Tellurobismutit

Mineral aus der Gruppe der Telluride

Tellurobismutit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung Bi2Te3 und entspricht damit chemisch gesehen der Verbindung Bismuttellurid.

Tellurobismutit
Blättriges Tellurobismutit-Aggregat aus der Kutemajärvi-Mine, Orivesi, Pirkanmaa, Finnland
(Größe: 50 mm × 30 mm × 25 mm; größter Kristall: 15 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Tbi[1]

Andere Namen
  • englisch Tellurobismuthite
  • Tellurbismut
  • Tellurwismut
  • Tellurisches Bismut
  • Wehrlit[2]
Chemische Formel Bi2Te3
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/C.03a
II/D.09-020

2.DC.05c
02.11.07.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol ditrigonal-skalenoedrisch; 32/m
Raumgruppe R3m (Nr. 166)Vorlage:Raumgruppe/166[3]
Gitterparameter a = 4,38 Å; c = 30,47 Å[3]
Formeleinheiten Z = 3[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1,5 bis 2[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 7,815; berechnet: 7,857[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {0001}[4]
Bruch; Tenazität Lamellen flexibel, aber nicht elastisch; leicht schneidbar[4]
Farbe hellbleigrau, auf polierten Flächen weiß[4]
Strichfarbe hellbleigrau[4]
Transparenz undurchsichtig (opak)[4]
Glanz starker weißer Metallglanz[5]
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale Verunreinigungen durch Schwefel möglich

Tellurobismutit kristallisiert im trigonalen Kristallsystem und findet sich häufig in Form von blättrigen bis tafeligen Kristallen mit hexagonalem Habitus und maximal wenigen Millimetern Durchmesser. Das Mineral kommt häufig mit Gold, Quarz, Galenit, Chalkopyrit sowie mit Calaverit, Tetradymit und Rucklidgeit vergesellschaftet vor. Tellurobismutit ist undurchsichtig (opak) und zeigt auf der Oberfläche der weißen bis bleigrauen Kristalle metallischen Glanz.

Etymologie und Geschichte

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Die von dem dänischen Geologen und Mineralogen Jens Esmark 1816 veröffentlichte Beschreibung eines neuen Tellur-Erzes kann als erste Kurzbeschreibung des Minerals angesehen werden. Seinen Ausführungen zufolge bestand die Probe aus tafeligen, perfekt sechseckigen Kristallen von „zinnweißer“ Farbe mit einem starken Metallglanz. Weitere Untersuchungen offenbarten eine vollkommene Spaltbarkeit nach einer Richtung und mäßige Flexibilität sowie eine „beträchtliche Weichheit“ (geringe Mohshärte). Die Lötrohr-Probe (englisch Blowpipe) ergab, dass das Mineral zum Teil aus Tellur bestand. Der zweite Bestandteil – ein metallisch-silbriges und verformbares Kügelchen – war für eine weitere Untersuchung zu klein. Als Fundort gab Esmark das Bergwerk „Mosnap“ an.[6] Die inzwischen abgesoffene Kupfermine liegt in der Kommune Fyresdal innerhalb der norwegischen Provinz Telemark.[7]

Seinen bis heute gültigen Namen Tellurobismutit soll das Mineral 1863 in Anlehnung an dessen chemischer Zusammensetzung aus Bismut und Tellur erhalten haben.[8] David M. Balch spricht das Mineral in seiner Publikation allerdings als Tellurbismuth (im Deutschen Tellurbismut oder auch Tellurwismut) an.[9] Unter diesem Synonym wurden allerdings mehrere Minerale bekannt, die erst später voneinander abgegrenzt werden konnten. Unter anderem sind dies der schwer von Tellurobismutit unterscheidbare Tetradymit (Bi2Te2S) sowie Joséit (Bi4(Te,S)3, inzwischen aufgeteilt in Joséit-A und Joséit-B), Laitakarit (Bi4(Se,S)3[10]), Hedleyit (Bi7Te3[10]) und Pilsenit (redefiniert Bi4Te3[10]).[11]

1940 wurde die chemische Zusammensetzung von Tellurobismutit, den man bis dahin lange Zeit als Varietät von Tetradymit ansah, mit Bi2Te3 neu definiert und als eigenständige Mineralart akzeptiert,[12] nachdem eingehende Strukturanalysen von Paul W. Lange nachweisen konnten, dass Tellurobismutit und Tetradymit trotz ihrer großen chemischen und strukturellen Ähnlichkeit zwei deutlich unterschiedliche Phasen im System Bi2Te3 – Bi2Te2S sind.[13]

