Reform des Osterdatums

Umgestaltung im christlichen Kirchenjahr

Eine Reform des Osterdatums hat es in der Geschichte regional mehrmals gegeben und sie wird weiterhin angestrebt, da die derzeitige Bestimmung des Osterdatums zwei grundlegende Probleme aufweist:

  • Das Kalenderdatum ändert sich jedes Jahr. Es kann auf jeden der 35 Tage vom 22. März bis zum 25. April fallen. Zudem hängen viele andere kirchliche Feiertage vom Aschermittwoch über Christi Himmelfahrt und Pfingsten bis Fronleichnam – also von Mitte Februar bis Mitte Juni – vom Datum des Ostersonntags ab. Dies führt an manchen Stellen zu erheblichem Aufwand in der Koordination mit dem bürgerlichen Kalender, zum Beispiel hinsichtlich der Schulferien.
  • Viele Ostkirchen berechnen das Osterdatum weiterhin traditionell auf Basis des julianischen Kalenders, während andere eine moderne Variante verwenden, die noch für einige Jahrhunderte dem gregorianischen Kalender der Westkirchen entspricht, den auch praktisch alle Staaten primär verwenden und der der entsprechenden internationalen Norm ISO 8601 zugrunde liegt. Dadurch wird in den meisten Jahren Ostern in den orthodoxen Kirchen Osteuropas und Westasiens später gefeiert als im Rest der christlichen Welt.

Es gab seit dem Altertum verschiedene Kontroversen bezüglich des „korrekten“ Osterdatums, die letztlich sogar zu Kirchenspaltungen (Schismen), Exkommunikationen und sogar Exekutionen wegen Häresie geführt haben, aber die meisten christlichen Gemeinden und Kirchen sind sich einig, dass Ostern gefeiert wird:

Es herrscht weniger Übereinstimmung bezüglich der Wichtigkeit der Koordinierung zum Beispiel mit

Die Unstimmigkeiten resultieren vor allem daraus, dass sowohl der orthodox-julianische als auch der genauere bürgerlich-gregorianische Kalender mit seinem Computus die tatsächlichen astronomischen Gegebenheiten nur annähern können, da sie vollständig algorithmischer Natur und damit anders als manche traditionelle Kalender unabhängig von lokalen Beobachtungen der Mondphasen und Jahreszeiten sind. Außerdem gibt es verschiedene Konventionen zum Beginn des Tages, d. h. statt Mitternacht bspw. den Sonnenunter- oder -aufgang vor Ort oder in Jerusalem, und es gibt verschiedene Festlegungen dazu, ob astronomischer Frühlingsanfang, Vollmond und Ostersonntag auf denselben Sonnen- oder Kalendertag fallen dürfen, solange die exakt beobachteten bzw. theoretisch errechneten Zeitpunkte in dieser Reihenfolge stattfinden. Die genauen Beschlüsse des Ersten Konzils von Nicäa dazu sind entweder nicht erhalten oder wurden gar nicht getroffen.

Entwicklung seit dem Ersten Konzil von Nicäa

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Gemäß der Überlieferung wurde im Jahre 325 n. Chr. beschlossen bzw. empfohlen:[1]

  • Ostern muss bei allen Kirchen an demselben Tag gefeiert werden.
  • Ostern ist nach Frühlingsanfang zu feiern.
  • Ostern ist an einem Sonntag nach dem jüdischen Passa-Fest zu feiern.
  • Der Bischof von Alexandria soll jährlich das Osterdatum berechnen und es frühzeitig dem Papst in Rom melden.[2]

Die Pepuziten, eine christliche Sekte im 5. Jahrhundert, feierte Ostern am Sonntag nach dem 6. April im damals allgemein üblichen julianischen Kalender.[3] Dies ist der Sonntag, der dem 9. April am nächsten kommt. Dieses Datum wurde offenbar gewählt, weil es dem 14. Tag des Monats Artemisios in einem lokal gebräuchlichen Kalender entsprach, also dem 14. Tag des ersten Frühlingsmonats.[4]

Die beabsichtigte Einheitlichkeit erreichte das Konzil von Nicäa erst Jahrhunderte später. Um 530 erstellte Dionysius Exiguus seine Ostertafeln, die auf den alexandrinischen Rechenregeln beruhen und die später von Beda Venerabilis (672–735) als allgemeinverbindlich durchgesetzt wurden. Ab der Mitte des 8. Jahrhunderts war somit die Forderung des Konzils erfüllt, dass alle Christen Ostern zu gleicher Zeit feiern sollen.[5] Dies änderte sich mit der Kalenderreform im 16. Jahrhundert durch Papst Gregor XIII., die den julianischen Kalender ablöste, aber nicht von allen Kirchen anerkannt wurde.

