Museo Casa Anatta

Museum auf dem Monte Verità in Ascona, Schweiz

Das Museo Casa Anatta ist ein Museum auf dem Gelände des Monte Verità in Ascona, Kanton Tessin, Schweiz. Es ist der zentrale Ausstellungsort des Museumskomplexes auf dem Monte Verità – der als Kulturgut geschützte Museumsrundgang[1] umfasst auch noch die Gebäude Casa Selma, Casa dei Russi und Padiglione Elisarion. Das Gebäude Casa Anatta wird seit 1981 als Museum genutzt.[2]

Hauptfassade der Casa Anatta

Ausstellung „Monte Verità. Le mammelle della Verità“

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Ausstellungsraum im zweiten Obergeschoss

Kernstück des Museums ist die umfangreiche Ausstellung Monte Verità. Le mammelle della Verità (deutsch Die Brüste der Wahrheit) des Kurators Harald Szeemann. Diese Wanderausstellung wurde erstmals im Sommer 1978 verteilt auf sechs verschiedene Orte in Asonca und auf den Brissagoinseln gezeigt. Auch die Casa Anatta gehörte damals zu den Ausstellungsräumlichkeiten. Später war die Ausstellung im Kunsthaus Zürich, in der Berliner Akademie der Künste, in Wien im Museum des 20. Jahrhunderts und in der Münchner Villa Stuck zu sehen.

Monte Verita ist auch eine archäologische Ausstellung und entspricht einem visualisierten Rapport der getätigten Ausgrabungen. Die Funde sind Beiträge zu heute hochaktuellen, teilweise brisanten Themen, vom philosophischen Anarchismus über Lebensreform, Kommunebildung, Sexualrevolution, Frauenemanzipation, bis zur Bürgerinitiative gegen atomare Bewaffnung und auch für den Schutz der Umwelt.“

Harald Szeemann: Ausstellungskatalog[3]

Die Ausarbeitung der Ausstellung dauerte drei Jahre.[3] Szeemann trug für seine erste grosse unabhängig kuratierte Ausstellung zahllose Gegenstände zusammen und sprach mit Zeitzeugen. Entstanden ist eine „Alternativausstellung in Randgebieten der modernen europäischen Kulturgeschichte“.[4] Das Konzept sah vor, „die Geschichte des Berges in ihrer ganzen Heterogenität nicht nur äusserlich begreifbar, sondern erlebbar“ (Dominik Keller)[5] zu machen. Die einzelnen Themen der Ausstellung nannte Szeemann analog zur vielbrüstigen Artemis von Ephesus „Brüste“ – gegliedert wurde nach Anarchie, Sozialutopie, Seelenreform, Lebensreform, Geistesreform, Körperreform, Psychologie, Mythologie, Tanz und Musik, Literatur sowie Kunst. Darin behandelt wurde nicht nur die Geschichte des Monte Verità, sondern der ganzen Region Ascona mit den Brissagoinseln, das Teatro San Materno (Ascona), das Elisarion in Minusio, die „Enciclopedia del Bosco“ von Armand Schulthess und mehrere Künstler, darunter Ingeborg Lüscher, Italo Valenti und Gianfredo Camesi.[4]

Ab 1981 fanden Teile der Wanderausstellung, die viele Leihgaben umfasste, in der Casa Anatta als Dauerausstellung ein Zuhause; Szeemann kümmerte sich auch hier um die Präsentation und leitete in der Folge das Museum. Nach seinem Tod wurden die Exponate an die Stiftung Monte Verità verkauft.[4] 2009 musste das sich in einem desolaten Zustand befindliche Gebäude geschlossen werden. 2017 wurde das restaurierte Museum wiedereröffnet. Die Ausstellung „Monte Verità. Le mammelle della Verità“ umfasst 975 Objekte und wurde in der originalen Form belassen, auch wenn dies nicht mehr ganz zeitgemäss ist.[6]

Die Ausstellung La verità di una montagna (Die Wahrheit eines Berges) in vier kleinen Räumen im Kellergeschoss informiert über die Ausstellung in den restlichen Räumen.

