Der Merzario A3 war ein Formel-1-Rennwagen des italienischen Rennstalls Team Merzario, der in der Saison 1979 zu sechs Weltmeisterschaftsläufen gemeldet wurde, aber bei keiner Veranstaltung die Qualifikation bestand. Der Wagen war mit geringen finanziellen Mitteln entwickelt worden. Er orientierte sich an zeitgenössischen Wing Cars, verwendete aber teilweise veraltete Komponenten und galt als unausgereift und ineffizient. Das Team gab den Wagen nach nur drei Monaten auf und ersetzte ihn durch eine Fremdkonstruktion.

Merzario A3
Merzario A3

Merzario A3

Konstrukteur: Italien Team Merzario
Designer: Giorgio Valentini
Simon Hadfield
Giorgio Piola
Vorgänger: Merzario A2
Nachfolger: Merzario A4
Technische Spezifikationen
Chassis: Aluminiummonocoque
Motor: Cosworth DFV V8
Radstand: 2720 mm
Gewicht: 625 kg
Reifen: Goodyear
Statistik
Fahrer: Italien Arturo Merzario
Italien Gianfranco Brancatelli
Starts Siege Poles SR
WM-Punkte:
Podestplätze:
Führungsrunden:
Stand: Saisonende 1979

Hintergrund

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Der italienische Rennfahrer Arturo Merzario trat von 1972 bis 1976 für die Scuderia Ferrari, für Frank Williams Racing Cars und schließlich für March Engineering als Werksfahrer in der Formel 1 an. Nachdem March mit Ablauf des Jahres 1976 den Vertrag mit Merzario nicht verlängert hatte, gründete er in der lombardischen Gemeinde Carate Brianza ein eigenes Team, das 1977 mit einem Kundenfahrzeug von March antrat. Das Auto wurde als March 761B (Fahrgestellnummer 761B/2) gemeldet, allerdings war es – anders als seine Bezeichnung suggerierte – nach allgemeiner Ansicht tatsächlich ein älterer March, der entweder 1976[1] oder bereits 1975[2][3] aufgebaut worden war. Als March Ende 1977 sein Formel-1-Engagement einstellte, entfiel künftig auch die Unterstützung für die Kundenfahrzeuge. Um weiter in der Formel 1 antreten zu können, entschied sich Merzario daraufhin für die Konstruktion eines eigenen Rennwagens. Sein erstes Modell war der Merzario A1, von dem zwei gebaut wurden. Das A1/1 genannte erste Exemplar war in technischer Hinsicht ein Nachbau des March 761B, hatte aber eine eigenständige Karosserie. Das zweite Auto (A1/2) nutzte das unveränderte Monocoque von Merzarios altem March 761B, auf das die Karosserie des A1/1 aufgesetzt war.[2] Beide Versionen des A1 waren nicht erfolgreich. Es gab 1978 insgesamt nur acht Qualifikationen, aber keine Zielankunft.

Der A1 war technisch veraltet. Ab 1978 war die Dominanz von Autos mit Bodeneffekt absehbar.[4] Der veraltete A1, dessen technische Konzeption auf das Jahr 1975 zurückging, erfüllte diese Anforderungen nicht. Für die Saison 1979 ließ Merzario deshalb ein eigenes Bodeneffekt-Auto entwickeln, dessen Fertigstellung sich bis ins Frühjahr 1979 hinein verzögerte. Die ersten Rennen der Saison bestritt Merzario daher mit dem Interimsmodell A2, einer Weiterentwicklung des A1/2 und wie dieser mit unverändertem Monocoque des March 761B/2.

Der Merzario A3, das erste Bodeneffekt-Auto des Teams, erschien schließlich im April 1979. Im Laufe der folgenden drei Monate gelang dem Team mit dem A3 keine Qualifikation. Eine Weiterentwicklung gab es trotzdem nicht. Stattdessen übernahm Merzario Ende Mai 1979 ein Chassis und zahlreiche Ausrüstungsgegenstände des deutschen Kauhsen-Teams, das den Betrieb eingestellt hatte, und ersetzte den A3 kurz danach durch eine Kauhsen-Konstruktion, die als Merzario A4 gemeldet wurde. Auch dieses Modell ermöglichte dem Team keine Rennteilnahme bei einem Weltmeisterschaftslauf.

