Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 1992

52. Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker am 1. Jänner 1992 im Wiener Musikverein

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 1992 war das 52. Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und fand am 1. Jänner 1992 im Wiener Musikverein statt. Dirigiert wurde es zum zweiten und letzten Male von Carlos Kleiber – an Stelle des verstorbenen Leonard Bernstein.

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 1992 sollte eigentlich von Leonard Bernstein dirigiert werden, Ehrenmitglied des Orchesters, doch verstarb dieser im Oktober 1990 in New York. Daraufhin traten die Philharmoniker an Carlos Kleiber heran – mit der Bitte, diese Aufgabe zu übernehmen, auch in Erinnerung an das qualitativ überragende und von Presse und Publikum gefeierten Neujahrskonzert des Jahres 1989, welches der Ausnahmekünstler dirigiert hatte. Kleiber sagte zu.[1]

Carlos Kleiber leitete das Neujahrskonzert nur zweimal, 1989 und 1992. Beide Konzerte gelten in der Musikgeschichte als absolute Höhepunkte der Interpretation von Werken der Strauss-Dynastie. Das Verhältnis der Wiener Philharmoniker mit dem Dirigenten war jedoch nicht immer friktionsfrei. 1982 kam es zu einem Eklat: „Einen Tag vor einem Konzert im Musikverein stürmte Carlos Kleiber wütend aus der Probe. Die Musiker hätten auf ihn nicht gehört, meinte er später. Alles, was die Philharmoniker von Kleiber noch bekamen, war eine Karte, auf der stand: ‚Bin ins Blaue gefahren‘. Einspringer Lorin Maazel wurde mit dem Privatjet eingeflogen. Die Versöhnung erfolgte erst nach Jahren.“[2]
Nach dem Zerwürfnis kam es über den Umweg der Wiener Staatsoper zu einer erneuten Annäherung. Operndirektor Egon Seefehlner hatte Carlos Kleiber 1985 für drei Vorstellungen der Bohème gewinnen können. Dort brach das Eis und schließlich lud das Orchester den Dirigenten ein, das Neujahrskonzert 1989 zu übernehmen, gleiches dann 1992.

Diese beiden Konzerte nehmen in der an Höhepunkten reichen Geschichte dieser Institution einen besonderen Rang ein, galt und gilt der Maestro doch als der Johann-Strauss-Experte per excellence. Peter Overbeck beschrieb den Grund für die hohe Akzeptanz des „Ausnahmedirigenten“ (anlässlich einer Rezension einer Probenaufnahme der Fledermaus-Ouvertüre im Jahr 2003) wie folgt: „die seltene Kombination von Eleganz, Leichtigkeit und Eindeutigkeit des Dirigats, gepaart mit höchster Musikalität“.[3][4]

Das Programm des Konzertes war erneut stark auf den jüngeren Johann Strauss ausgerichtet. Neun der 15 vorgestellten Werke stammten aus seiner Feder, dazu zwei Polkas und zwei Walzer seines jüngeren Bruders Josef Strauss und der obligate Abschluss mit dem Radetzky-Marsch von Johann Strauss (Vater). Den Auftakt bildete die Ouvertüre zu den Lustigen Weibern von Windsor von Otto Nicolai, eine Reverenz an die Wiener Philharmoniker, hatte Nicolai doch das Orchester gegründet. Zu den Höhepunkten des Konzerts zählten – neben der Zigeunerbaron-Ouvertüre – die drei großen Walzer Dorfschwalben aus Österreich, Tausend und eine Nacht nach Motiven der Operette Indigo und Sphärenklänge der Brüder Strauss sowie die legendäre Tritsch-Tratsch-Polka, die 1858 im Gasthaus Zum Großen Zeisig am Spittelberg uraufgeführt wurde. „So schön, so wunderbar weich, hauchzart-fein nuanciert bis aufs i-Tüpfelchen und hochgespannt-nervig kann man die Musik der Firma Strauß Vater & Söhne nur ganz ganz selten hören. Und selbst beim traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist dies ja keineswegs die Norm.“[5]

Publikum und Presse jubelten, noch 2014, zum 75-Jahr-Jubiläum des Neujahrskonzerts, erinnerte man sich, dass „die beiden Kleiber-Konzerte zu den besten, energiegeladensten dieser 75 Jahre“ zählten.[6] Als die Philharmoniker ihn für ein drittes Neujahrskonzert gewinnen wollten, soll er dem Orchestervorstand Werner Resel mitgeteilt haben, zwei seien genug, er könne nicht zwei Stunden lang lächeln.[7]

Der Blumenschmuck war – wie alljährlich seit 1980 – ein Geschenk der italienischen Stadt Sanremo.[8]

Stil und Körpersprache

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„Was Krauss' Strauß-Interpretationen hervorhebt, ist ein singuläres Gefühl für das bei dieser Musik so essentielle Rubato, das in den späteren Jahrzehnten abgesehen von Carlos Kleiber und Herbert von Karajan kaum ein Nachfolger erreichte, doch letzterer stand nur einmal (1987), Kleiber zweimal am Neujahrspult (1989, 1992).“[9]