Casa Anatta

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Als Baujahr der Casa Anatta wird meist das Jahr 1904 genannt und 1905 für die Einweihung.[7][8] In neuerer Literatur wird aber erwähnt, dass wahrscheinlicher sei, dass das Gebäude erst nach den Jahren 1907/08 erbaut wurde, da es in früheren Berichten nicht erwähnt wurde und auf alten Aufnahmen im Gegensatz zum Hauptgebäude nicht zu sehen ist.[9] Der Name des Gebäudes leitet sich vom buddhistischen Leitwort Anatta ab.[10]

 
Restaurierte Holztreppe, die ins erste Obergeschoss hinunterführt

Das Holzhaus diente als Wohngebäude für Ida Hofmann und Henri Oedenkoven und als Gesellschaftshaus[11] der vier Jahre zuvor gegründeten Kooperative auf dem Monte Verità. Der Architekt ist unbekannt, jedoch war Henri Oedenkoven sicherlich gestaltend beteiligt.[12] Beeinflusst wurde er durch den Art nouveau und vermutlich auch durch philosophisches Gedankengut der Theosophie.[13] Oedenkoven zog 1913 aus der Casa Anatta aus, Hofmann wohnte in der Folge in der Casa Bianca. Ab 1920 war auf dem Monte Verità ein Kinderheim untergebracht, und die Casa Anatta diente als Restaurant mit Tanz und Musik.[14] Ab 1926 diente sie Eduard von der Heydt als Wohnung, der ab 1929 in Ascona lebte. Teile seiner Kunstsammlung waren in der Casa Anatta untergebracht. Für die Jahre vor und nach 1926 sind zwei Umbauphasen dokumentiert mit Um- und Anbauten, so einem Ausbau des zweiten Obergeschosses und Arkaden im Kellergeschoss, die später zugemauert wurden.[15] Ab 1942 diente das Haus als Dépendance des Hotels auf dem Monte Verità, später eine einfache Gästeunterkunft.[11] Als das Haus 1981 zum Museum wurde, musste es restauriert und wiederhergerichtet werden. Eine Küche wurde entfernt, die prunkvolle Treppe nachgebaut.[4]

Das Gebäude hat einen kreuzförmigen Grundriss und erstreckt sich über drei Etagen.[9] Der Eingang zum Museum befindet sich im gemauerten Kellergeschoss. Im darüberliegenden ersten Obergeschoss befanden sich die wichtigsten Räume – zusätzliches Licht kam ursprünglich von einem Atrium-artigen Oberlicht.[14] Die darüberliegende Etage ist deutlich kleiner und umfasst erhöht noch ein kleines „Turmzimmer“. Im zweiten Obergeschoss befand sich anfangs auch der Haupteingang,[16] der durch von der Heydt nach Süden verlegt wurde.[17] Schon in früher Zeit verfügte das Haus über eine Zentralheizung.[11]

 
Treppenbeginn im zweiten Obergeschoss und Blick hoch ins „Turmzimmer“

Prägend für den Bau sind die Doppelwände aus Holz – aussen horizontal, unten vertikal –, hohe Räumlichkeiten sowie abgerundete Ecken und Gewölbedecken in den Räumen. Schiebetüren, grosse Fenstern sowie ein Flachdach über weiten Teilen des ersten Obergeschosses, wo Oedenkoven sich ungestört nackt aufhalten konnte,[12] verleihen dem Haus zusätzlich eigenen Charakter.[18][9]

„Das Haus […] ist historisch-künstlerisch von grossem Wert und muss als eine der ersten europäischen Bauten betrachtet werden, bei denen mit einer einfachen, linearen Struktur eine Einheit von Funktion und Form erreicht wurde.“

Mara Folini: Der Monte Verità von Ascona[2]

Der Kunsthistoriker Sigfried Giedion bezeichnete das Haus 1934 in der Schweizerischen Schreinerzeitung als das „originellste Holzhaus der Schweiz“.[2]

