Nachzehrer ist eine übliche Bezeichnung im deutschen Volksglauben für einen Wiedergänger oder Untoten, der den Vampiren nah verwandt ist und mit ihnen wesentliche Eigenschaften teilt.

Im Gegensatz zu einer lange verbreiteten Auffassung in der Volkskunde beschränkt sich das Verbreitungsgebiet des Nachzehrers keineswegs auf die teilweise slawisch geprägten Gebiete im Osten und Nordosten Deutschlands, sondern er war auch bis ins Rheinland verbreitet. In der Eifel wurden beim Auflassen alter Friedhöfe Skelette entdeckt, die mit dem Gesicht nach unten lagen – ein eindeutiges Zeichen für die Bestattung einer Leiche, die für gefährlich gehalten wurde.

Elemente des Volksglaubens

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Die Überlieferungen beschreiben den Nachzehrer wie folgt: Im Gegensatz zum Vampir, der sein Grab verlassen müsse, liege oder sitze der Nachzehrer unter der Erde und sauge den Lebenden – meistens seinen Hinterbliebenen oder den Bewohnern seines Dorfes – die Lebenskraft ab. Bei dieser Vorstellung ist zu berücksichtigen, dass auch die meisten traditionellen Berichte über Vampirattacken gar nicht vom Blutsaugen sprechen, sondern eher diffus vom „Würgen“ oder „Schwächen“ des Opfers. Der Nachzehrer vollbringe sein unheilvolles Werk, indem er durch den offenen Mund sein Opfer „ruft“ oder durch das offene „böse“ Auge eine telepathische Verbindung mit ihm aufnehme. Häufig kaue er an seinem Leichentuch oder seinen Armen herum, bis alles weggenagt sei. Solange er noch kaue, stürben die Menschen entweder an Auszehrung oder an einer Seuche. Wer durch das Wirken eines Nachzehrers starb, wurde allerdings nicht selber zum Untoten.

Um einen potentiellen Nachzehrer wirkungsvoll zu bannen, mussten vor der Beisetzung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Keinesfalls durften Augen oder Mund offen bleiben, weswegen man dem Toten die Augen schließen musste, ohne dabei in diese zu schauen, weil dann schon der telepathische Kontakt zwischen dem Nachzehrer und einem künftigen Opfer hergestellt worden wäre. Keinesfalls durfte der Mund des Toten mit dem Leichentuch oder einem anderen Stück Stoff in Berührung kommen. Oft wurden die Leichen gefesselt, teilweise auch nur symbolisch, etwa mit einem Rosenkranz um die Handgelenke. Oft wurden bannende Metallgegenstände (Scheren, Nägel, Messer) auf die Brust des Toten gelegt. Häufig schütteten die Hinterbliebenen auch getrocknete Hülsenfrüchte oder Kieselsteine in den Sarg. Der Untote musste, so lautete der Volksglaube, diese erst zählen, bevor er mit seinem unheilvollen Treiben beginnen konnte. Da er aber vom Teufel beseelt war, konnte er nie über zwei Erbsen oder Steine hinaus kommen, weil er die geheiligte Zahl „drei“ (Symbol der Dreifaltigkeit) nicht aussprechen durfte.

Wenn man dennoch eine vom Nachzehrer ausgehende Schädigung zu konstatieren meinte, konnte das Grab geöffnet werden. Dann erfolgten die aus dem südosteuropäischen Vampirglauben bekannten Maßnahmen wie Köpfen, Herzausschneiden und Pfählen.