Das Zweite Ökumenische Konzil des Vatikan beschloss 1963, einen festen Sonntag im gregorianischen Kalender als Osterdatum zu akzeptieren, sofern die anderen christlichen Kirchen ebenfalls dazu bereit seien. Ebenso wurde beschlossen, dass eine weitergehende Kalenderreform keine Tage außerhalb des 7-Tage-Wochenzyklus enthalten dürfe – eine Bedingung, die zum Beispiel der Entwurf für einen Weltkalender verletzte.[6]

Änderungsvorschläge

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Viele Vorschläge bedeuten eine Entkoppelung vom Mondkalender.

Bereits im frühen 20. Jahrhundert kam der Vorschlag auf, den Ostersonntag stets auf den ersten Sonntag nach dem 4. April zu legen. Dies scheiterte am Widerstand von orthodoxer und katholischer Kirche.[7]

Im Jahr 1977 lehnten einige orthodoxe Vertreter es ab, das Osterdatum von den Mondphasen zu entkoppeln.[8]

Die beiden erfolgversprechendsten Vorschläge für ein festes Osterdatum legen das Fest auf den zweiten Sonntag im April (8. bis 14., KW 14 oder 15) oder den Sonntag nach dem zweiten Samstag im April (9. bis 15.). Sie unterscheiden sich lediglich dann, wenn der 1. April auf einen Sonntag fällt (Sonntagsbuchstaben G und AG). In jedem Fall liegt nach beiden Regeln Ostern im zweiten Quartal des Jahres und zwar unabhängig davon, ob ein Vierteljahr als 3 Monate oder als 13 Wochen (also 91 Tage) spezifiziert ist. Diese beiden Vorschläge sind unter anderem daraus motiviert, dass für den historischen Karfreitag, also dem Tag der Kreuzigung Jesu, entweder der 7. April 30 oder der 3. April 33 angenommen wird, weswegen der Tag der Wiederauferstehung auf den 9. bzw. 5. April gefallen wäre.[9][10]

Der Sonntag der Kalenderwoche n ist ebenfalls der n-te Sonntag des Jahres, außer in Jahren mit dem Sonntagsbuchstaben A/AG, B/BA und C/CB, in denen es der n+1-te Sonntag ist. Damit legen die beiden wichtigsten Vorschläge Ostern in der Regel auf den 15. Sonntag des Jahres, aber beide haben genau eine Ausnahme: In Normaljahren, die an einem Montag beginnen (G), ist der 8. April zwar der zweite Sonntag des Monats aber erst der 14. Sonntag des Jahres, und in Schaltjahren, die an einem Sonntag beginnen (AG), ist der 15. April zwar der Sonntag nach dem zweiten Aprilsamstag, aber schon der 16. Sonntag des Jahres. Letzteres kommt natürlich seltener vor als ersteres, was offenbar überhaupt die Motivation für diese Regel gewesen ist.

Der Sonntag nach dem ersten Mittwoch im April ist stets in Kalenderwoche 14, nur in Schaltjahren, die an einem Donnerstag beginnen (DC), ist er in KW 15. Für den sogenannten Symmetry454-Kalender wird aufgrund der Häufigkeitsverteilung des astronomisch korrekten Datums ein festes Osterdatum in Woche 14 vorgeschlagen. Dies stimmt oft mit den oben genannten Regeln überein, wäre aber eine Woche früher in Jahren mit Sonntagsbuchstaben DC, D/ED, E/FE und F/GF. Da dieser Wochenkalender über eine eigene Schaltregel mit einem Zyklus von 293 statt 400 Jahren verfügt, entspricht seine Wochennummer allerdings nicht immer dem internationalen Standard.

Wochen für derzeit mögliche Osterdaten; vorgeschlagene und besondere Termine hervorgehoben
So. Sonntagsbuchstabe KW Monat
AG A BA B CB C DC D ED E FE F GF G
12. 22. 23. 24. 25. W12 März
13. 25. 26. 27. 28.
28. 29. 30. 31. 01. W13
14. 01. 02. 03. 04. April
04. 05. 06. 07. 08. W14
15. 08. 09. 10. 11.
11. 12. 13. 14. 15. W15
16. 15. 16. 17. 18.
18. 19. 20. 21. 22. W16
17. 22. 23. 24. 25.
25. W17

Vorschlag 1923

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Als auf dem panorthodoxen Kongress 1923 der neujulianische Kalender vorgeschlagen wurde, ging dies einher mit einer rein astronomischen Regel: Ostern sollte am ersten Sonntag nach dem Kalendertag (der um Mitternacht beginnt) gefeiert werden, an dem in Jerusalem (35° 13′ 47.2″ O oder UT +02:20:55) der erste Vollmond nach dem vernalen Äquinoktium beobachtet werden kann.[11] Vollmond und Tagundnachtgleiche können dabei auf denselben Kalendertag fallen.