Anfangs der 2010er Jahre war das Gebäude in sehr schlechtem Zustand, morsch und feucht. Ein provisorisches Dach schützte den Bau.[19] Nach mehrjähriger Restaurierung unter der Ägide des damaligen Museumsdirektors Lorenzo Sonognini wurde die Casa Anatta im Mai 2017 wieder eröffnet.[20] Die recht vollgestellten Ausstellungsräume stehen im Kontrast zum ursprünglich spärlich eingerichteten Haus, an dessen Wänden auch keine Bilder hingen, um nicht vom Bild der grünen Landschaft, die durch die Fenster sichtbar war, abzulenken.[21]

Museumsrundgang

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Der Museumsrundgang (ital. Percorso museale Monte Verità) ist ein Kulturgut von nationaler Bedeutung (A-Objekt) und unter der Nummer 8634 in das Kulturgüterschutzinventar aufgenommen.[22] Er umfasst:

  • Die Casa Anatta mit den Ausstellungen über die Geschichte des Monte Verità und seiner Kolonie.
  • Die Casa Selma ist eine typische, 1904 erbaute «Licht-Luft-Hütte» aus der Anfangszeit der Kolonie.
  • Das Padiglione Elisarion ist ein Holzpavillon, der aus einer ehemaligen Liegehalle entstand. Darin befindet sich heute das Riesengemälde Chiaro mondo dei beati von Elisar von Kupffer (1923).
  • Die Casa dei Russi wurde nach russischen Besuchern benannt und 2015 nach Renovierung wieder eröffnet.
Albergo Monte Verità

Das Hotelgebäude wurde als wichtigstes Beispiel der modernen Architektur mit weiteren Gebäuden, umgebendem Park und Kunstwerken in das Denkmalverzeichnis aufgenommen und wurde ebenfalls mit der höchsten Schutzstufe klassiert.[23]

