TRANSFAC
TRANSFAC (TRANScription FACtor database) ist eine manuell kuratierte Datenbank über eukaryote Transkriptionsfaktoren, deren genomische Bindungsstellen und DNA-Bindungsprofile. Die Inhalte der Datenbank können mithilfe entsprechender Software zur Vorhersage potentieller Transkriptionsfaktor-Bindungsstellen (TFBS) verwendet werden.
Geschichte
BearbeitenDie der Datenbank zugrunde liegende Datensammlung wurde erstmals 1988 von Edgar Wingender veröffentlicht. Sie umfasste im Wesentlichen drei Tabellen: über Transkriptionsfaktor-Bindungsstellen (TFBS) in Genen, über Transkriptionsfaktoren (TF) und über DNA-Bindungsdomänen vom Zinkfinger-Typ.[1] Daraus wurde zunächst eine lokal lauffähige Datenbank mit dem Namen TRANSFAC erstellt.[2] Im Rahmen eines der ersten öffentlich geförderten Bioinformatikprojekte in Deutschland an der damaligen Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF, dem heutigen Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, HZI) in Braunschweig wurde daraus eine über das Internet verfügbare Ressource entwickelt.[3] Zur Sicherung einer langfristigen Finanzierung erfolgte 1997 die Übertragung der Datenbank an ein dazu gegründetes Unternehmen (BIOBASE GmbH). Es gibt aber weiterhin ältere, für nicht-kommerzielle Nutzer frei zugängliche Versionen der Datenbank.[4][5]
Inhalte und Struktur der Datenbank
BearbeitenIm Zentrum der Datenbank steht die Beziehung zwischen Transkriptionsfaktoren (TF) und ihren DNA-Bindungsstellen (TFBS). Für jeden TF werden, soweit in der wissenschaftlichen Literatur belegt, seine strukturellen und funktionellen Eigenschaften beschrieben. TF werden anhand der Eigenschaften ihrer DNA-Bindungsdomänen zu Familien, Klassen und Überklassen zusammengefasst. Daraus ergibt sich ein Klassifizierungsschema für Transkriptionsfaktoren.[6][7][8][9] Die Bindung eines TF an eine bestimmte Bindungsstelle eines Gens wird mitsamt der genauen Lokalisation dieser Bindungsstelle, ihrer Nukleotid-Sequenz sowie der Methodik, die zu ihrem Nachweis geführt hat, dokumentiert. Auf einen TF (oder eine Gruppe eng verwandter TF) bezogene Bindungsstellen werden aliniert und zu Nukleotidverteilungs-Matrizen (count matrices; position-specific scoring matrices, PSSM) zusammengefasst. Viele Matrizen in der Matrix-Bibliothek von TRANSFAC wurden vom Annotationsteam erstellt, andere aus der wissenschaftlichen Literatur übernommen.
Einsatzgebiete
BearbeitenDie Datenbank TRANSFAC wird u. a. als Enzyklopädie für eukaryote Transkriptionsfaktoren verwendet. Die Zielsequenzen und regulierten Gene können für jeden TF aufgelistet und so umfassende Datensätze für Bindungssequenzen einzelner TF zusammengestellt werden, etwa als Test- oder Trainingssequenzen für TFBS-Erkennungsalgorithmen.[10] Die TF-Klassifizierung ermöglicht, solche Datensätze in Zusammenhang mit den Eigenschaften der DNA-Bindungsdomäne zu analysieren.[11] Umgekehrt können für die regulierten Gene diejenigen TF abgerufen werden, für die TFBS in diesen Genen dokumentiert sind. Aus den in TRANSFAC dokumentierten TF-Zielgen-Beziehungen wurden im Zusammenhang mit systembiologischen Untersuchungen auch transkriptionsregulatorische Netzwerke konstruiert und analysiert.[12][13] Die mit Abstand am weitesten verbreitete Anwendung von TRANSFAC beruht jedoch auf der Computer-gestützten Vorhersage potentieller Transkriptionsfaktor-Bindestellen. Verschiedene Algorithmen verwenden dazu die einzelnen TF-Bindungsstellen oder die Matrix-Bibliothek.