Alle orthodoxen Kirchen lehnten diese Regel ab, während es für die katholischen und protestantischen Kirchen keinen triftigen Anlass gab, eine Änderung überhaupt zu erwägen.

Vorschlag 1997

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Der ökumenische Weltkirchenrat (WCC) schlug 1997 nach einem Gipfeltreffen im syrischen Aleppo eine Reform der Osterberechnung vor:[12] Ostern würde am ersten Sonntag nach dem astronomischen Vollmond nach dem astronomischen Frühlingsbeginn auf dem Meridian von Jerusalem gefeiert werden.[13] Die Reform hätte ab 2001 implementiert werden sollen, da die östliche und die westliche Definition in diesem Jahr erstmals wieder übereinstimmten.

Die Reform ist gescheitert. Für die orthodoxen Kirchen hätte sie sich ab 2002 fast jedes Jahr in einem geänderten Osterdatum ausgewirkt, während der gregorianische Computus der Westkirchen seither nur 2019 von der astronomisch genaueren Definition abwich.[14] Jede Reform mit dem Ziel erhöhter astronomischer Korrektheit hat zwingend stärkere Auswirkungen im julianischen Kalenders als im gregorianischen Kalender. Trotzdem führte diese gefühlte Benachteiligung zu breiter Skepsis und Ablehnung unter orthodoxen Kirchenvertretern.

Vorschläge 2008 und 2009

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Katholische, protestantische und orthodoxe Vertreter bemühten sich 2008 und 2009 erneut intensiver und öffentlich um einen Konsens für ein einheitliches Osterdatum.[15][16] Die Bestrebung sind dabei als Fortsetzung der Ergebnisse der Konferenz in Aleppo zu sehen[8][17] und sie wurden von ökumenischen Akademikern der Lemberger Universität organisiert.[18]

Ein Grund für die fortgesetzten Bestrebungen war die ökumenische Zusammenarbeit der lokalen orthodoxen Kirchen mit der griechisch-katholischen Kirche in Syrien und dem Libanon.[19][20]

Vorschläge 2014 bis 2016

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Im Mai 2015, am Jahrestag des Treffens des katholischen Papst Franziskus und des koptischen Papst Tawadros II, bat letzterer ersteren darum, die Bemühungen für ein gemeinsames Osterdatum wieder aufzunehmen.[21]

Franziskus antwortete am 12. Juni 2015 zu einem offiziellen Anlass in Rom, dass die Christenheit zu einer Einigung kommen müsse. Der Historiker Lucetta Scaraffia schrieb im vatikanischen L’Osservatore Romano dass das Angebot des katholischen Papstes als Geschenk für die Einheit der christlichen Kirchen verstanden werden müsse und der Anfang für stärkere Zusammenarbeit sein könne.