Die Körpersprache des Dirigenten, der fallweise tänzelte, fallweise gar aufhörte zu dirigieren, beispielsweise bei der Jokey-Polka, korrespondiere, so Musikkritiker, perfekt mit der Leichtigkeit und Fröhlichkeit der Melodien der Strauss-Dynastie. Wiewohl dieses Genre höchste Konzentration in jedem Takt verlange, gelänge es Kleiber mimisch und gestisch ein Gefühl der absoluten Entspanntheit zu erzielen und zugleich das Orchester präzise und minutiös durch das Programm zu führen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete wiederum von einem Rundfunkinterview mit Kleiber aus dem Jahr 1960, in dem der Maestro sagte, die Operette sei „ungefähr das Schwerste, was es gibt.“[10] Sein Vater Erich. so Carlos Kleiber, habe ihn gelehrt, „Operette sei gerade das, wo man am meisten Dirigieren lernt“. Er stünde nun vor einem der weltweit besten Klangkörper und kontrollierte den Ablauf fallweise mit einem Minimum an Einsätzen, fallweise mit großer Geste. Als „unerreichbare Sternstunden“ bezeichnete der frühere Staatsopern-Direktor Ioan Holender die Dirigate Kleibers, den er als größten Dirigenten, als „größte[n] Musiker überhaupt“ ansah.[11][12]

Programm

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Offizielle Werkliste und Reihenfolge aus dem Musikverein-Archiv. Zeitangaben entstammen der Erstveröffentlichungs-CD, keine Zeitangabe bedeutet, dass dieses Musikstück nicht auf dieser CD veröffentlicht wurde.
* Die Polka Tritsch-Tratsch ist keine Polka schnell (Schnellpolka) im eigentlichen Sinn, diese Bezeichnung wird von Johann Strauss (Sohn) erst ab op. 281 (Vergnügungszug (Polka schnell)) gebraucht.

Fernsehübertragung

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Brian Large zeichnete für die Bildregie der 34. ORF-Übertragung verantwortlich. Das Konzert wurde in zahlreiche Länder übertragen.

Aufnahmen

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Ein Live-Mitschnitt des Konzertes wurde auf zwei Compact-discs veröffentlicht, die noch im Jahr 1992 erschien.[13]

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Einzelnachweise

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  1. Carlos Kleiber, Leben und Karriere, abgerufen am 20. Dezember 2016. Der hier verwendete Begriff Einspringen erscheint nicht korrekt, da zwischen dem Tod Bernsteins und dem Konzert mehr als 14 Monate lagen. Der Dirigent des kommenden Neujahrskonzertes wird traditionell erst im Jänner, nach dem Konzert, bekannt gegeben.
  2. Rainer Elstner: Carlos Kleiber (Dirigent) musiziert: Verweigerer mit Wundertaten, 9. August 2013, abgerufen am 19. Dezember 2016
  3. Peter Overbeck: Carl Maria von Weber, Johann Strauß Carlos Kleiber bei der Probe & in Concert; Freischütz-Ouvertüre/Fledermaus-Ouvertüre, Rondo, 24. Mai 2003, abgerufen am 27. November 2016.
  4. Über die Münchner Fledermaus-Einspielung mit Kleiber am Pult und mit Popp, Varady, Kollo, Prey, Rebroff und Weikl schreiben Matthew Boyden und Nick Kimberley in The Rough Guide to Opera, Rough Guides 2002, S. 286, abgerufen am 27. November 2016 unter [1]: „Carlos Kleiber erfindet nahezu jede Partitur, der er sich zuwendet, quasi neu, und diese [Die Fledermaus] stellt keine Ausnahme dar.“
  5. Bocks Music Shop: SCL BSIN03743378 (2 CD-Set) Wiener Philharmoniker / Kleiber, Carlos - Neujahrskonzert 1989 (2 CD-Set), darin die vollständige Liste aller Musikstücke der CD-Veröffentlichung und ein Auszug einer Kritik aus Stereoplay, abgerufen am 27. November 2016.
  6. Rainer Elster: Carlos Kleiber (Dirigent) musiziert, Ö1 bis zwei, 9. August 2013, 13:00 bis 13:55 Uhr, abgerufen am 27. November 2016.
  7. Alexander Werner: Carlos Kleiber: Eine Biografie, Schott Music 2013, hier zit. nach [2], abgerufen am 27. November 2016.
  8. Blumenschmuck beim Neujahrskonzert seit 25 Jahren aus San Remo (Memento des Originals vom 11. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at. Rathauskorrespondenz vom 21. Oktober 2005, abgerufen am 27. November 2016.
  9. Die Presse (Wien): Das Neujahrskonzert: Eine Goldgrube wird 75, 31. Dezember 2014, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  10. Eleonore Büning: AUCH DAS NOCH, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Januar 2012, Seite Z5, hier zit. nach Musikverlag Josef Weinberger: Großer fand Leichtes schwer, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  11. Die Presse (Wien): Musikverein: Nur das Beste für Carlos Kleiber, 20. Juni 2010, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  12. Carlos Kleiber - I Am Lost To The World, TV-Dokumentation über Leben und Werk des Dirigentens, 2010, abgerufen auf YouTube am 18. Dezember 2016.
  13. amazon.at - Wiener Philharmoniker - Neujahrskonzert 1992. Abgerufen am 20. Dezember 2016.