Silvio Stampiglia
Silvio Stampiglia (auch Animoso und Palemone Licurio; * 14. März 1664 in Civita Lavinia; † 26. Januar 1725 in Neapel) war ein italienischer Dichter und Librettist.
Leben
BearbeitenAusbildung
BearbeitenSilvio Stampiglia entstammt einer wohlhabenen Familie, auch wenn der Beruf seines Vaters Don Andrea mit „Kohlenhändler“ angegeben wird. Seine Mutter war Plautilla Cennami, Tochter des Giuseppe Cennami. Seine ältere Schwester Agnese (* 21. Oktober 1662) heiratete Don Paolo Sarnani aus Ariccia.[1]
Sein Vater Andrea besaß einen Bauernhof und ein Haus in Civita, das er von den Feudalherren der Familie Cesarini gepachtet hatte. Dort wurde Silvio geboren. Seine Mutter gehörte zur Familie des Komponisten Pietro Antonio Cennami, der in den Jahren 1695 bis 1698 vier Oratorien komponierte.[1]
Ab 1674 trat er in das römische Collegio Nazareno ein, wo er den Namen Animoso annahm, Mitglied der Accademia degli Incolti und 1678 ihr „Vorsteher“ wurde. Sein Onkel Servilio, Erzpriester an der Stiftskirche Santa Maria Maggiore – wo er getauft worden war – bestimmte ihn für ein Studium der Rechtswissenschaften. So verließ er gegen seinen Willen die Nazarener.[1]
Wenig später gab er diese Jura-Vorlesungen auf und ging zu dem Mathematiker Giordano Vitale (1633–1711), der vor allem für sein Theorem zum Saccheri-Viereck bekannt wurde. Doch auch dort hielt es ihn nicht lange und er begann, sich mit Poesie zu beschäftigen.[1]
Berufliche Karriere
BearbeitenSein Großonkel mütterlicherseits, Rocco Jacomini, Herr bei Lorenzo Onofrio Colonna (1637–1689), hatte ihn zuvor schon zu Aufführungen im Teatro Contestabile Colonna mitgenommen und spielte dort bald selbst auch mit.[1][2]
„Im Alter von 17 Jahren begann er, einige Oratorien und Serenaden aufzuführen.“[3] 1683 erschien eine seiner Sonetten in Maria Antonia Scalera Stellinis tragikomischen Oper Il Coraspe redivino von. Stellini konnte erwirken, Silvio durch die Aufnahme in die Accademia degli Sfaccendati zu fördern.[1]
Bald arbeitete er für die Herzöge von Paliano, Mitglieder der Familie Colonna. Ein von ihm komponiertes Geburtstagsständchen für die Braut des Kronprinzen Philippo, die spanische Adelige Lorenza de la Cerda y Aragón, das im August 1683 im Palazzo Colonna vorgetragen werden sollte, kam wegen der Zweiten Türkenbelagerung von Wien nicht zur Aufführung.[1]
Neue Möglichkeiten eröffneten sich durch den Bruder der Lorenza, Luis de la Cerda y Aragón, ein großer Liebhaber des Theaters und der Musik, der im Juli 1687 als Botschafter in Rom eintraf. In diesem günstigen Klima entstand Stampiglias erstes wichtiges Werk, das Oratorium Santo Stefano primo re dell’Ungheria, auch Oratorio dei Filippini.[1] 1712 verfasste Antonio Caldara unter dem gleichen Titel ein Oratorium nicht geistlichen, sondern politischen Inhalts, das den Eindrücken des Spanischen Erbfolgekriegs und der Französischen Revolution unterlegen ist und von Alessandro Scarlatti vertont wurde.[4]
Stampiglias Werk war Fürst Livio Odescalchi (1652–1713), dem Neffen von Innozenz XI. gewidmet und wurde am 9. März 1687 zu Musik von Flavio Lanciani (1761–1706) uraufgeführt. Das Oratorium huldigte den Herrscher, der Ungarn wieder der Katholischen Kirche zugeführt hatte und wurde für Stampiglia zur Eintrittskarte in die römische Bruderschaft Stimmate di San Francesco, in die er am 1. August 1688 aufgenommen wurde. Die Gründung der Accademia dell’Arcadia am 5. Oktober 1690 geht mit auf seine Initiative zurück – entsprechend gehörte er auch zu den Gründungsmitgliedern – und resultiert aus dem Zusammenschluss mehrerer Künstler, zu denen auch die Literaten Giovanni Mario Crescimbeni, Giambattista Felice Zappi, Vincenzo Leonio, Pompeo Figari und Giovanni Vincenzo Gravina gehörten und die sich zuvor schon zur Accademia degli Infecondi zusammengeschlossen hatten. Dort firmierte er mit dem Namen Palemone Licurio. Am 20. Nai 1696 hielt er eine feierliche Rede bei der Generalversammlung über die „Gesetze“, die in den Farnesischen Gärten auf dem Palatin stattfand.[1]
