St. Nikolai (Pritzwalk)
Die evangelische Stadtkirche St. Marien und St. Nikolai in Pritzwalk im gleichnamigen Pfarrsprengel gehört zur Gesamtkirchengemeinde Region Pritzwalk im Kirchenkreis Prignitz der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die vielfach beschädigte und renovierte Kirche geht in wesentlichen Teilen auf einen spätgotischen Umbau zur Hallenkirche zurück.
Baugeschichte
BearbeitenIn die Jahre um 1256, als Pritzwalk Stadtrechte erhielt, fällt wohl auch die Gründung des Vorgängerbaus der heutigen Kirche, vermutlich eine Basilika auf kreuzförmigem Grundriss mit westlichem Querturm. Die Hauptkirche der Stadt erhielt das Patrozinium des heiligen Nikolaus und nachträglich das der Gottesmutter. Von diesem Ursprungsbau sind im heutigen Bestand deutlich erkennbare Teile erhalten. Um 1300 verbreiterte man das Langschiff, bevor man ab 1425, beginnend mit dem Hallenumgangschor (geweiht 1441 durch den Bischof von Havelberg, Konrad von Lintorff), die heutige Gestalt der Hallenkirche schuf. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde im Süden eine zweigeschossige Kapelle angefügt. 1539 erreichte die lutherische Reformation auch Pritzwalk und seine Stadtkirche. Nach einem Stadtbrand 1821 waren Reparaturen nötig und vor allem ab 1880/82 erfolgten gravierende Renovierungen und die Aufmauerung des Turms über dem älteren Unterbau. Die neugotischen Backsteinformen wurden nach Plänen des Berliner Architekten Friedrich Adler ausgeführt. Der Turm wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. In den 1970er-Jahren mussten defekte filigrane Schmuckelemente wie Fialen, Attikabögen und Gesimse umfangreich abgebrochen werden. 1999/2000 erfolgte die Rekonstruktion des Turmes nach den alten Plänen. Die Sanierung umfasste die Wiederherstellung fehlender Mauerwerkselemente, die Fassadensanierung einschließlich des Feldsteinsockels, die Neugestaltung der Turmentwässerung, die Neueindeckung der Turmquerhäuser, die Sanierung von Fenstern und der Holz-Treppenanlage.
Baugestalt
BearbeitenStadtbildprägend ist der 72 m hohe, bis in die Spitze aus gebrannten Ziegel- und Formsteinen gemauerte neugotische Turm. Sein Unterbau mit dem gestuften Westportal, dem Rundfenster darüber und Partien der Langhausmauern sowie Teile des ehemaligen Querschiffes gehören zum frühgotischen Bau des 13. Jahrhunderts, erkennbar am sauber gequadertem, regelmäßig geschichteten Feldsteinmauerwerk. In ihrer heutigen Erscheinungsform ist die Pfarrkirche St. Nikolai eine spätgotische Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen, polygonalem Umgangschor im Osten und dem Turm im Westen. An der südlichen Langhausseite befindet sich eine zweigeschossige Kapelle (Taufkapelle im unteren Geschoss) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Von den zwei zweigeschossigen Kapellen beiderseits des Langchors ist die südliche außen reich gegliedert.
Inneres: Die Gewölbe des dreijochigen Langhauses werden von gemauerten Rundpfeilern aus heute unverputztem Backstein getragen, die ganz ähnlich auch den Chor vom Chorumgang trennen und dort mit Inschriften versehen sind. Die Strebepfeiler des Langhauses sind nach innen gezogen. Drei- oder vierbahnige Lanzettfenster ohne Maßwerk belichten Chor und Langhaus. Chor und Seitenschiffe sind überspannt von gebusten Kreuzrippengewölben, während das Mittelschiff, die Südkapelle (Taufkapelle) sowie die Turmhalle Sterngewölbe tragen.
