WM: Marko Feingold macht den Ehrenankick. In: Salzburger Nachrichten. 30. Mai 2018, abgerufen am 30. Mai 2018.
- ↑ Ehrenbürgerschaft für Hofrat Marko M. Feingold. Pressemitteilung der Stadt Salzburg, 18. Januar 2008, abgerufen am 17. Februar 2018.
- ↑ Marko Feingold erhält Otto-Bauer-Plakette. Salzburger Nachrichten, 13. Mai 2015, abgerufen am 13. November 2015.
- ↑ Toleranzpreis für Marko Feingold. orf.at, 21. Jänner 2018, abgerufen am 17. Februar 2018.
Franziska Huber: Prize of Tolerance to Marko Feingold. ( des vom 17. Februar 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste, 26. Januar 2018, abgerufen am 17. Februar 2018 (englisch). - ↑ Ehrung für Holocaust-Überlebenden Feingold. In: derstandard.at. 1. Februar 2019, abgerufen am 20. September 2019.
- ↑ EASA Website → Organisation → Members. ( vom 9. September 2017 im Internet Archive) abgerufen am 10. Oktober 2017.
- ↑ Erster Marko-Feingold-Preis in Salzburg vergeben. Salzburger Nachrichten, 22. Jänner 2014, abgerufen am 17. Februar 2018.
- ↑ Marko-Feingold-Preis erstmals vergeben. Salzburger Nachrichten, 21. Jänner 2014, abgerufen am 17. Februar 2018.
- ↑ Makart-Steg zu Marko-Feingold-Steg umbenannt. In: ORF.at. 27. Mai 2021, abgerufen am 27. Mai 2021.
- ↑ Marko-Feingold-Steg: Ausstellung über jüdisches Leben, ORF Salzburg Online vom 3. Juni 2024, abgerufen am 4. Juni 2024
- ↑ Stadt Salzburg: Film Marko Feingold - Ein jüdisches Leben.
- ↑ Trailer zum Film auf YouTube.
Personendaten | |
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NAME | Feingold, Marko |
ALTERNATIVNAMEN | Feingold, Marko Max (vollständiger Name); Feingold, Max Mordechai; Fuchs, Markus |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Holocaustzeuge, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg |
GEBURTSDATUM | 28. Mai 1913 |
GEBURTSORT | Besztercebánya, Königreich Ungarn |
STERBEDATUM | 19. September 2019 |
STERBEORT | Salzburg |