Literatur

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  • Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017 (Band veröffentlicht anlässlich der Renovation der Casa Anatta).
  • Gabriella Borsano Claire Halperin, Harald Szeemann (Hrsg.): Monte Verità – Berg der Wahrheit: lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie. Katalog zur Ausstellung in der Casa Anatta, Monte Verità; Gemeindemuseum, Ascona; Marianne-von-Werefkin-Stiftung, Gemeindemuseum, Ascona; Neue Turnhalle, Collegio Papio, Ascona; Ehemaliges Theater, Collegio Papio, Ascona, 8. Juli bis 30. August 1978; Brissagoinseln, 8. Juli bis 27. August 1978. Armando Dadò u. Electa Editrice, Lugano u. Mailand 1978.
  • „Lei non può lamentarsi di aver passato il suo tempo annoiandosi.“ Harald Szeemann e l’esposizione sul Monte Verità. In: Claudia Lafranchi Cattaneo, Andreas Schwab (Hrsg.): Dalla visione al chiodo. Dal chiodo alla visione. Il Fonde Harald Szeemann dell’Archivio Fondazione Monte Verità. Bellinzona 2013, S. 173–220.
  • Du 10/1978
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Commons: Museo Casa Anatta – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Inventario svizzero dei beni culturali d’importanza nazionale (Liste der A-Objekte im Kanton Tessin). (PDF) In: Bundesamt für Bevölkerungsschutz. 1. Juli 2018, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 5. Januar 2018 (italienisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.babs.admin.ch (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  2. a b c Mara Folini: Der Monte Verità von Ascona. In: Schweizerische Kunstführer. Serie 94, Nr. 939–940. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2013, ISBN 978-3-03797-117-8, S. 18.
  3. a b Harald Szeemann: Monte Verita – Berg der Wahrheit. In: Gabriella Borsano Claire Halperin, Harald Szeemann (Hrsg.): Monte Verità – Berg der Wahrheit: lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie. Armando Dadò u. Electa Editrice, Lugano u. Mailand 1978, S. 6 f. (Katalog zur Ausstellung in der Casa Anatta, Monte Verità; Gemeindemuseum, Ascona; Marianne-von-Werefkin-Stiftung, Gemeindemuseum, Ascona; Neue Turnhalle, Collegio Papio, Ascona; Ehemaliges Theater, Collegio Papio, Ascona, 8. Juli bis 30. August 1978; Brissagoinseln, 8. Juli bis 27. August 1978).
  4. a b c d Andreas Schwab: „Sie können sich nicht beschweren, Ihre Zeit langweilig verbracht zu haben.“ Harald Szeemann und die Ausstellung Monte Verità. (palma3.ch [PDF; abgerufen am 17. November 2017]). Vollständig veröffentlicht in italienischer Übersetzung: „Lei non può lamentarsi di aver passato il suo tempo annoiandosi.“ Harald Szeemann e l’esposizione sul Monte Verità. In: Claudia Lafranchi Cattaneo, Andreas Schwab (Hrsg.): Dalla visione al chiodo. Dal chiodo alla visione. Il Fonde Harald Szeemann dell’Archivio Fondazione Monte Verità. Bellinzona 2013, S. 173–220.
  5. Dominik Keller in: Du 10/1978, S. 76 (e-periodica.ch [abgerufen am 17. November 2017]).
  6. Susanna Petrin: Wahre Spinner am Berg. In: Basler Zeitung. 17. Mai 2017 (bzbasel.ch [abgerufen am 17. November 2017]).
  7. Mara Folini: Der Monte Verità von Ascona. In: Schweizerische Kunstführer. Serie 94, Nr. 939–940. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2013, ISBN 978-3-03797-117-8, S. 16.
  8. Andreas Schwab: Monte Verita – Sanatorium der Sehnsucht. Orell Füssli Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-280-06013-3, S. 125.
  9. a b c Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017, Casa Anatta, l’oggetto misterioso del Monte Verità, S. 43.
  10. Lea Porsager: Anatta Experiment. After Hand, 2012, ISBN 978-87-90826-24-6, Prologue.
  11. a b c Casa Anatta: Vor dem Gebäude. in: mediaguide Monte Verità.
  12. a b Mara Folini: Der Monte Verità von Ascona. In: Schweizerische Kunstführer. Serie 94, Nr. 939–940. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2013, ISBN 978-3-03797-117-8, S. 19.
  13. Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017, Casa Anatta, l’oggetto misterioso del Monte Verità, S. 44.
  14. a b Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017, Casa Anatta, l’oggetto misterioso del Monte Verità, S. 45.
  15. Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017, Casa Anatta, l’oggetto misterioso del Monte Verità, S. 52–53.
  16. Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti: Storia architettonica e restauro del Monte Verità. In: Fondazione Monte Verità (Hrsg.): arte e storia. Nr. 74. Ticino Management, 2017, Casa Anatta, l’oggetto misterioso del Monte Verità, S. 54.
  17. Mara Folini: Der Monte Verità von Ascona. In: Schweizerische Kunstführer. Serie 94, Nr. 939–940. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2013, ISBN 978-3-03797-117-8, S. 21.
  18. Museumsprospekt Museo Casa Anatta. Fondazione Monte Verità, 2017
  19. Simon Knopf/SDA: Museum am Monte Verità wird ab Herbst restauriert. In: Tages-Anzeiger. 12. Juni 2013 (tagesanzeiger.ch [abgerufen am 17. November 2017]).
  20. Valerio De Giorgi: Editoriale. In: Gabriele Geronzi, Bruno Reichlin, Danilo Soldati, Carlo Zanetti, Fondazione Monte Verità (Hrsg.): Storia architettonica e restauro del Monte Verità (= arte e storia. Nr. 74). Ticino Management, 2017, S. 5.
  21. 1. Casa Anatta: Eingang. in: mediaguide Monte Verità.
  22. Kulturgüterschutzinventar mit Objekten von nationaler Bedeutung, KGS-DS-Nr. 8634.
  23. Kulturgüterschutzinventar mit Objekten von nationaler Bedeutung, KGS-DS-Nr. 10262.

Koordinaten: 46° 9′ 28,5″ N, 8° 45′ 47″ O; CH1903: 702306 / 112689