1690 erhielt Stampiglia von Kardinal Pietro Ottoboni, ein Urenkel von Alexander VIII., den Auftrag für einen Text einer Kantate, die zu der Musik von Flavio Lanciani im Vatikan vor dem Papst und den Kardinälen zur Aufführung kam. Weitere Konzerte folgten 1701 in Rom uns Florenz. Zwei Jahre später schrieb er zur Hochzeit von Margherita Farnese (1664–1718) mit Francesco II. d’Este Il fortunato oratorio Il martirio di S. Adriano, zu dem Francesco Antonio Pistocchi die Musik lieferte. Zwar wird in dem ursprünglichen Libretto Stampiglias Name nicht aufgeführt, doch wurde er auf der venizianischen Ausgabe von 1699 abgedruckt, was die Vermutung zulässt, dass sich das Ansehen von Stampiglia in der Zwischenzeit weiter verfestigt hatte.[1]
Dies wird durch die Biografische Lobrede Pier Caterino Zenos von 1733 bestätigt, der zu diesem Lebensabschnitt Stampiglias meinte, dass er „seine Hände in jeder Oper hatte“,[5] überarbeitete er doch in den Jahren 1692 bis 1696 Dramen für Musik von Nicolò Minato, Adriano Morselli (1600–1691), Giulio Cesare Corradi, Nicolò Beregan und Matteo Noris, die zum Karneval im Teatro Tordinona aufgeführt wurden, teils mit maßgeblichen Veränderungen. Trotz dieser hohen Zahl von etwa zehn Werken ist sein Name nur bei Xerse und Tullus Hostilius – beide von 1694 – im kollektiven Musikgedächtnis geblieben. Dies auch, weil 1738 Händel dieses Werk aufgriff und es neu herausbrachte. Allein vier Opern wurden von Giovanni Bononcini vertont, der seit 1691 in den Diensten von Lorenza de la Cerda Colonna stand. In diesen Jahren entstanden weitere Oratorien und Serenaden, viel davon für Namens- und Geburtstage der Bräute des Prinzen Philip Colonna und des Botschafters María Téllez Girón y Sandoval. Alle wurden im Colonna-Palast oder im Spanischen Palast uraufgeführt.[1]
Stampiglia war von 1706 bis 1718 kaiserlicher Hofdichter in Wien.
Weblinks
Bearbeiten- Kurzbiografie in italienischer Sprache auf handelforever.com
- Literatur von und über Silvio Stampiglia im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f g h i j k Saverio Franchi, Orietta Sartori: Stampiglia, Silvio di Saverio Franchi, Orietta Sartori., Treccani: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 94, 2019).
- ↑ Mehr zu Rocco Jacomini in: Dizionario biografico degli Italiani: Stampa-Tarantelli, Band 94, Istituto della Enciclopedia italiana, 2019, ISBN 978-88120-0032-6.
- ↑ L’Elogio biografico che a Stampiglia dedicò Pier Caterino Zeno, nel Giornale de’ letterati d’Italia, 1733, vol. 38, n. 2, S. 118.
- ↑ Sabine Ehrmann-Herfort, Gerhard Kuck: Alessandro Scarlatti: Das kompositorische Schaffen. Bärenreiter 2024, S. 151.
- ↑ Pier Caterino Zeno: Biografische Lobrede, in: Giornale de' letterati d'Italia, 1733, Bd. 38, Nr. 2, S. 117–134, insbesondere S. 119.
Personendaten | |
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NAME | Stampiglia, Silvio |
ALTERNATIVNAMEN | Licurio, Palemone |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Dichter und Librettist |
GEBURTSDATUM | 14. März 1664 |
GEBURTSORT | Lanuvio |
STERBEDATUM | 26. Januar 1725 |
STERBEORT | Neapel |