Naviforme
Naviformes (ältere Bezeichnungen Navetiformes und Wohnnavetas, katalanisch navetes d’habitació) sind bronzezeitliche Wohngebäude mit hufeisenförmigem Grundriss, die auf den Inseln Mallorca und Menorca gefunden wurden. Radiokarbonanalysen datieren die meisten in die Zeit von 1420 bis 1110 v. Chr.[1] Nach den in Zyklopenbauweise errichteten Gebäuden ist der gleichnamige Abschnitt der balearischen Vorgeschichte (etwa 1600 bis 1050 v. Chr.) benannt.
Bauweise
BearbeitenNaviformes sind lang gestreckte Steinhäuser, die an einem Ende eine Apsis aufweisen. Der Eingang befindet sich auf der schmalen gegenüberliegenden Seite. Die Häuser sind doppelwandig, wobei die äußere Wand sorgsam aus großen, unregelmäßig geformten Steinen aufgeschichtet ist. Für die Innenwand wurden deutlich kleinere Steine verwendet. Der Raum zwischen den beiden Wänden ist mit Schutt verfüllt. Die gesamte Wandstärke beträgt oft zwei bis drei Meter. Die Häuser sind gewöhnlich zwischen 12 und 25 Meter lang und 5 bis 7 Meter breit. Die meisten ausgegrabenen Naviformes besitzen einen ungeteilten Innenraum und eine zentral gelegene rechteckige Feuerstelle. Ihre Dächer bestanden gewöhnlich aus einer Struktur aus Ästen, kleinen Steinen und Erde, selten aus Steinplatten, die von polylithischen (mehrsteinigen) Säulen getragen wurden. Naviformes konnten einzeln stehen oder auch gemeinsame Wände aufweisen. Sie bildeten oft kleine Siedlungen aus bis zu 20 Häusern.
Archäologische Befunde
BearbeitenDie ersten naviformen Wohnhäuser entstanden um 1600 v. Chr., als sich in den Gesellschaften Mallorcas und Menorcas gravierende Entwicklungen vollzogen. Das betrifft eine Weiterentwicklung der Töpferei, veränderte Bestattungsriten und die Errichtung megalithischer Bauwerke. Naviformsiedlungen entstanden in allen Lebensräumen, besonders aber im Flachland, wo der Ackerbau eine zunehmende Bedeutung erlangte. Grabungen förderten in den Häusern Feuerstellen und Steinbänke, Mahlsteine, Keramik, Knochen, Reste von Lebensmitteln und Rückstände metallurgischer Prozesse zu Tage. Während der Bereich am Eingang zum Arbeiten und Kochen diente, lag der Wohnbereich im hinteren Teil des Gebäudes (in der Apsis). Die zentrale Feuerstelle lag dazwischen.
Geschichte
BearbeitenIm 19. Jahrhundert hielt man alle auf den Balearen gefundenen Gebäude mit hufeisenförmigem Grundriss für Grabbauten und nannte sie Navetas, weil die besterhaltenen Exemplare wie die Naveta des Tudons auf den Kopf gestellten Schiffsrümpfen ähneln. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte sich heraus, dass mit diesem Begriff zwei unterschiedliche Gebäudetypen benannt wurden, sodass man für die Wohnhäuser unter ihnen eine neue Bezeichnung finden musste. Sie wurden kurze Zeit „bewohnte Navetas“, von den Wissenschaftler aber bald Navetiformes oder moderner Naviformes genannt.
Fundstätten
BearbeitenBedeutende Fundstätten von Naviformes sind auf Mallorca Can Roig Nou, Closos de Can Gaià, N’Amer, S’Hospitalet Vell und die Doppelanlage von Son Oms Vell, sowie auf Menorca Son Mercer de Baix, Cala Blanca und Es Coll de Cala Morell.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Vicente Lull, Rafael Micó, Cristina Rihuete Herrada, Roberto Risch: The Bronze Age in the Balearic Islands. In: Harry Fokkens, Anthony Harding (Hrsg.): The Oxford Handbook of the European Bronze Age. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-957286-1, S. 617–638 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Antoni Nicolau Martí, Elena Sintes Olives, Ricard Pla Boada, Albert Àlvarez Marsal: Talayotic Minorca. The prehistory of the island. Triangle Books, Sant Lluís 2015, ISBN 978-84-8478-640-5 (englisch).
- Mark Van Strydonck: Von Myotragus zu Metellus. Eine Reise in die Ur- und Frühgeschichte von Mallorca und Menorca. LIBRUM, Hochwald 2014, ISBN 978-3-9524038-8-4, S. 136 (niederländisch: Monumentaal en mysterieus – Reis door de prehistorie van Mallorca en Menorca. Leuwen 2002. Übersetzt von Jürgen K. Schmitt).
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Rafael Micó: Radiocarbon Dating and Balearic Prehistory: Reviewing the Periodization of the Prehistoric Sequence. In: RADIOCARBON 48 (Nr. 3), 2006, S. 421–434