Nomenklatur

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Über die Bezeichnung der unterschiedlichen Merzario-Konstruktionen herrscht in der Literatur keine Einigkeit. Das betrifft auch Merzarios erstes Groundeffect-Auto. Die meisten Quellen bezeichnen das Auto als A3.[2][5] Dieser Code wurde schon in zeitgenössischen Berichten verwendet.[6] Spätere Publikationen weichen teilweise davon ab. Ausgehend davon, dass sie das Interimsmodell der frühen Saison 1979 als Mitglied der A1-Familie ansehen und nicht als A2, sondern als A1B bezeichnen, weisen sie dem ab April 1979 eingesetzten Groundeffect-Auto anstelle des Codes A3 die Bezeichnung A2 zu.[7][8][9]

Grundmerkmale

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Konstrukteure des Merzario A3 waren Arturo Merzario, sein Mechaniker Simon Hadfield und der Ingenieur Giorgio Valentini. Valentini erklärte drei Jahrzehnte später, sein Beitrag zu dem Auto habe sich auf einige grundlegende Vorgaben und ein paar Skizzen beschränkt. Das Budget für Entwicklung und Aufbau des Autos war auf 250.000 US-$ begrenzt. Die Konstrukteure mussten deshalb viele Komponenten von früheren Merzario-Autos weiterverwenden. Das betraf vor allem das Monocoque: Der A3 übernahm die Aluminiumzelle des Merzario A1/1, mit dem das Team die erste Saisonhälfte 1978 bestritten hatte. Sie war dem Monocoque des March 761B nachempfunden, aber nicht vollständig identisch. Die Radaufhängung war neu gestaltet worden; die Federn lagen nun innen. Als Antrieb verwendete Merzario weiterhin einen 3,0 Liter großen Saugmotor von Cosworth (DFV), der die Kraft über ein Fünfgang-FGA-Getriebe von Hewland an die Hinterräder weitergab. Der Motor war unverkleidet.

Der Merzario A3 hatte einige Elemente eines Wing Car; Vorbilder waren der Lotus 78 und der Ligier JS11. Die Seitenkästen reichten von den Vorder- bis zu den Hinterrädern. Unter den Seitenkästen waren Flügelprofile angebracht. Auffällig waren die seitlichen Abschlussbleche, die von vorn nach hinten stark anstiegen, und die breite, dreieckige Verkleidung des Überrollbügels.

Schwachstellen

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Entgegen den Erwartungen der Konstrukteure trat beim A3 nahezu kein Bodeneffekt ein. Wesentlicher Grund dafür war das Aluminiummonocoque, das sich an einer March-Konstruktion orientierte, die im Kern inzwischen vier Jahre alt war.[Anm. 1] Zur Zeit seines Entwurfs gab es noch keine Wing Cars mit Unterbodenprofilen. Das Monocoque war so breit, dass in den Seitenkästen nur schmale Flügelprofile untergebracht werden konnten, die kaum Ansaugwirkung produzierten.[7] Eine weitere Schwachstelle des A3 war sein hohes Gewicht. Der A3 war mit 625 kg etwa 30 kg schwerer als sein Vorgänger. Der Gewichtszuwachs war darauf zurückzuführen, dass Merzario aus Kostengründen einige Chassis- und Karosserieteile nicht aus Titan oder Magnesium fertigen konnte, sondern auf Aluminium oder Stahl zurückgreifen musste.[2] Auch die Radaufhängungen waren problematisch. Sie waren zu schwach dimensioniert und neigten zum Brechen.[7]

Lackierung und Sponsoren

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Das Farbschema des Merzario A3 folgte dem des A2. Der Grundton war Gelb; die Seitenkästen waren schwarz lackiert. Sponsoren waren (wie schon beim A2) Marlboro Italia, Flor Bath und RETE.

Produktion

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Der Merzario A3 war ein Einzelstück. Das Fahrzeug existiert noch. Es gehört einem italienischen Sammler, der es gelegentlich bei Klassikerveranstaltungen zeigt.