Auf TRANSFAC-Inhalten basierende Tools zur Vorhersage von Transkriptionsfaktor-Bindungsstellen sind:
- Patch – analysiert Sequenzähnlichkeiten mit den in TRANSFAC dokumentierten Bindungsstellen; wird zusammen mit der Datenbank bereitgestellt.[14][15]
- SiteSeer – analysiert Sequenzähnlichkeiten mit den in TRANSFAC dokumentierten Bindungsstellen.[16][17]
- Match – identifiziert potentielle TFBS mithilfe der Matrix-Library; wird zusammen mit der Datenbank bereitgestellt.[18][19]
- TESS (Transcription Element Search System) – analysiert Sequenzähnlichkeiten mit Bindungsstellen aus TRANSFAC sowie potentielle Bindungsstellen mithilfe der Matrix-Libraries aus TRANSFAC und drei weiteren Quellen.[20][21] TESS stellt auch ein Programm zur Identifizierung von cis-regulatorischen Modulen (CRMs, charakteristische Kombinationen von TFBS) bereit, das TRANSFAC-Matrizen nutzt.[22]
- PROMO – Matrix-basierte TFBS-Vorhersage mithilfe der kommerziellen Datenbank-Version[23][24]
- TFM Explorer – Identifizierung gemeinsamer potentieller TFBS in einem Satz von Genen[25][26]
- MotifMogul – Matrix-basierte Sequenzanalyse mit verschiedenen Algorithmen[27]
- ConTra – Matrix-basierte Sequenzanalyse in konservierten Promotorbereichen[28][29]
- PMS (Poly Matrix Search) – Matrix-basierte Sequenzanalyse in konservierten Promotorbereichen[30][31]
- ModuleMaster – Identifikation von angenommenerweise regulierenden Transkriptionsfaktoren für beliebige Gene und anschließende Identifizierung von cis-regulatorischen Modulen (CRMs).[32]
Abgleich von Matrizen mit denen der Matrix-Bibliotheken aus TRANSFAC und anderen Quellen:
- T-Reg Comparator[33] zum Vergleich von einzelnen oder Gruppen von Matrices mit denen der TRANSFAC oder anderer Matrix-Bibliotheken.
- MACO (Poly Matrix Search)[34][35] – Matrix-Vergleich mit Matrix-Bibliotheken
Mithilfe von TRANSFAC vorberechnete genomische Annotationen werden von verschiedenen Servern bereitgestellt.[36][37]
Verwandte Datenquellen
BearbeitenDie folgenden Quellen bieten verwandte oder mit Teilen der TRANSFAC-Datenbank überlappende Inhalte an:
- JASPAR – Sammlung von Transkriptionsfaktor-Bindungsprofilen (Matrizen) und Sequenzanalyseprogramm
- PLACE – cis-regulatorische DNA-Elemente in Pflanzen; bis Februar 2007.
- PlantCARE – cis-regulatorische Elemente und Transkriptionsfaktoren in Pflanzen (2002).
- PRODORIC – ein ähnliches Konzept wie TRANSFAC- aber für Prokaryoten
- RegulonDB – Fokus auf das Bakterium Escherichia coli
- SCPD – spezifische Daten- und Toolsammlung für Hefe (Saccharomyces cerevisiae) (1998).
- TFe – The transcription factor encyclopedia
- TRDD – Transcription Regulatory Regions Database, hauptsächlich über regulatorische Regionen und TF-Bindungsstellen
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ E. Wingender: Compilation of transcription regulating proteins. In: Nucleic Acids Research. Band 16, 1988, S. 1879–1902, PMC 338188 (freier Volltext).
- ↑ E. Wingender, T. Heinemeyer, D. Lincoln: Regulatory DNA sequences: predictability of their function. In: Genome Analysis - From Sequence to Function; BioTechForum - Advances in Molecular Genetics (J. Collins, A.J. Driesel, eds.). Band 4, 1991, S. 95–108.
- ↑ E. Wingender, P. Dietze, H. Karas, R. Knüppel: TRANSFAC: a database on transcription factors and their DNA binding sites. In: Nucleic Acids Res. Band 24, 1996, S. 238–241, PMC 145586 (freier Volltext).
- ↑ TRANSFAC Public auf dem Genregulations-Portal der BIOBASE GmbH
- ↑ Zugang zu TRANSFAC Public über TESS ( vom 24. Juli 2012 im Internet Archive) am Computational Biology and Informatics Laboratory (CBIL) der University of Pennsylvania (Penn)
- ↑ E. Wingender: Classification of eukaryotic transcription factors. In: Mol Biol Engl Tr (Mosk). 31, 1997, S. 483–497. PMID 9340487 (russisch)
- ↑ T. Heinemeyer, X. Chen, H. Karas, A. E. Kel, O. V. Kel, I. Liebich, T. Meinhardt, I. Reuter, F. Schacherer, E. Wingender: Expanding the TRANSFAC database towards an expert system of regulatory molecular mechanisms. In: Nucleic Acids Res. Band 27, 1999, S. 318–322 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ P. Stegmaier, A. E. Kel, E. Wingender: Systematic DNA-binding domain classification of transcription factors. In: Genome Inform. Band 15, 2004, S. 276–286 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ E. Wingender: The classification of transcription factors
- ↑ M. Tompa u. a.: Assessing computational tools for the discovery of transcription factor binding sites. In: Nat. Biotechnol. Band 23, 2005, S. 137–144, PMID 15637633 (englisch, nature.com).