Ausstattung
BearbeitenBedeutendstes Ausstattungsstück ist der spätgotische Flügelaltar mit seinen sechs figurenreichen Feldern. Sie zeigen in der Mitte die Heilige Sippe also die Verwandtschaft Mariens mit ihrer Mutter Anna als Zentralfigur. Die Heiligen Georg und Christophorus begleiten die Gruppe. Im Feld darüber flankieren Andreas und Johannes der Täufer die Marienkrönung. Auf den Flügeln wird oben eine Anna-selbdritt-Gruppe durch Emerentia, der Mutter Annas zur „Anna selbviert“ erweitert, gegenüber der Tod der Hl. Anna dargestellt. Im unteren Register finden die Verlobung Marias und eine weitere Sippendarstellung Platz. Das um 1470/80 geschnitzte Werk stammt aus der 5 km östlich von Pritzwalk gelegenen ehemaligen Wallfahrtskirche Alt Krüssow (Leihgabe seit 1976).[1]
Die Altargarnitur ist Berliner Eisenkunstguß nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel. Die sonstige Innenausstattung der Kirche ist aus neugotischer Zeit (um 1882).
In der Taufkapelle – als Winterkirche genutzt – zeigt ein Glaskunstfenster (Entwurf: Ilse Fischer (Malerin), 1953; Ausführung: Katharina Peschel, Berlin-Mahlsdorf) den gekreuzigten Christus, seine Mutter Maria und der Jünger Johannes. Ein bemerkenswertes Detail der mittelalterlichen Bauausstattung der Taufkapelle sind die figürlichen glasierten Eckkonsolen, die das Sterngewölbe tragen. Es sind groteske Wesen mit langen Ohren und herausgesteckten Zungen gezeigt. Ganz ähnliche Konsolen besitzt die Nordkapelle der Wallfahrtskirche Alt Krüssow, die ebenfalls im frühen 16. Jahrhundert entstanden ist und eine ähnliche Giebelgestaltung aufweist.
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Altar
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Taufkapelle (Winterkirche)
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Figürliche Konsole in der Taufkapelle
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Schuke-Orgel
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Zuberbier-Orgel
Orgel
BearbeitenDie Kirche erhielt 1833 eine Orgel von Johann Friedrich Turley mit zwei Manualen, Pedal und 29 Registern.[2] 1923 erweiterte Alexander Schuke das Instrument auf drei Manuale mit 34 Registern (Ausbau auf 42 Register vorbereitet).[3] Im Zweiten Weltkrieg wurde diese Orgel zerstört.
Die heutige Orgel wurde 1956/58 durch die Firma Schuke (Potsdam) gefertigt. Es war der erste große Orgelneubau dieser Orgelbaufirma nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Schleifladen-Instrument hat 2.664 Pfeifen auf drei Manualen und Pedal. Das Instrument hat folgende Disposition:
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- Koppeln: I/II, III/II, I/P, II/P., III/P.
In der Taufkapelle befindet sich eine einmanualige Zuberbier-Orgel mit 294 Pfeifen und folgender Disposition:
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Diese kleine Orgel wurde von Johann Friedrich Leberecht Zuberbier im Jahre 1784 gebaut. Die Orgel in der Taufkapelle wird während der kalten Jahreszeit für Gottesdienste und im ganzen Jahr für kammermusikalische Veranstaltungen genutzt.[4]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Wallfahrtskirche Alt-Krüssow
- ↑ Uwe Pape: Friedrich Hermann Lütkemüller. Pape Verlag, Berlin, 2. erw. Auflage 2001, S. 57–59.
- ↑ Roland Eberlein (Hg.): Hermann Mund Sammlung Orgeldispositionen Heft C. (walcker-stiftung.de [PDF; abgerufen am 24. Februar 2024] Disposition Nr. 654).
- ↑ Archivierte Kopie ( vom 10. August 2014 im Internet Archive)
Weblinks
Bearbeiten- Eintrag zur Denkmalobjektnummer 09160485 in der Denkmaldatenbank des Landes Brandenburg
- Kirche St. Nikolai – Kirchgemeinde Pritzwalk
- Kirche St. Nikolai – Stadt Pritzwalk
- Routen der Romanik in Berlin und Brandenburg – St. Nikolaikirche, Pritzwalk
Koordinaten: 53° 9′ 0,8″ N, 12° 10′ 34″ O