Renneinsätze

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Teamchef und Fahrer: Arturo Merzario (2009)

Erstmals meldete Merzario den neuen A3 zum Race of Champions, einem Formel-1-Rennen ohne Weltmeisterschaftsstatus, das für den 18. März 1979 vorgesehen war, wegen starken Schneefalls aber abgesagt werden musste. In den folgenden zwei Wochen führte Arturo Merzario mit dem A3 einige Testfahrten auf der Pista di Fiorano durch.

Sein öffentliches Debüt gab der A3 schließlich beim vierten Weltmeisterschaftslauf, dem Großen Preis der USA West. Arturo Merzario setzte den A3 im Qualifikationstraining ein und erzielte mit ihm eine Zeit, die für den 24. Startplatz reichte. Während des Trainings erlitt der A3 allerdings auf dem unebenen Long Beach Grand Prix Circuit einen Aufhängungsschaden, dessen kurzfristige Reparatur als zu riskant angesehen wurde. Merzario bestritt das Rennen daher noch einmal im Interimsmodell A2. In der 14. Runde führte ein Motorschaden zum Ausfall. Bei den folgenden Rennen in Spanien und Belgien verpasste Arturo Merzario im A3 jeweils die Qualifikation. In Spanien fehlten ihm etwa 1,7 Sekunden auf den Letztqualifizierten,[10] in Belgien weniger als eine Sekunde.[11] Auf dem Circuit Zolder verunglückte Arturo Merzario im A3. Er brach sich dabei die rechte Hand und musste beim folgenden Rennen in Monaco aussetzen.[3] An seiner Stelle meldete das Team Gianfranco Brancatelli, der zu den zwei vorangegangenen Rennen von Kauhsen Racing gemeldet worden war. Brancatelli scheiterte in Monaco bereits an der Vorqualifikation. Er war der mit Abstand langsamste Fahrer; seine beste Rundenzeit lag 12 Sekunden über der späteren Polezeit von Jody Scheckter (Ferrari).[12] Fünf Wochen später war Arturo Merzario wieder einsatzbereit. In Frankreich fuhr er den A3 im Qualifikationstraining, war aber ebenso wie Brancatelli vorher in Monaco der langsamste Fahrer des Feldes. Im Vergleich zu den Ferraris fehlten dem Merzario in der Höchstgeschwindigkeit nahezu 20 km/h.[13]

Nach dem Rennen in Frankreich gab Merzario den A3 auf. Das Team setzte den Rennbetrieb ab dem Großen Preis von Großbritannien mit dem ursprünglich von Kauhsen konstruierten A4 fort. Der A3 wurde als Ersatzauto zu den meisten der verbleibenden Saisonrennen mitgeführt, kam aber nur noch einmal zum Einsatz. Nachdem Arturo Merzario den A4 im Qualifikationstraining zum Großen Preis von Österreich bei einem Unfall im Qualifikationstraining beschädigt hatte, legte er die letzten Runden des Trainings im A3 zurück. Mit keinem der beiden Autos erreichte er eine Zeit, die eine Qualifikation ermöglicht hätte.[5]

Arturo Merzario über den A3

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Arturo Merzario beschrieb den A3 in zeitgenössischen Äußerungen als gutes, ausgewogenes Auto. Die mangelnde Leistung schrieb er in erster Linie den schlechten Reifen von Goodyear zu, die nach seiner Auffassung nicht genügend Haftung aufbauten.[2] In der Motorsportliteratur besteht Einigkeit darüber, dass Goodyear in den späten 1970er-Jahren Reifen von unterschiedlicher Qualität lieferte: Hochwertige Reifen erhielten zu dieser Zeit nur die Spitzenteams; andere Hersteller und die kleinen Privatteams wurden dagegen mit wesentlich langsameren Reifen beliefert, die intern als „Holzreifen“ bezeichnet wurden.[3]