Ursprung des Nachzehrerglaubens

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Möglicherweise ist die Vorstellung vom Nachzehrer aus einem primitiveren Vampirglauben entstanden. Selbst in Rumänien und Serbien, der Heimat des klassischen Vampirs, trifft man die Vorstellung vom Nachzehrer an, der im Grab sitze oder liege und den Lebenden die Lebenskraft absauge und gleichzeitig Epidemien verbreite. Daher findet sich in der Literatur häufig auch die Annahme, dass der Nachzehrerglaube erst am Ende des Mittelalters im Zusammenhang mit den Pestzügen entstanden sei. Mit derselben Berechtigung kann man aber auch annehmen, dass im 14. und 15. Jahrhundert – also im Zeitalter der Großen Pest – vermehrt über Graböffnungen und „Hinrichtungen“ von verdächtigen Leichen berichtet wurde, weil diesen nun nicht mehr nur eine generelle Fähigkeit zum Schädigen der Lebenden zugesprochen wurde, sondern man in ihnen ganz speziell die Verursacher der verheerenden Seuche sah.

Mit der Ausdehnung der österreichischen Militärgrenze im 18. Jahrhundert rückte der damals besonders auf dem Balkan von Slawonien bis zur Bukowina verbreitete Aberglaube an Nachzehrer und Wiedergänger in den Fokus der westeuropäischen Öffentlichkeit.[1]

Literatur

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  • Augustin Calmet: Gelehrte Verhandlung der Materie von den Erscheinungen der Geister, und der Vampire in Ungarn und Mähren. Bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Abraham und Irina Silberschmidt. Edition Roter Drache, Rudolstadt 2007, ISBN 978-3-939459-03-3.
  • Angelika Franz / Daniel Nösler: Geköpft und gepfählt. Archäologen auf der Jagd nach den Untoten. Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8062-3380-3.
  • Peter Kremer: Draculas Vettern. Auf der Suche nach den Spuren des Vampirglaubens in Deutschland. Selbstverlag, Düren 2006.
  • Nikolaus Kyll: Die Bestattung der Toten mit dem Gesicht nach unten. Zu einer Sonderform des Begräbnisses im Trierer Land. In: Trierer Zeitschrift für Kunst und Geschichte. Band 27, 1964, S. 168–183.
  • Karin Lambrecht: Wiedergänger und Vampire in Ostmitteleuropa: Posthume Verbrennung statt Hexenverfolgung. In: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde. Band 37, 1994, ISSN 0949-3409, S. 49–77.
  • Peter Neu: Der Nachzehrer. Ein Beitrag zu Totenbrauchtum und Totenkult in der Eifel im 17. Jahrhundert. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde. Band 30/31, 1985/1986, ISSN 0556-8218, S. 225–227.
  • Michael Ranft: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern. Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut-Sauger gezeigt, Auch alle von dieser Materie bißher zum Vorschein gekommene Schrifften recensiret werden. Teubner, Leipzig 1734 (Nachdruck. Ubooks, Diedorf 2006, ISBN 3-86608-015-8), Digitalisat der Originalausgabe.
  • Gabor Rychlak: Teuflische Totengräber. Pestzauber und Nachzehrerabwehr in sächsischen Hexenprozessen. In: Sächsische Heimatblätter 68, 2022, S. 102–112.
  • Thomas Schürmann: Der Nachzehrerglauben in Mitteleuropa (= Schriftenreihe der Kommission für Ostdeutsche Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V. Bd. 51). Elwert, Marburg 1990, ISBN 3-7708-0938-6.
  • Wolfgang Schwerdt: Vampire, Wiedergänger und Untote. Auf der Spur der lebenden Toten (= Kleine Kulturgeschichten). Vergangenheitsverlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-940621-39-9.
  • Donat Wehner, Katja Grüneberg-Wehner: Mit Stein im Mund Ein Fall von Nachzehrerabwehr in der St Catharinenkirche am Jellenbek, Kr Rendsburg-Eckernförde? In: S. 55
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Wiktionary: Nachzehrer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Jutta Nowosadtko: Der „Vampyrus Serviensis“ und sein Habitat: Impressionen von der österreichischen Militärgrenze. Hrsg.: Universität Potsdam. S. 152 ff. (uni-potsdam.de [PDF; abgerufen am 28. Juli 2023]).