Pontokaspis
Pontokaspis beschreibt eine Region auf dem eurasischen Kontinent mit Zentrum im Westteil der Eurasischen Steppe. Die Region ist benannt nach Pontos bzw. Pontus, dem antiken Namen des Schwarzen Meeres (Pontos Euxeinos) und dem Kaspischen Meer, ihr Steppenanteil wurde früher auch als Wildes Feld bezeichnet.
Biogeographische Region
BearbeitenFlora und Vegetation
BearbeitenIn der Phytogeographie und Vegetationskunde wird gewöhnlich keine pontokaspische Region anerkannt. Die pontisch oder pontisch-pannonisch genannte Florenprovinz nördlich des Schwarzen Meeres[1] und die trockenere irano-turanische Region Zentralasiens sind durch den Gebirgsgürtel des Kaukasus voneinander getrennt, sie weisen zwar zahlreiche gemeinsame Arten auf, aber nur wenige, die exklusiv diesen gemeinsam wären. Es gibt in der Flora nur sehr wenige kaspische Endemiten,[2] so dass eine kaspische Region hier nicht unterschieden wird. Die Süd- und Westküste des Kaspisees bildet die hyrkanische Region, die floristisch enge Beziehungen zur kolchisch genannten Flora des Kaukasus und Transkaukasiens sowie der östlichen türkischen Schwarzmeerküste besitzt. Hier gibt es zur Steppenregion im Norden nur sehr wenige gemeinsame Arten.
Fauna
BearbeitenTerrestrische Fauna
BearbeitenBei der landlebenden (terrestrischen) Fauna ist die Abgrenzung und Identität einer pontokaspischen Region weniger eindeutig. Als pontokaspisch werden hier vor allem Arten mit Herkunft aus oder Verbreitungszentrum im westlichen Teil des eurasischen Steppengürtels bezeichnet.
Limnologie
BearbeitenIn der Limnologie ist die pontokaspische biogeographische Region eine der faunistischen Regionen, in die der Europäische Kontinent nach der Zusammensetzung der Limnofauna gegliedert wird. Die Region umfasst auch Bereiche des angrenzenden West- und Zentralasien. Dazu gehören das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer, das Kaspische Meer, der Aralsee und die einmündenden Flüsse und Ströme, insbesondere die Donau, der Don, Dnepr, Dnister und die Wolga. Nicht dazu gehören zum Beispiel der Südbalkan südlich der Donauniederung, die anatolische Südküste des Schwarzen Meeres, der Kaukasus und die nordrussischen und baltischen Ostsee-Zuflüsse.
Die Pontokaspis ist hervorgegangen aus der Paratethys, einem ehemaligen Randmeer des Südozeans Tethys. Dieses wurde im Sarmatium vor ungefähr 12 Millionen Jahren vom Weltmeer getrennt, an seiner Stelle bildet sich ein ausgedehnter, alkalischer Binnensee, der Sarmatische See. Die Region weist eine komplizierte Geschichte[3][4] mit Vergrößerungen (Transgressionen) und Verkleinerungen (Regressionen) der Wasserflächen auf, bei denen die heutigen getrennten Gewässer wiederholt in Kontakt zueinander gerieten, wodurch Faunenaustausch möglich blieb. Sie waren häufig von einem markanten Wechsel des Salzgehalts (der Salinität) begleitet. Dementsprechend sind charakteristisch vor allem Arten, die mit wechselnder Salinität gut zurechtkommen (euryhaline Arten).
Besonders reich ist die pontokaspische Fauna an Krebstieren.[5][6] Hier werden 450 pontokaspische Arten gezählt, von denen allein 209 Endemiten des Kaspisees sind. Die Fischfauna der Region[7] ist nicht nur die artenreichste Europas, sondern weist auch die meisten Endemiten auf. Dazu gehören viele Karpfenfische und die Grundeln der Unterfamilie Benthophilinae.[8]
Ausgehende Neozoen
BearbeitenZahlreiche Arten der Pontokaspis sind heute durch den Menschen in andere Regionen verschleppt worden, vor allem durch die Verbindung vorher getrennter Einzugsgebiete durch den Bau von Schifffahrtskanälen und die Verschleppung im Ballastwasser von Schiffen. Durch Ballastwasser wurden etliche Arten sogar über die Ozeane hinweg transportiert, wodurch sich einige pontokaspische Arten etwa in den amerikanischen Großen Seen zu gefürchteten, invasiven Neozoen entwickelt haben. Auch in europäischen Gewässern gehören die individuenreichsten Neozoen mit dem gravierendsten ökologischen Einfluss zu den pontokaspischen Arten, unter zahlreichen anderen etwa die Zebramuschel, der Große Höckerflohkrebs, der Süßwasser-Röhrenkrebs.[9] Die Einwanderer sind lokal so zahlreich, dass sie den Großteil der Individuen und einen relevanten Anteil der Arten in vielen großen Flüssen ausmachen, so dass langfristig möglicherweise deren gesamte einheimische Fauna bedroht sein könnte.[10]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ vgl. Flora in: Internet Encyclopedia of Ukraine.
- ↑ Liliya A. Dimeyeva: Phytogeography of the northeastern coast of the Caspian Sea: native flora and recent colonizations. In: Journal of Arid Land, Band 5, Nr. 4, 2013, S. 439–451, doi:10.1007/s40333-013-0175-x.
- ↑ H. J. Dumont: The Caspian Lake: History, biota, structure and function. In: Limnology and Oceanography 43, Nr. 1, 1998, S. 44–52.
- ↑ Vladimir Mamaev: The Caspian Sea - enclosed and with many endemic species. Europe's biodiversity - biogeographical regions and seas. European Environment Agency, 1992.
- ↑ Melania E. A. Cristescu, Paul D. N. Hebert, Teodora M. Onciu: Phylogeography of Ponto-Caspian crustaceans: a benthic - planktonic comparison. In: Molecular Ecology 12, 2003, S. 985–996.
- ↑ Melania E. A. Cristescu, Paul D. N. Hebert: The “Crustacean Seas” — an evolutionary perspective on the Ponto–Caspian peracarids. In: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 62, 2004, S. 505–517, doi:10.1139/F04-210.
- ↑ Yorick Reyjol, Bernard Hugueny, Didier Pont, Pier Giorgio Bianco, Ulrika Beier, Nuño Caiola, Frederic Casals, Ian Cowx, Alcibiades Economou, Teresa Ferreira, Gertrud Haidvogl, Richard Noble, Adolfo de Sostoa, Thibault Vigneron, Tomas Virbickas: Patterns in species richness and endemism of European freshwater fish. In: Global Ecology and Biogeography 16, 2007, S. 65–75.
- ↑ Matthew E. Neilson, Carol A. Stepien (2009): Escape from the Ponto-Caspian: Evolution and biogeography of an endemic goby species flock (Benthophilinae: Gobiidae: Teleostei). In: Molecular Phylogenetics and Evolution 52, 2008, S. 84–102, doi:10.1016/j.ympev.2008.12.023.
- ↑ Stefan Nehring: Gebietsfremde Arten in den deutschen Gewässern - ein Risiko für die Biodiversität (PDF; 718 kB) Schriftenreihe des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz „Angewandte Wissenschaft“, Heft 498.
- ↑ B. Gallardo, D. C. Aldridge: Is Great Britain heading for a Ponto–Caspian invasional meltdown? In: Journal of Applied Ecology 2014, doi:10.1111/1365-2664.12348.