Da Tellurobismutit bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Tellurobismutit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[10] Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Tellurobismutit lautet „Tbi“.[1]

Neben der Mosnap-Grube in Norwegen gelten als weitere Typlokalitäten von Tellurobismutit die Boly-Field-Goldmine bei Dahlonega im Lumpkin County von Georgia und die Little-Mildred-Mine im Bergbaubezirk Sylvanite des Hidalgo Countys von New Mexico in den Vereinigten Staaten.[14]

Klassifikation

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In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tellurobismutit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung „Sulfide mit M : S < 1 : 1“, wo er gemeinsam mit Tetradymit und Wehrlit sowie dem 1991 diskreditierten Csiklovait in der „Tetradymit-Reihe“ mit der Systemnummer II/C.03a steht.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten „Lapis-Mineralienverzeichnis“, das sich im Aufbau noch nach der alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer II/D.09-020. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Tellurobismutit zusammen mit Kawazulith, Paraguanajuatit, Skippenit, Tellurantimon und Tetradymit die „Tetradymitgruppe“ mit der Systemnummer II/D.09 bildet.[15]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[16] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tellurobismutit dagegen in die Abteilung „Metallsulfide mit M : S = 3 : 4 und 2 : 3“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach dem genauen Stoffmengenverhältnis, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : S variabel“ zu finden ist, wo es zusammen mit Kawazulith, Paraguanajuatit, Skippenit, Tellurantimon und Tetradymit die „Tetradymitgruppe“ mit der Systemnummer 2.DC.05c bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Tellurobismutit die System- und Mineralnummer 02.11.07.02. Das entspricht ebenfalls der Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort der Abteilung „Sulfidminerale“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 2 : 3“ in der „Tetradymitgruppe (Trigonal: R3m)“, in der auch Tetradymit, Tellurantimon, Paraguanajuatit, Kawazulith, Skippenit und Vihorlatit eingeordnet sind.

Kristallstruktur

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Tellurobismutit kristallisiert in der trigonalen Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 166)Vorlage:Raumgruppe/166 mit den Gitterparametern a = 4,38 Å und c = 30,47 Å sowie drei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Bildung und Fundorte

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Bis zu einen Millimeter große Tellurobismutit-Kristalle und -Kristallrasen auf Nebengestein. Mangfallberget, Boliden, Skellefteå, Provinz Västerbotten, Schweden (Bildbreite 8 mm)

Da Tellur von allen Elementen die höchste Affinität zu Gold zeigt, bildet sich Tellurobismutit durch hydrothermale Vorgänge häufig in Verbindung mit Goldlagerstätten. Es bildet häufig Paragenesen mit zahlreichen anderen Bismuttelluriden, Bismut-Tellur-Sulfiden, Blei- und Goldtelluriden sowie gediegen Gold. Zu nennen sind hierbei Rucklidgeit, Calaverit, Tetradymit, Tsumoit, Nagyágit und Altait. Daneben sind Vergesellschaftungen mit den weit verbreiteten Sulfiden Galenit und Chalkopyrit sowie den Gangartmineralen Quarz und Calcit häufig anzutreffen.[14]

Als eher seltene Mineralbildung kann Tellurobismutit an verschiedenen Fundorten zum Teil reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Weltweit sind bisher rund 360 Vorkommen[17] dokumentiert (Stand 2023).

Der bisher einzige beschriebene Fund aus Österreich gilt noch als unsicher und stammt aus dem Rellstal in der Gemeinde Vandans in Vorarlberg.[18]

Weitere bisher bekannte Fundorte liegen unter anderem in Ägypten, Argentinien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, China, der Dominikanischen Republik, Fidschi, Finnland, Frankreich, Griechenland, Guyana, Japan, Kambodscha, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Mali, der Mongolei, Nordkorea, Norwegen, Papua-Neuguinea, den Philippinen, Polen, Rumänien, Russland, Saudi-Arabien, Schweden, Simbabwe, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Thailand, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, Usbekistan, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten nachgewiesen werden.[18]

Verwendung

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Da Tellur zusammen mit Selen industriell ausschließlich aus Nebenprodukten der großtechnischen elektrolytischen Kupfer- und Nickel-Herstellung gewonnen wird, ist Tellurobismutit als Tellurerz nicht von Bedeutung. Aufgrund seiner Seltenheit gegenüber anderen Bismut-haltigen Mineralen spielt es auch als Bismuterz keinerlei wirtschaftliche Rolle. Stufen des Minerals sind ausschließlich bei Sammlern begehrt.