Resultate

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Fahrer Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Punkte Rang
Automobil-Weltmeisterschaft 1979                               0 -
Italien  A. Merzario 24 PO DNQ DNQ DNQ DNQ
Italien  G. Brancatelli DNPQ
Legende
Farbe Abkürzung Bedeutung
Gold Sieg
Silber 2. Platz
Bronze 3. Platz
Grün Platzierung in den Punkten
Blau Klassifiziert außerhalb der Punkteränge
Violett DNF Rennen nicht beendet (did not finish)
NC nicht klassifiziert (not classified)
Rot DNQ nicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQ in Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
Schwarz DSQ disqualifiziert (disqualified)
Weiß DNS nicht am Start (did not start)
WD zurückgezogen (withdrawn)
Hellblau PO nur am Training teilgenommen (practiced only)
TD Freitags-Testfahrer (test driver)
ohne DNP nicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJ verletzt oder krank (injured)
EX ausgeschlossen (excluded)
DNA nicht erschienen (did not arrive)
C Rennen abgesagt (cancelled)
  keine WM-Teilnahme
sonstige P/fett Pole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8 Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursiv Schnellste Rennrunde
* nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
() Streichresultate
unterstrichen Führender in der Gesamtwertung

Literatur

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  • Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9
  • David Hodges: A–Z of Grand Prix Cars 1906–2001, 2001 (Crowood Press), ISBN 1-86126-339-2
  • David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7
  • Mike Lawrence: March, The Rise and Fall of a Motor Racing Legend, MRP, Orpington 2001, ISBN 1-899870-54-7
  • Pierre Ménard: La Grande Encyclopédie de la Formule 1, 2. Auflage, St. Sulpice, 2000, ISBN 2-940125-45-7
  • Doug Nye: Das große Buch der Formel-1-Rennwagen. Die Dreiliterformel ab 1966. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 1986, ISBN 3-481-29851-X.
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Anmerkungen

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  1. Der von Merzario 1977 eingesetzte March 761B war im Bereich des Monocoques identisch mit dem 1976 vorgestellten March 761, der seinerseits die Monocoquekonstruktion des March 751 von 1975 übernahm. Vgl. zum March 751, 761 und 761B David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7, S. 162 f., sowie Mike Lawrence: March, The Rise and Fall of a Motor Racing Legend, MRP, Orpington 2001, ISBN 1-899870-54-7, S. 162, der den March 761 als einen aufpolierten 751 beschreibt.

Einzelnachweise

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  1. Übersicht über die einzelnen Exemplare des March 761 auf der Internetseite www.oldracingcars.com (abgerufen am 24. Oktober 2017).
  2. a b c d e Abriss über die Geschichte des Teams Merzario auf der Internetseite www.f1rejects.com (archivierte Version), abgerufen am 24. Oktober 2017.
  3. a b c Doug Nye: Das große Buch der Formel-1-Rennwagen. Die Dreiliterformel ab 1966. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 1986, ISBN 3-481-29851-X, S. 216.
  4. Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9, S. 293.
  5. a b Renngeschichte des Merzario A3 auf der Internetseite www.oldracingcars.com (abgerufen am 25. Oktober 2017).
  6. Geschichte und Beschreibung des Merzario A3 (mit zeitgenössischen Abbildungen) (Memento vom 25. Oktober 2017 im Internet Archive) (abgerufen am 25. Oktober 2017).
  7. a b c David Hodges: A–Z of Grand Prix Cars 1906–2001, 2001 (Crowood Press), ISBN 1-86126-339-2, S. 170.
  8. David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945, Stuttgart 1993, ISBN 3-613-01477-7, S. 190.
  9. Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, Motorbuch Verlag Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9, S: 299.
  10. Statistik der Qualifikation zum Großen Preis von Spanien 1979 auf der Internetseite www.motorsport-total.com (dort als Merzario A2 geführt), abgerufen am 25. Oktober 2017.
  11. Statistik der Qualifikation zum Großen Preis von Belgien 1979 auf der Internetseite www.motorsport-total.com (dort als Merzario A2 geführt), abgerufen am 25. Oktober 2017.
  12. Statistik der Qualifikation zum Großen Preis von Monaco 1979 auf der Internetseite www.motorsport-total.com (dort als Merzario A2 geführt), abgerufen am 25. Oktober 2017.
  13. Statistik der Qualifikation zum Großen Preis von Frankreich 1979 auf der Internetseite www.motorsport-total.com (dort als Merzario A2 geführt), abgerufen am 25. Oktober 2017.