Eine Produkt-σ-Algebra, auch Kolmogorowsche σ-Algebra[1] genannt, ist ein Begriff aus der Maßtheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Produkt-σ-Algebren erlauben die Definition von Produktmaßen, die den intuitiven Volumenbegriff auf höherdimensionale Räume verallgemeinern.

Definition

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Gegeben sei eine Grundmenge, die das kartesische Produkt   für eine nichtleere Indexmenge   sei. Jede der Mengen   sei zudem mit einer σ-Algebra   versehen. Die Produkt-σ-Algebra von   (oder auch Kolmogorowsche σ-Algebra) ist dann definiert als

 ,

wobei   die Projektion auf die  -te Komponente bezeichnet. Das Paar

 

bildet einen Messraum, der auch als messbares Produkt der Familie   bezeichnet wird.

Erläuterungen

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Man nennt

 

auch Pullback-σ-Algebra.

Notationskonventionen

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Ist  , so schreibt man häufig auch   statt  .

Ist   für alle  , so verwendet man teilweise auch die Notation   für die entsprechende Produkt-σ-Algebra.

In der Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie wird die Produkt-σ-Algebra   von einigen Autoren mit   bezeichnet.[2][3][4]

Alternative Definitionen

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Mittels messbarer Funktionen

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Die Produkt-σ-Algebra lässt sich auch als die kleinste σ-Algebra definieren, bezüglich derer die Projektionen auf die einzelnen Komponenten messbar sind. Da Messbarkeit nur auf einem Erzeuger   der σ-Algebren   überprüft werden muss, ergibt sich damit

 .

Damit ist die Produkt-σ-Algebra der   die Initial-σ-Algebra   der  :

 .

Als Produkt von Familien

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Fasst man zwei σ-Algebren   als Mengenalgebren auf und bildet das Produkt dieser Algebren  , so ist   wieder eine Algebra und ein Erzeuger der Produkt-σ-Algebra:

 .

Man beachte, dass das Produkt zweier σ-Algebren   und   im Allgemeinen keine σ-Algebra ist. Jedoch ist   ein Halbring und insbesondere  -stabil.

Für eine abzählbare (endliche oder abzählbar unendliche) Indexmenge   gilt

 

wobei

 

aus kartesischen Produkten der Familie   gebildet ist. Das gewöhnliche kartesische Produkt   der Mengensysteme enthält als Elemente Mengenfamilien   mit   für alle  , während das Produkt   als Elemente kartesische Produkte   mit   für alle   enthält.

Zylindermengen

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Alternativ kann man für beliebige Indexmengen die Produkt-σ-Algebra auch als die von den Zylindermengen erzeugte σ-Algebra definieren. Dabei sind die Zylindermengen die Urbilder der Elemente einer σ-Algebra unter der kanonischen Projektion.

Beispiele

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  • Seien   und   zwei Messräume. Dann ist die dazugehörige Produkt-σ-Algebra:
 
  • Die Borelsche σ-Algebra auf   ist gleich der Produkt-σ-Algebra auf  , es gilt folglich:
 
Sie ist die kleinste σ-Algebra, die alle Mengen der Art   enthält.
  • Warnung: Sei   eine abzählbare Familie topologischer Räume, die das zweite Abzählbarkeitsaxiom nicht erfüllen, und   deren topologisches Produkt, dann gilt
 
Erfüllen sie jedoch das zweite Abzählbarkeitsaxiom, dann gilt
 

Anwendungen

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Produkt-σ-Algebren sind die Grundlage für die Theorie der Produktmaße, die wiederum die Grundlage für den allgemeinen Satz von Fubini bilden.

Für die Stochastik sind Produkt-σ-Algebren von fundamentaler Bedeutung, um Aussagen über die Existenz von Produkt-Wahrscheinlichkeitsmaßen und Produkt-Wahrscheinlichkeitsräumen zu machen. Diese sind zum einen wichtig, um mehrstufige Zufallsexperimente zu beschreiben, und zum anderen grundlegend für die Theorie stochastischer Prozesse.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S. 39, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
  2. Patrick Billingsley: Probability and Measure. 3. Auflage. Wiley, New York 1995, ISBN 0-471-00710-2, S. 231.
  3. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 25, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
  4. P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Produktmaß. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, S. 310.