Eine Woche später traf sich Franziskus mit Ignatius Ephräm II. Karim, dem Patriarchen von Antiochien und damit Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche. Dieser betonte, dass die verschiedenen Osterdaten die Ökumene sowohl intern als auch extern schwächen würde.[22] Im Januar 2016 verkündete Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury und damit geistliches Oberhaupt der anglikanischen Kirche, dass er mit katholischen, koptischen und orthodoxen Vertretern über ein gemeinsames und festes Osterdatum verhandele und auf ein positives Ergebnis vor 2025 hoffe.[23] Er nannte dabei den zweiten oder dritten Aprilsonntag im gregorianischen Kalender als mögliche Daten.[24]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Nikolaus Bär: Das Datum des Osterfestes, Abschnitt: Das Konzil von Nicäa (online).
  2. Joseph Bach: Die Osterfest-Berechnung in alter und neuer Zeit, Strassburg 1907, Seite 14 (online).
  3. Sozomenos: Ecclesiastical History. A History of the Church in Nine Books, from A. D. 324 to A. D. 440. A New Translation from the Greek, with a Memoir of the Author (= Greek ecclesiastical historians of the first six centuries of the Christian era. Band 4). Samuel Bagster and Sons, London 1846, XVIII. Another heresy originated by the Novatians. Degression concerning the festival of easter, S. 353 (englisch, Scan in der Google-Buchsuche – Some modes of observing easter).
  4. Thomas J. Talley: Afterthoughts on The Origins of the Liturgical Year. In: Sean Gallagher u. a. (Hrsg.): Western Plainchant in the First Millennium. Studies in the Medieval Liturgy and Its Music. Band 1. Ashgate, Aldershot 2003, ISBN 0-7546-0389-X, S. 1–10 (englisch, Scan in der Google-Buchsuche).
  5. Nikolaus A. Bär: Das Datum des Osterfestes. Website des Autors
  6. Paul VI.: Konstitution über die heilige Liturgie. SACROSANCTUM CONCILIUM. 4. Dezember 1963, abgerufen am 29. Februar 2020 (im Anhang: Erklärung des II. Vatikanischen Konzils zur Kalenderreform).
  7. Christopher Beschnitt: Komm Zeit, kommt Rat. In Glaube und Heimat vom 27. Oktober 2024, S. 1
  8. a b Ukrainian Catholic University Organizes Seminar on Easter Date. In: byzcath.org, 19. Februar 2013, abgerufen am 29. Februar 2020.
  9. B. E. Schaefer: Lunar Visibility and the Crucifixion. In: Journal of the Royal Astronomical Society. Band 31, Nr. 1, 1990, S. 53–67, bibcode:1990QJRAS..31...53S (englisch).
  10. Colin J. Humphreys, W. G. Waddington: Dating the Crucifixion. In: Nature. Band 306, Nr. 5945, 1983, ISSN 0028-0836, S. 743–746, doi:10.1038/306743a0, bibcode:1983Natur.306..743H (englisch).
    Colin J. Humphreys, W. G. Waddington: The Date of the Crucifixion. In: Journal of the American Scientific Affiliation. Band 37, März 1985 (englisch, asa3.org [abgerufen am 24. Januar 2016]). –
    Colin J. Humphreys: The Mystery of the Last Supper. Reconstructing the Final Days of Jesus. illustrierte Neuauflage Auflage. Cambridge University Press, New York 2011, ISBN 978-0-521-73200-0, S. 193 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Milutin Milankovitch: Das Ende des julianischen Kalenders und der neue Kalender der orientalischen Kirchen. In: Astronomische Nachrichten. Band 220, Nr. 23, 1923, ISSN 0004-6337, S. 379–384, doi:10.1002/asna.19232202303, bibcode:1924AN....220..379M (englisch).
  12. Towards a Common Date of Easter – World Council of Churches/Middle East Council of Churches Consultation Aleppo, Syria, March 5–10, 1997. World Council of Churches, 10. März 1997, archiviert vom Original am 25. Oktober 2014; abgerufen am 24. Januar 2022.
  13. World Council of Churches Press Release: The Date of Easter: Science OffersSolution to Ancient Religious Problem. 24. März 1997, archiviert vom Original am 26. Juni 2012; abgerufen am 26. Januar 2024 (englisch).
  14. Luke Luhl: The Proposal for a Common Date to Celebrate Pascha and Easter. Orthodox Christian Information Center, 1997, abgerufen am 26. Januar 2024 (englisch).
  15. Luigi Sandri: New attempt to achieve a common date for Easter. In: Ekklesia. 6. Dezember 2008, abgerufen am 24. Januar 2016 (englisch).
  16. Hope for a common date for Easter affirmed again. In: Ekklesia. 29. Mai 2009, abgerufen am 24. Januar 2016 (englisch).
  17. Aaron J. Leichman: Ecumenical Christians Look Forward to Shared Easter Dates. In: Christianpost.com. 1. Juni 2009, abgerufen am 24. Januar 2016 (englisch).
  18. Hopes rise for East-West common Easter. In: CathNews. 29. Mai 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Februar 2013; abgerufen am 24. Januar 2016 (englisch).
  19. Michel Yatim: 1982 petition for a unified Easter date. In: soufanieh.com. 27. Januar 1982, abgerufen am 29. Februar 2020.
  20. Christians eye common date for Easter. In: Spero News. 8. Dezember 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Januar 2016; abgerufen am 24. Januar 2016.
  21. Will Pope Francis change the date of Easter? In: Catholic News Agency. 19. Juni 2015, abgerufen am 21. Juni 2015.
  22. Laura Ieraci: Pope, Orthodox patriarch express commitment for unity. In: National Catholic Reporter. 19. Juni 2015, abgerufen am 16. Januar 2016 (englisch).
  23. Archbishop Justin Welby hopes for fixed Easter date. In: BBC News. Abgerufen am 16. Januar 2016 (englisch).
  24. John Bingham, Sophie Jamieson: Easter date to be fixed ‘within next five to 10 years’. In: The Telegraph. 16. Januar 2016, abgerufen am 24. Januar 2016 (englisch): „He said that Easter should most likely be fixed for the second or third Sunday of April“