- ↑ L. Narlikar, R. Gordân, U. Ohler, A. J. Hartemink: Systematic DNA-binding domain classification of transcription factors. In: Bioinformatics. Band 22, 2006, S. e384-e392 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ B. Goemann, E. Wingender, A. P. Potapov: An approach to evaluate the topological significance of motifs and other patterns in regulatory networks. In: BMC Syst Biol. Band 3, 2009, S. 53 (englisch, biomedcentral.com).
- ↑ S. Kozhenkov, Y. Dubinina, M. Sedova, A. Gupta, J. Ponomarenko, M. Baitaluk: BiologicalNetworks 2.0 - an integrative view of genome biology data. In: BMC Bioinformatics. Band 11, 2010, S. 610 (englisch, biomedcentral.com).
- ↑ Patch auf dem freien Portal von BIOBASE
- ↑ V. Matys, O. V. Kel-Margoulis, E. Fricke, I. Liebich, S. Land, A. Barre-Dirrie, I. Reuter, D. Chekmenev, M. Krull, K. Hornischer, N. Voss, P. Stegmaier, B. Lewicki-Potapov, H. Saxel, A. E. Kel, E. Wingender: TRANSFAC and its module TRANSCompel: transcriptional gene regulation in eukaryotes. In: Nucleic Acids Res. Band 34, 2006, S. D108-D110 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ SiteSeer ( vom 25. Juni 2011 im Internet Archive) von der University of Manchester
- ↑ P. E. Boardman, S. G. Oliver, S. J. Hubbard: SiteSeer: Visualisation and analysis of transcription factor binding sites in nucleotide sequences. In: Nucleic Acids Res. Band 31, 2003, S. 3572–3575 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ Match auf dem freien Portal von BIOBASE
- ↑ A. E. Kel, E. Gössling, I. Reuter, E. Cheremushkin, O. V. Kel-Margoulis, E. Wingender: MATCHTM: a tool for searching transcription factor binding sites in DNA sequences. In: Nucleic Acids Res. Band 31, 2006, S. 3576–3579 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ TESS (Transcription Element Search System) ( vom 5. August 2012 im Webarchiv archive.today) am CBIL der University of Pennsylvania
- ↑ Site Search bei TESS ( vom 24. Juli 2012 im Internet Archive)
- ↑ AnGEL CRM Searches ( vom 24. Juli 2012 im Internet Archive) im TESS-System
- ↑ PROMO auf dem ALGGEN-Server der Universitat Politècnica de Catalunya (UPC)
- ↑ X. Messeguer, R. Escudero, D. Farré, O. Núñez, J. Martínez, M. M. Albà: PROMO: detection of known transcription regulatory elements using species-tailored searches. In: Bioinformatics. Band 18, 2002, S. 333–334 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ TFM Explorer auf dem Bioinformatics Software Server der SEQUOIA-Gruppe
- ↑ L. Tonon, H. Touzet, J. S. Varré: TFM-Explorer: mining cis-regulatory regions in genomes. In: Nucleic Acids Res. Band 38, 2010, S. W286-W292 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ MotifMogul vom Institute for Systems Biology in Seattle
- ↑ ConTra von der Universität Gent
- ↑ B. Hooghe, P. Hulpiau, F. van Roy, P. De Bleser: ConTra: a promoter alignment analysis tool for identification of transcription factor binding sites across species. In: Nucleic Acids Res. Band 36, 2008, S. W128-W132 (englisch, oxfordjournals.org).
- ↑ PMS. ( vom 10. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) entwickelt an der Nanjing University
- ↑ G. Su, B. Mao, J. Wang: A web server for transcription factor binding site prediction. In: Bioinformation. 1, 2006, S. 156–157. PMID 17597879
- ↑ ModuleMaster TF and CRM searches
- ↑ T-Reg Comparator. ( vom 18. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) auf dem Server des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik
- ↑ MACO. ( vom 10. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) entwickelt an der Nanjing University
- ↑ G. Su, B. Mao, J. Wang: MACO: a gapped-alignment scoring tool for comparing transcription factor binding sites. In: In Silico Biol. Band 6, 2006, S. 307–310 (englisch, bioinfo.de).
- ↑ PReMOD ( vom 28. Dezember 2008 im Internet Archive): Menschliches und Maus-Genom aus den Jahren 2004 & 2005; IRCM / McGill University, Montreal
- ↑ PRIMA: Menschliches Genom von 2004; Tel-Aviv University
Literatur
Bearbeiten- E. Wingender: The TRANSFAC project as an example of framework technology that supports the analysis of genomic regulation. In: Brief Bioinform. Band 9, 2008, S. 326–332 (englisch, oxfordjournals.org).
Weblinks
Bearbeiten- Geschichte der TRANSFAC-Datenbank auf der Homepage von Edgar Wingender