Siehe auch

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Literatur

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  • J. Esmark: XIV. Description of a New Ore of Tellurium. In: Transactions of the Geological Society of London. S1-3, Nr. 1, 1. Januar 1816, S. 413–414, doi:10.1144/transgsla.3.413 (zenodo.org [PDF; 69 kB; abgerufen am 10. Dezember 2023] Beschreibung eines neuen Tellur-Erzes).
  • J. Berzelius: Undersökning af tvenne i K. Vet. Academinens Mineralsamling befintliga Mineralier. In: Kongliga Vetenskaps-Academiens Handlingar. 1823, S. 183–189 (Beschreibung als Tellur-gebundenes Wismut).
  • Paul W. Lange: Ein Vergleich zwischen Bi2Te3 und Bi2Te2. In: Naturwissenschaften. Band 27, Nr. 8, 1939, S. 133–134, doi:10.1007/BF01490284.
  • Clifford Frondel: Redefinition of tellurobismuthite and vandiestite. In: American Journal of Science. Band 238, Nr. 12, Dezember 1940, S. 880–888, doi:10.2475/ajs.238.12.880.
  • C. Palache, H. Berman, C. Frondel: The System of Mineralogy of James Dwight Dana and Edward Salisbury Dana Yale University 1837–1892, Band I: Elements, Sulfides, Sulfosalts, Oxides. 7., revidierte und erweiterte Auflage. John Wiley and Sons, Inc., New York 1944, S. 160–161.
  • A. W. G. Kingsbury: Tellurbismuth and meneghinite, two minerals new to Britain. In: Mineralogical Magazine and Journal of the Mineralogical Society. Band 35, Nr. 270, Juni 1965, S. 424–426, doi:10.1180/minmag.1965.035.270.19.
  • Nigel J. Cook, Cristiana L. Ciobanu, Thomas Wagner, Christopher J. Stanley: Minerals of the system Bi-Te-Se-S related to the tetradymite archetype: review of classification and compositional variation. In: The Canadian Mineralogist. Band 45, Nr. 4, 1. August 2007, S. 665–708, doi:10.2113/gscanmin.45.4.665.
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Einzelnachweise

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  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 239.
  3. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 98 (englisch).
  4. a b c d e f g Tellurobismuthite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 50 kB; abgerufen am 8. Dezember 2023]).
  5. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 339.
  6. J. Esmark: XIV. Description of a New Ore of Tellurium. In: Transactions of the Geological Society of London. S1-3, Nr. 1, 1. Januar 1816, S. 413–414, doi:10.1144/transgsla.3.413 (zenodo.org [PDF; 69 kB; abgerufen am 10. Dezember 2023] Beschreibung eines neuen Tellur-Erzes).
  7. Mosnap Mine, Moisesberg Mines, Fyresdal, Vestfold og Telemark, Norway. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 11. Dezember 2023 (englisch).
  8. Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 110–111.
  9. David M. Balch, C. T. Jackson: On tellurbismuth from Dahlonega, Georgia. In: American Journal of Science and Arts. Band 85, 1863, S. 99–101 (englisch, rruff.info [PDF; 300 kB; abgerufen am 12. Dezember 2023]).
  10. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  11. Paul Ramdohr: Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen. 4., bearbeitete und erweiterte Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 470–472.
  12. Clifford Frondel: Proceedings of annual meeting: redefinition of tellurobismuthite. In: American Mineralogist. Band 25, 1940, S. 208 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 13. November 2023]).
  13. Paul W. Lange: Ein Vergleich zwischen Bi2Te3 und Bi2Te2S. In: Naturwissenschaften. Band 27, 1939, S. 133–134 (rruff.info [PDF; 239 kB; abgerufen am 13. Dezember 2023]).
  14. a b Tellurobismuthite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 11. Dezember 2023 (englisch).
  15. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  16. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  17. Localities for Tellurobismuthite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 11. Dezember 2023 (englisch).
  18. a b Fundortliste für Tellurobismutit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 8. Dezember 2023.